"Unglaublich. Dieser Bericht zeigt, wie weit Russland geht, um die Bruchlinien unserer Gesellschaft auszunutzen und die Amerikaner zu spalten, in dem Versuch, unsere Demokratie zu untergraben und zu manipulieren" – mit diesen Worten kommentierte Mark Werner einen jüngst angefertigten Bericht für den Geheimdienstausschuss des US-Senats, dem er für die Demokraten vorsteht.
Angefertigt wurde der vorab von der Washington Post veröffentlichte Bericht, der die russische Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahlen 2016 mittels der Internet Research Agency (auch bekannt als Sankt Petersburger Troll-Fabrik) belegen soll, von der privaten Cybersicherheitsfirma New Knowledge ("Neues Wissen").
Deren Gründer Ryan Fox und Jonathan Morgan sind keine unbeschriebenen Blätter: Fox arbeitete laut der Recherche des Journalisten Dan Cohen für den US-Geheimdienst NSA und war als Computer-Analyst für das United States Joint Special Operations Command (JSOC) des US-Militärs tätig.
Morgan hingegen arbeitete als Berater für das US-Außenministerium unter Präsident Barack Obama und entwickelte Technologien für die Pentagon-Forschungsschmiede DARPA. Zudem gründete und leitet er das Projekt "Data for Democracy", das sich der Aufgabe verschrieben hat, das "Wahlsystem anhand öffentlicher Daten auf Anzeichen von Betrug zu überwachen".
Wahlmanipulation vom Wahlwächter – wenn der Bock der Gärtner ist
Morgan weiß, wovon er spricht: Wie jüngst herauskam, war seine Firma New Knowledge an einem Geheimprojekt der Demokraten zur Manipulation der Senatswahlen in Alabama im Dezember 2017 beteiligt. Zu diesem Zweck wurden über 1.000 russischsprachige Twitter-Konten eingerichtet, die in den sozialen Medien die Werbetrommel für den republikanischen Kandidaten Roy Moore rührten. Ziel der Operation unter falscher Flagge war es, Moore mittels der vermeintlichen Russland-Connection diskreditieren zu können.
"Wir haben eine aufwändige Operation unter falscher Flagge organisiert, die die Idee vermittelte, dass Moores Wahlkampf in den sozialen Medien durch ein russisches Botnetz unterstützt wurde", heißt es in einem internen Projekt-Bericht, über das die New York Times erstmals vor einer Woche berichtete. Während die vermeintliche russische Einmischung laut der US-Zeitung "die Aufmerksamkeit der nationalen Medien auf sich zog", bestätigte die von Morgan mitbegründete "Alliance for Securing Democracy" auf ihrer Webseite "Hamilton 68" gegenüber Medien die Existenz der russischen Operation.
Das Hamilton-Projekt will laut Eigenlob aufklären, und zwar über "russische Bemühungen, Propaganda und Desinformation im Internet zu verbreiten". Zu diesem Zweck beobachtet die transatlantische Initiative in Echtzeit 600 Twitter-Accounts, die unter russischem Einfluss stehen sollen – um welche es sich dabei handelt, wird jedoch leider verschwiegen. In den letzten Jahren fungierte Hamilton 68 als der wichtigste mediale Stichwortgeber, wenn es um eine angebliche russische Beeinflussung mittels sozialer Medien ging.
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Zur vermeintlichen russischen Beeinflussung der Senatswahlen in Alabama bezog Morgan damals selbst Stellung. Auf Twitter schrieb er: "Von Hamilton 68 beobachtete russische Trolle zeigen ihr Interesse an den Alabama-Senatswahlen. Was für eine Überraschung."
Facebook löscht Konten – Unfreiwilliger Sponsor geht auf Distanz
Dass es sich bei den russischen Trollen in Wahrheit um von seiner Firma angelegte Fake-Accounts handelte, unterschlug er natürlich. Zumindest auf Facebook hat die Manipulation der Senatswahlen für Morgan und seine Firma ein Nachspiel: Die Plattform löschte fünf Konten, darunter das von Morgan, wegen einem "koordinierten, nicht-authentischen Verhalten während der Alabama-Wahlen im letzten Jahr". Die Untersuchung sei weiter im Gange, so Facebook. Welch eine Ironie: Noch im November hatte das Unternehmen über einhundert Konten gelöscht, die von New Knowledge dem FBI als russische Desinformationskanäle gemeldet worden waren.
Finanziert wurde das False-Flag-Projekt der Demokraten mit den Geldern des liberalen Milliardärs Reid Hoffman – insgesamt 100.000 US-Dollar flossen laut der New York Times in die konspirative Initiative. Hoffman distanzierte sich inzwischen von dem Projekt und beteuerte, nicht gewusst zu haben, dass seine Spendengelder an die Demokraten dafür benutzt wurden. Wörtlich sagte er:
Es gibt absolut keinen Platz in unserer Demokratie, um Fakten zu manipulieren oder sich Unwahrheiten zu bedienen, um politische Vorteile zu erlangen. Ich hätte nicht wissentlich ein Projekt finanziert, das solche Taktiken anwendet, und hätte mich geweigert, in eine Organisation zu investieren, von der ich wüsste, dass sie ein solches Projekt durchführen könnte.
Wahlmanipulation könnte juristische Konsequenzen haben
Möglicherweise drohen Ryan Fox und Jonathan Morgan oder ihrer Firma New Knowledge auch noch juristische Konsequenzen. Doug Jones, der die Alabama-Senatswahlen mit einem denkbar knappen Vorsprung für sich entscheiden konnte – erstmals seit über 25 Jahren ging der Bundestaat an die Demokraten – zeigte sich nach Bekanntwerden der insgeheimen Manipulation zu seinen Gunsten aus den Reihen seiner eignen Partei "empört".
"Wir wussten davon nicht. Dagegen muss etwas unternommen werden", sagte Jones. Die Bundeswahlkommission und das Justizministerium sollten nun einen genauen Blick auf den Vorgang werfen, um festzustellen, ob dabei gegen Gesetze verstoßen wurde, empfahl Jones: "Wenn ja, dann bestraft sie".
Ungestraft davonkommen wird New Knowledge wohl mit der (vorerst) jüngsten Fake-News-Kampagne, die sie in die Welt setzte: Russland stünde hinter den Protesten der Gelbwesten in Frankreich, vermeldeten Medien wie The Times oder das Wall Street Journal jüngst unter Berufung auf diese "Sicherheits"-Firma und deren Gründer.
Konkrete Beweise blieben sie selbstverständlich schuldig. Derer bedarf es auch nicht, denn Morgan hat seine ganz eigene Art der Beweisführung. Wie er in einem Interview ausführte, sei russische Desinformation genau daran zu erkennen, welche Gefühle sie bei den Nutzern sozialer Medien auslöse. Ein sicheres Anzeichen für Manipulation seien etwa Beiträge, die den Leser in Wut versetzen. Besonders verdächtig sind demnach solche, die am Status Quo rütteln, und er warnt eindringlich: "Die Leute sollten besorgt sein, wenn sie ermutigt werden, ihr Verhalten zu ändern."
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