Von Dmitri Bawyrin
Zwischen US-Präsident Joe Biden, Präsidentschaftskandidat Donald Trump und dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán hat sich eine Art Dreiecksbeziehung entwickelt.
Formal ist Orbán für Biden ein Kollege und Regierungschef eines Bündnisstaates. Allerdings ist Orbán in die USA geflogen, um sich nicht mit Biden, sondern mit Trump zu treffen. Jetzt ist der "alte Joe" eifersüchtig.
"Wisst ihr, mit wem sich Trump heute in Mar-a-Lago trifft? Mit Orbán aus Ungarn, der unverblümt erklärt hat, dass die Demokratie nicht funktioniert und er eine Diktatur anstrebt", beschwerte sich der US-Präsident mürrisch bei seinen Anhängern in Pennsylvania.
Biden berichtete auch von seinen Treffen mit europäischen Staats- und Regierungschefs, die ihm angeblich unter vier Augen sagten: "Trump darf nicht noch einmal gewinnen, denn meine Demokratie, mein Land stehen auf dem Spiel". Laut dem US-Präsidenten hätten dies alle außer Orbán getan.
Offenbar ist nur Ungarn nicht bedroht, denn der ungarische Ministerpräsident ist der einzige europäische Regierungschef, der im Spiel "Biden oder Trump" sein eigenes Land nicht aufs Spiel gesetzt hat.
Außerdem sollten Bidens Worte nicht wörtlich genommen werden, denn in ihrem Dreieck ist er die stumpfe Ecke und das Glück der anderen beiden lässt ihm keine Ruhe. Und sie sind ja tatsächlich glücklich miteinander: Nach dem Treffen nannte Trump Orbán einen "großen Staatsmann", der "in der ganzen Welt respektiert wird", und Orbán nannte Trump einen "Präsidenten des Friedens", der "in der Lage ist, den Krieg in der Ukraine zu beenden".
Dass bei dem Treffen in Trumps Residenz Mar-a-Lago auch die Ukraine zur Sprache kommen würde, wurde vom ungarischen Außenministerium ausdrücklich angekündigt. Das ist beispiellos, denn formal ist Trump ein Oppositionsführer, und Verhandlungen mit solchen Schwerpunkten bedeuten eine Einmischung in Wahlen in einem fremden Land durch Orbán als Oberhaupt eines fremden Landes. Aus der Sicht der offiziellen Regierung ist dies ein eindeutig unfreundlicher Schritt. Biden hat also in diesem Fall das Recht, unzufrieden zu sein. Er könnte sogar eine Protestnote an die ungarische Botschaft richten.
Tatsächlich warb Orbán bereits kurz vor der Wahl für einen der Kandidaten. Er behauptete, dieser Kandidat könne den Konflikt beenden, den die US-amerikanischen Wähler als Ursache für milliardenschwere Ausgaben und innere Unruhen satthätten.
Es sind wohl komplizierte Gefühle, die den US-Präsidenten nun quälen. Er selbst trifft sich regelmäßig mit den führenden Vertretern der Oppositionen anderer Länder – die US-Amerikaner meinen ja, sie können sich alles erlauben. Und Trump ist ja auch ein US-Amerikaner.
Außerdem ist es beschämend, dass Biden sich direkt über den ungarischen Premierminister als eine Kraft beschwert, die sich in den US-amerikanischen Wahlprozess eingemischt hat. Die Einmischung Russlands in die Wahl wäre ja keine Überraschung, schließlich ist es eine Supermacht. Was ist bloß aus den USA geworden, dass jetzt selbst die Ungarn Einfluss auf ihre Zukunft nehmen?
Und das Unangenehmste für Biden ist, dass Orbán die Rolle eines Vermittlers zwischen Trump als künftigem US-Präsidenten und jedem in Europa, einschließlich der russischen Führung, spielen kann. Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó sagte kurz vor dem Treffen in Mar-a-Lago beiläufig, dass Budapest seit langem als heimlicher Vermittler zwischen Moskau und vielen Spitzenpolitikern der EU agiert.
Generell ist Trumps Rendezvous mit Orbán nicht nur respektlos gegenüber dem US-Präsidenten, nicht nur diplomatischer Verrat, sondern auch eine mögliche Verschwörung. Der ungarische Premierminister ist mutiger geworden, weil er nicht an die Möglichkeit glaubt, dass Biden im November wiedergewählt wird (nur wenige Menschen glauben überhaupt daran), während Trumps Wiederwahl ihm einen großen politischen Vorteil verspricht.
Mit anderen Worten: Orbán nimmt derzeit also doch an den Wetten teil. Wenn der Republikaner ins Weiße Haus zurückkehrt, wird Ungarn einen Einfluss in Europa gewinnen, den es in seiner mehr als tausendjährigen Geschichte noch nie hatte. Orban wird zu einem unverzichtbaren Vermittler zwischen der US- und der EU-Führung werden, denn nur mit ihm hat der verärgerte Trump gute Beziehungen, was sogar Biden bestätigt.
Orbán selbst blickt noch weiter in die Zukunft und sieht in Trumps Wahlsieg eindeutig die Hauptbedingung für eine globale konservative Gegenrevolution, in der er auch sich selbst und Ungarn eine wichtige Rolle zuweist.
Dies alles heißt jedoch nicht, dass Orbán in der Hauptsache recht hat: dass Trump in der Lage sei, den Konflikt in der Ukraine zu beenden, und das sogar binnen eines Tages, wie er versprochen hat. Die USA sind weitgehend für den Beginn und die Eskalation des Konflikts verantwortlich. Wenn aber jemand etwas kaputt gemacht hat, heißt das nicht, dass er es auch wieder zusammenkleben kann.
Das Problem des ungarischen Regierungschefs besteht darin, dass er zwar die derzeitige Regierung im Weißen Haus kritisiert, aber ein Washington-zentriertes Weltbild aufrechterhält, in dem ein freundlicher US-amerikanischer Gentleman daherkommt und nach den Wahlen über alle richten wird. Im 21. Jahrhundert sind die Vereinigten Staaten jedoch keineswegs allmächtig, und noch weniger ist es Trump, der nicht nur die Wahl gewinnen, sondern auch den Widerstand der US-amerikanischen Eliten brechen muss, einschließlich der Vertreter der "Öl-" und "Rüstungsindustrie" – derjenigen, die von der Fortsetzung des Krieges in der Ukraine fabelhafte Gewinne erhalten und gleichzeitig Trumps Republikanische Partei sponsern.
Eines der Hauptprobleme des New Yorker Milliardärs ist übrigens paradoxerweise ein Mangel an Geld. Die laufenden Gerichtsverfahren sind für ihn kostspielig, und was die Mittelbeschaffung für den Wahlkampf angeht, ist ihm der amtierende US-Präsident um ein Vielfaches voraus, auch dank Leuten wie Alex Soros – der Erbe des Soros-Imperiums hat beschlossen, seine Mittel auf Bidens Wiederwahl zu konzentrieren.
Allein diese Tatsache macht Trump sympathischer als den derzeitigen US-Präsidenten. Orbán hat zumindest mit seiner Behauptung recht, dass es unter Trump mehr Aussichten auf einen Frieden in der Ukraine gibt als unter Biden.
Ansonsten aber ist seine Botschaft "Trump ist Präsident der Welt" nur als Wahlwerbung zu verstehen. Darin steckt genauso viel Wahrheit wie in allen anderen Wahlkampfvideos.
Die Kräfte, von denen der Frieden in der Ukraine wirklich abhängt, sind immer noch die russischen Streitkräfte. Und der Glaube an die Diplomatie ist in erster Linie der Glaube daran, dass sie in der Lage sein wird, das von der russischen Armee erzielte Ergebnis zu konsolidieren, das für Biden oder Trump unwiderlegbar wäre.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen auf RIA Nowosti am 11. März 2024.
Dmitri Bawyrin ist ein russischer Journalist.
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