Es scheint kaum eine Woche zu vergehen, ohne dass eine fürchterliche Nachricht über Todesopfer durch Schießereien die USA erschüttert. Nicht nur die Schlagzeilen häufen sich, sondern tatsächlich auch die Statistik der Waffengewalt erklimmt Rekorde, wie ein aktueller Bericht zeigt. Hersteller unterschiedlicher Gewehre können sich derweil über immens steigende Absätze freuen.
Seit dem Jahr 2000 hat sich die jährliche Zahl der hergestellten Schusswaffen fast verdreifacht, wie ein US-Regierungsbericht feststellte, drei Tage nach einem Amoklauf in Buffalo, bei dem 10 Menschen starben. Laut dem am Dienstag vom Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives (BATFE) des US-Justizministeriums veröffentlichten Bericht haben die US-Feuerwaffenhersteller in den letzten zwei Jahrzehnten über 139 Millionen Waffen für den kommerziellen Markt produziert, davon allein 11,3 Millionen im Jahr 2020.
Weitere 71 Millionen Schusswaffen wurden im gleichen Zeitraum importiert – im Vergleich zu nur 7,5 Millionen exportierten Kleinwaffen. Die Amerikaner scheinen den Zahlen nach die halbautomatischen Sturmgewehre zu bevorzugen, die bei vielen Massenerschießungen zum Einsatz kommen. Aber auch die immer billigeren, einfach zu bedienenden halbautomatischen 9-mm-Pistolen, wie sie viele Polizisten tragen, werden massenhaft von Zivilisten gekauft. Hinzu kommen immer mehr gar nicht registrierte "Geisterwaffen", die zu Hause mit online gekauften Teilen oder mit 3-D-Druckern hergestellt werden. Die Polizei hat im Jahr 2021 insgesamt 19.344 solcher privat hergestellter Waffen sichergestellt – ein Anstieg auf das Zehnfache seit 2016.
Die jährliche kommerzielle Waffenproduktion, die von 3,9 Millionen im Jahr 2000 auf 11,3 Millionen zwanzig Jahre später angestiegen ist, hatte ihren Höchststand im Jahr 2016 mit 11,9 Millionen. Von den im Jahr 2020 verkauften Waffen waren fast genau die Hälfte Pistolen, deren Marktanteil sich seit 2000 verdoppelt hat: Im Jahr 2020 wurden 5,5 Millionen Pistolen und fast eine Million Revolver zusätzlich in Umlauf gebracht.
Die Waffenindustrie hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten rasant entwickelt. Im Jahr 2000 gab es 2.222 registrierte Hersteller. Im Jahr 2020 waren es bereits 16.936.
"Wir können den derzeitigen Anstieg der Gewalt nur dann bekämpfen, wenn wir über die besten verfügbaren Informationen verfügen und die wirksamsten Instrumente und Forschungsergebnisse einsetzen, um unsere Bemühungen zu unterstützen", sagte die stellvertretende Generalstaatsanwältin Lisa Monaco. Vor einem Jahr hatte US-Präsident Biden die BATFE nach einer Reihe von Massenerschießungen im ganzen Land beauftragt, Daten über Waffen zu sammeln und zu analysieren.
"Dieser Bericht ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Das Ministerium wird weiterhin die Daten sammeln, die notwendig sind, um unseren Ansatz auf die wichtigsten Ursachen von Waffengewalt zuzuschneiden und Schützen von der Straße zu holen."
Letzte Woche hatte die US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) bekannt gegeben, dass die Zahl der Todesfälle durch Schusswaffen in den Vereinigten Staaten im Jahr 2020 einen "historischen" Anstieg verzeichnete. Demnach gab es 19.350 Tötungsdelikte mit Schusswaffen, fast 35 Prozent mehr als 2019, und 24.245 Selbstmorde mit Schusswaffen, das ist ein Anstieg von 1,5 Prozent. Die Schusswaffentötungsrate lag 2020 bei 6,1 pro 100.000 Einwohner, dem höchsten Wert seit mehr als 25 Jahren.
Während die Behörde darauf verwies, dass der Anstieg in jenem Jahr mit Armut und Corona zu tun haben könnte, profitierten potenzielle Amokläufer ebenso wie andere Käufer von der Lockerung der Waffengesetze durch den Obersten Gerichtshof, den Kongress und in den von den Republikanern kontrollierten Bundesstaaten. Die Folgen lassen sich auch bald täglich den Nachrichten aus dem Land entnehmen – den Anstieg von Waffengewalt, Morden und Selbstmorden bestätigte auch der über 300 Seiten lange Bericht des Justizministeriums. Gehäuft gibt es Vorfälle von Waffengewalt im Rahmen von Hassverbrechen, also gewalttätige Angriffe aufgrund von Hautfarbe, Herkunft oder Religion. Vergangene Woche eröffnete ein Schütze in einem Friseursalon im koreanischen Viertel der Metropole Dallas das Feuer. Am Sonntag tötete ein Mann mehrere vorwiegend taiwanesische Gottesdienstbesucher in einer Kirche im US-Bundesstaat Kalifornien.
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