Psy-Ops über Twitter: Pentagon ordnet Überprüfung des eigenen Informationskriegs an

Das US-Militär soll über gefälschte Social-Media-Accounts offenbar gezielt Desinformationen im Ausland verbreitet haben. Das berichtet die Washington Post unter Berufung auf eine Analyse der Stanford-Universität, die auf Daten hunderter gelöschter Konten beruht. Nun hat das Pentagon eine Untersuchung der Vorwürfe angeordnet.

Das US-Verteidigungsministerium hat eine umfassende Überprüfung der vom US-Militär geführten Informationskriegsführung über soziale Medien angeordnet. Wie die Washington Post am Montag berichtete, hatten Facebook und Twitter zuvor rund 150 gefälschte Profile und Medienseiten entfernt, die vom US-Militär zur Führung psychologischer Operationen, sogenannter Psy-Ops, erstellt worden waren, um im Ausland pro-amerikanische Stimmungen zu schüren. Diese Taktik haben die USA Russland häufig vorgeworfen, so auch im Zusammenhang mit der angeblichen russischen Desinformationskampagne bei den US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020.

Im Juli und August hatten Meta und Twitter eine Reihe von Accounts identifiziert und entfernt, über die koordiniert Beeinflussungskampagnen liefen. Die Konten wurden gemäß den Richtlinien der sozialen Medienunternehmen gesperrt, die "Plattformmanipulation und Spam" sowie "koordiniertes, nicht authentisches Verhalten" verbieten. Die Daten zu den gefälschten Accounts übergaben Facebook und Twitter zu Forschungszwecken an Forscher der Stanford-Universität, die diese dann gemeinsam mit dem Analyseunternehmen Graphika auswerteten. 

Beide fanden gemeinsam heraus, dass die Accounts Teil einer verdeckten US-Kampagne mit der Bezeichnung "Trans-Regional Web Initiative" waren. Über dieses Informationsnetz seien dann Inhalte verbreitet worden, die darauf abzielten, Narrative zu fördern, die im Interesse der USA und ihrer Verbündeten stehen. Zu den bevorzugten Themen gehörten "die diplomatischen und humanitären Bemühungen der USA in der Region, der angeblich bösartige Einfluss Russlands, russische Militärinterventionen im Nahen Osten und in Afrika sowie der chinesische 'Imperialismus' und die Behandlung muslimischer Minderheiten". So heißt es in dem Abschlussbericht der Forscher beispielsweise: 

"Diese Kampagnen verbreiteten durchweg Narrative, die die Interessen der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten förderten, während sie sich gegen Länder wie Russland, China und Iran richteten: In den Berichten wurde Russland insbesondere für den Tod unschuldiger Zivilisten und andere Gräueltaten kritisiert, die seine Soldaten in Verfolgung der 'imperialen Ambitionen' des Kremls nach der Invasion in der Ukraine im Februar dieses Jahres begangen haben."

Obwohl der Bericht die getarnten Konten nicht ausdrücklich dem US-Militär zuordnet, berichten Twitter und Meta, dass die falschen Konten hauptsächlich von den USA aus betrieben wurden. Die Forscher stellten außerdem fest, dass die Accounts typische Merkmale einer absichtlichen Beeinflussungskampagne aufwiesen. So wurde auf einem dieser gefälschten Konten unter anderem Behauptet, dass Iran afghanischen Flüchtlingen angeblich Organe entnehmen würde. Zwar steht bisher nicht fest, ob dieser Account in direktem Zusammenhang mit den US-Psy-Ops steht. Sollte er jedoch Teil der Desinformationskampagne gewesen sein, stelle dies dem Post-Bericht zufolge allerdings einen "Verstoß gegen Doktrinen und Ausbildungspraktiken" des US-Militärs dar.

In ihrem Bericht kam die Stanford-Universität zu dem Schluss, dass es "der umfangreichste Fall von prowestlicher Einflussnahme in sozialen Medien ist, der bisher von Open-Source-Forschern untersucht und analysiert" worden ist. Bisher habe man angenommen, dass solche Beeinflussungskampagnen vor allem von autoritären Regimen durchgeführt werden. Der Bericht beleuchte aber das "viel breitere Spektrum an Akteuren".

Weil das offensichtliche Verbreiten von Falschinformationen die Glaubwürdigkeit der USA untergraben könnte, habe Colin Kahl, Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium, die an psychologischen Operationen beteiligten Kommandos deshalb angewiesen, bis Oktober umfassende Berichte über ihre Aktivitäten vorzulegen. Im Auftrag der US-Regierung soll Kahl nun in Erfahrung bringen, welche Arten von Online-Beeinflussungsoperationen durchgeführt wurden, welche Instrumente verwendet wurden, wer ins Visier genommen wurde und wie effektiv diese Social-Media-Kampagnen waren.

Sehr erfolgreich waren die vom US-Militär geführten Kampagnen anscheinend jedoch nicht. "Die große Mehrheit der von uns untersuchten Posts und Tweets erhielt nicht mehr als eine Handvoll Likes oder Retweets", heißt es in dem Bericht der Forscher. Ganze 81 Prozent der Konten und Seiten hatten demnach weniger als 1.000 Follower. Zudem seien die Inhalte kaum geteilt oder geliked worden:

"Es ist bezeichnend, dass die beiden Konten mit den meisten Followern in den von Twitter bereitgestellten Daten offene Konten waren, die öffentlich eine Verbindung zum US-Militär erklärten."

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