von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
"Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen … Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an." So belehrend und herablassend gratulierte Bundeskanzlerin Merkel dem US-Präsidenten vor vier Jahren zu seiner Wahl. Seither zeigt der, worauf er selbst Wert legt: Dass die Kanzlerin und ihre Bundesregierung kuschen – und zahlen. Sein neuestes Ding: Weil das Bundeskabinett nicht daran denkt, mit absurden 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) die NATO-Kriegskasse aufzufüllen, sollen 9.500 der insgesamt 35.000 US-Soldaten aus Deutschland abziehen. Westlich-werteorientiert, wie das Kabinett Merkel und die ARD-Tagesschau nun mal sind, blasen sie Trübsal und beklagen den miesen Umgangston des Bündnischefs, "weil ein Tief in der NATO vor allem Russland nützt".
Die gewöhnliche deutsche Gefügigkeit gegenüber Forderungen aus Washington – man denke an die rückgratlose und törichte Mitmache bei den Sanktionen gegen Russland – nützt zwar dem Amerikageschäft der deutschen Exportwirtschaft. Sie verursacht anderweitig aber Verluste und kostet den deutschen Steuerzahler viele Milliarden Euro. Außerdem steigt unser sogenannter Verteidigungshaushalt seit Trumps Amtsantritt kontinuierlich. Im vorigen Jahr erreichte er nach Angaben des Verteidigungsministeriums 43,2 Milliarden Euro, heuer 45,2 Milliarden, das sind 1,4 Prozent des BIP. Deutschland gehört damit zu den 15 Staaten mit den weltweit höchsten Militärausgaben. Sollten gar 2,0 Prozent des BIP erbracht werden, so ergäben sich Mehrausgaben von mindestens 22 Milliarden Euro.
Die Tagesschau machte aber in ihren Berichten über Trumps Truppenabzugspläne keineswegs kenntlich, dass seine 2-Prozent-Forderung lediglich auf vagen Absprachen und nicht auf vertraglichen Verpflichtungen beruht. Mit Schweigen überging die Redaktion ARD-aktuell zudem den zeitgeschichtlichen Hintergrund dieser aggressiven NATO-Formel: das völkerrechtswidrige Treiben des US-Präsidenten Obama, sein Lostreten und Finanzieren des Staatsstreichs in der Ukraine anno 2014, die nachfolgende Anarchie, die Volksabstimmung auf der Krim, deren Beitritt zur Russischen Föderation und der sich darauf gründenden US-Drohpolitik gegenüber Moskau
Alte Debatte neu aufgewärmt
Nichts von all dem in den Hauptsendungen der Tagesschau. Nachlesbar ist ein Teil dieser Angaben nur in einem zwar ordentlichen, aber gut versteckten Tagesschau.de-Beitrag in der Rubrik "Inland".
Die Debatte um das 2-Prozent-Ziel stammt allerdings schon aus Zeiten, als der SPD-Politiker Peter Struck noch Verteidigungsminister in der rot-grünen Regierung Gerhard Schröders war und die "Sicherheit Deutschlands auch am Hindukusch verteidigen" wollte. Obwohl seither fast zwei Jahrzehnte vergangen sind und "der Russe" immer noch nicht bei uns einmarschiert ist, obwohl der Umfang des deutschen Militärhaushalts nach wie vor keine 1,5 Prozent des BIP erreicht, fand die neue Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, wenigstens dieses Zwischenziel müsse nun endlich angegangen werden. Tagesschau.de meldete das mit folgenden Sätzen:
SPD-Kritik, man dürfe sich von Trump jetzt nichts vorschreiben lassen, kontert Kramp-Karrenbauer so: 'Es geht, um es deutlich zu sagen, nicht um Wünsche von außen. Es geht nicht um Aufrüstung. Es geht um Ausrüstung und Personal, es geht um unsere Bundeswehr.'
Die verschleiernde Schönrederei half der Ministerin allerdings nichts, wie das Magazin Der Spiegel zu berichten wusste. Der aktuelle "Wehr"-Etat hat denn auch den Rahmen von 1,4 Prozent des BIP zunächst nicht überschritten. (Das könnte zum Ende des Pandemiejahres 2020 ganz anders aussehen, weil das BIP um hunderte Milliarden Euro geringer ausfallen dürfte, der Militärhaushalt jedoch beim vollen Umfang bleibt). Die Tagesschau aber kriegte auch nach der Trump-"Drohung" mit nunmehr fälligem Truppenabzug nicht die Kurve zu sachlicher Berichterstattung und angemessener Einordnung. Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni, der laut Wikipedia einst am "Young Leaders-Programm" der Atlantik-Brücke teilgenommen hat, bewies das im Schaltgespräch mit dem Washington-Korrespondenten Jan Philipp Burgard, gleichfalls ein Atlantik-Brücken-Jünger:
Burgard: "… aber Trumps Drohung, Truppen aus Deutschland abzuziehen, die gibt es ja schon länger ... und die Gründe dafür: Präsident Trump ist extrem unzufrieden darüber, dass Deutschland seiner Verpflichtung gegenüber der NATO bei weitem nicht nachgekommen ist, 2 Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben…”
Gleiche Brüder, gleiche Kappen. Zamperoni ließ das so stehen. Preisfrage: Wieviel journalistische Selbstverleugnung gehört dazu, den Abzug fremder Truppen aus unserem Land als "Drohung" auszugeben? In dieser Wortwahl steckt die gesamte Würdelosigkeit, mit der sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit der transatlantischen Politik und Gefolgschaftstreue der Bundesregierung gemein macht – trotz aller vordergründigen ARD-Kritik an US-Präsident Trump.
Schwätzerei statt Journalismus
Jahr für Jahr bezahlt Deutschland einen Millionen-Tribut für den Aufenthalt der "Freunde" bei uns. Diese und ihre Familien genießen hier Sonderrechte, zahlen überhaupt keine Steuern, wenn sie nicht ausnahmsweise in deutschen Geschäften einkaufen statt in ihren garnisonsnahen "PX"-Läden, müssen nicht ihre Zivilfahrzeuge bei deutschen Ämtern anmelden und vom TÜV prüfen lassen, sind sogar nach Straftaten vor deutscher Strafverfolgung weitestgehend geschützt.
Doch das sind Peanuts. Längst steht fest, dass die USA mithilfe ihrer Satellitentechnik in der "Air-Base Ramstein" Massenmorde per Drohnen in Afrika und Vorderasien begehen und die Bundesregierung, weil sie das duldet, sich des Völkerrechtsbruchs und der Verbrechen gegen die Menschheit schuldig macht. Ebenso unbestreitbar wünscht eine überwältigende Mehrheit der Bundesbürger keine US-Atomwaffen auf deutschem Boden. Doch die Tagesschau-Qualitätsjournalisten juckt das alles nicht. Sie schwadronieren ungeniert von einer Abzugs-"Drohung" und einer "NATO-Zahlungsverpflichtung", um den selbstmörderischen Aberwitz der deutschen "Verteidigungspolitik" als unumgänglich erscheinen und keine fundamentalen Proteste dagegen aufkommen zu lassen.
Als weiteres benebelndes Sedativ dient der Verweis auf das Wirtschaftsinteresse am Verbleib der US-Garnisonen in Deutschland und auf die davon abhängigen Arbeitsplätze für Bundesbürger. Auch beim Verabreichen dieser Dröhnung geniert sich die ARD-aktuell kein bisschen und ließ die Tagesthemen am 16. Juni titeln: "Was der Abzug von US-Soldaten für deutsche Gemeinden bedeutet”
Klar doch, "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral"; Bertolt Brecht warf diesen Satz zwar einer wohlsituierten Bourgeoisie entgegen, die sich moralisierend über Militärausgaben empört. Doch geht es hier nicht um bürgerliche Moralvorstellungen, sondern um journalistisches Berufsethos, wenn die ARD-aktuell Zentralen zur Begehung von Kriegsverbrechen wie Ramstein als "Drehkreuz nach Afrika und den Nahen Osten" verschleiert. Wie das eben Schreiberlinge so machen, die sich zwar in abfälligem Ton über US-Präsident Trumps abstruse, bildungsfreie und verlogene Sprüche ergehen, nicht aber seine ungezählten Verbrechen in Syrien, Irak, in Afrika und in Südamerika aufgreifen und die außenpolitische Unterstützung Deutschlands bei diesen massenmörderischen Treiben.
Zerrüttetes Verhältnis
Dass die deutsche Polit-Elite wie ein Haufen Deppen dasteht – sie war von Trump über dessen Abzugsankündigung weder vorinformiert noch gar um ihre Meinung gebeten worden – kam zwar in den Beiträgen der Tagesschau indirekt zum Ausdruck. Wie aber eine angemessene deutsche Reaktion auf den US-Affront aussehen könnte, sondierte die Redaktion weder bei der Kanzlerin noch beim Außenminister. Dabei hätten sich die Tagesschau-Redakteure zwecks Erfüllung ihres Informationsauftrags nicht mal selbst hervorwagen müssen. Es fehlte ja nicht an kritischen Stellungnahmen von ausgewiesenen Experten.
Michael Staack, Professor an der Bundeswehr-Universität Hamburg und Dozent der Generalsakademie in Hamburg-Blankenese, plädiere für die Überprüfung der Beziehungen zwischen Deutschland und den USA, berichtete das Internet-Magazin German Foreign Policy. Mit Blick auf die zunehmenden Streitigkeiten zwischen Washington und Berlin komme er zu dem Schluss, "deutsche und amerikanische Interessen" gingen heute "in allen wichtigen Fragen auseinander". Hätten bestehende Interessengegensätze bis vor wenigen Jahren "in einem breiteren Spektrum von Gemeinsamkeiten unter Kontrolle gehalten werden" können, so sei dies jetzt immer weniger der Fall.
Staack präzisiert: Die Regierung Trump sei im Gegensatz zu sämtlichen früheren US-Regierungen "bereit, Mittel gegen die Bundesrepublik einzusetzen, die man normalerweise gegen Gegner und nicht gegen Verbündete einsetzt". Bislang betreibe die Bundesregierung gegenüber Washington aber nur "partielle Opposition und, im Wesentlichen, Beschwichtigungspolitik". Doch die Interessengegensätze seien inzwischen so groß, dass es kaum möglich sei, diese Politik noch weiterzuführen. Derzeit gebe es jedoch "eine große Zögerlichkeit, eine klare Position gegenüber den USA zu formulieren: Man hat immer Angst vor Vergeltung".
Nein, von Staacks Einschätzung kam nichts rüber in der Tagesschau. Die bot uns stattdessen das platte Gewäsch des NATO-Generalsekretärs Stoltenberg und des transatlantischen Hardliners Norbert Röttgen (CDU), um nur einige Lieblings-Gesprächspartner für Tagesschau-Konformismus und Langeweile zu nennen.
Trumps große Klappe
Wenig Trost bietet der Gedanke, dass Trump von seinen widersprüchlichen Angebereien und "Drohungen" bisher kaum etwas wahrgemacht hat. Weder hat er das US-Truppenkontingent in Südkorea verkleinert, noch seine Besatzungstruppen aus Syrien abgezogen oder die Zahl seiner heimtückischen Drohnenmorde reduziert. Er tobt sich nicht nur mit großmäuligen Sprüchen aus, sondern auch mit dem Abwürgen von friedenssichernden internationalen Verträgen.
Heiko Maas und Annegret Kramp-Karrenbauer bestätigen und bestärken den selbstherrlichen US-Präsidenten in seiner Verachtung für die Bundesregierung. Maas, indem er zuletzt mit dem Versuch gegen die Wand fuhr, ohne Placet der USA die Kriegsparteien in Libyen zu einem Waffenstillstand und zur Verhandlungsaufnahme zu bewegen. Kramp-Karrenbauer mit ihrer Absicht, 30 US-Kampfjets vom Typ F-18 Hornet der Firma McDonnell-Douglas zu kaufen, auf dass die Bundesluftwaffe auch dann noch fähig sei, die in Deutschland lagernden US-Atombomben in Richtung Russland zu fliegen, wenn das letzte dafür geeignete "Tornado"-Flugzeug verschrottet ist.
Kramp Karrenbauer tut eben alles, um Deutschland zum atomaren Schlachtfeld des zukünftigen Weltkriegs der USA zu machen. Die Pfadfinderin kapiert einfach nicht: Wo Atombomben lagern, fallen auch Atombomben, und zwar die ersten. Die Tagesschau berichtete zwar über die deutschen Kaufabsichten (25), bewies aber mit ihrer Akzentuierung, dass sie das genauso wenig kapiert: "Grundgesetz-Verstoß beim Kampfjet-Kauf?"
Sorgfältig verschwieg die ARD-aktuell in ihren Fernseh-Beiträgen zudem den neuesten Klops: Kramp-Karrenbauer hat den Auftrag für das Mehrzweck-Kampfschiff MKS 180 freigegeben, eine mit Raketen bestückte Fregatte. Ein paar Meldungen dazu erschienen lediglich in der Internet-Nische Tagesschau.de. Vier Exemplare dieser bislang teuersten Angriffswaffe der Bundeswehr sollen zunächst gebaut werden, für 5.5 Milliarden Euro. Für Bewaffnung und Trainingssysteme gebe es weitere Verträge, berichtete das NeueDeutschland:
… so dass man bei (aktuellen) Kosten von knapp sechs Milliarden Euro landet. Gesichert hat man sich die Option auf zwei weitere Schiffe dieses Typs.
Die Zwillinge MKS 180 und FREMM
Das MKS 180 existiert zwar erst auf dem Papier, gleicht aber wie ein Ei dem anderen der italienischen Fregatte FREMM, die als hochmodernes Non-plus-ultra dieser Sorte Kriegsschiff gilt. Das erst noch zu entwickelnde MKS soll pro Stück 1,3 Milliarden Euro kosten, der Zuschlag dafür ging an einen deutsch-niederländischen Werftenverbund. Jeder halbwegs Kundige ahnt jedoch, dass der Ausschreibungsgewinner nicht bei seinem Preisangebot bleibt, sondern dass am Ende bis zu 1,8 Milliarden Euro pro Schiff fällig werden können. Wie solche Preisexplosionen entstehen und begründet werden, hat sich beim Pannenflieger Airbus A400M gezeigt, dem neuen Bundeswehr-Transportflugzeug.
Was ist der Treppenwitz an der Geschichte? Kurzformel: Deutschland lässt für x-Milliarden Euro ein Schiff erst mal planen und dann in den nächsten Jahren bauen, das schon heute in absolut gleicher Qualität auf dem Markt ist, sich bereits bewährt hat, das auch die Amis für spitze halten, haben wollen und sogar selbst bauen – in den USA und zum halben Preis eines MKS-180! Darauf allerdings verweist die Tagesschau mit keinem Wort.
Nun denn, Kramp-Karrenbauer, begnadet einfallsreich, wie sie nun mal ist, wollte ja auch schon mal einen Flugzeugträger für die Bundesmarine anschaffen – und sogar Merkel war dafür!
Warum die irrsinnige Geldverschwendung für das MKS 180? Falls jemand vom Stammpersonal des ARD-Hauptstadt-Studios jemals auf diese naheliegende Frage kommen sollte, würde er wohl die Antwort übermitteln: wegen der Arbeitsplätze in der deutschen Werftindustrie. Die AKK lässt uns halt nicht verkommen.
RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Mehr zum Thema - Kramp-Karrenbauer: Russland ist kein Freund Deutschlands