Der in Finanzkreisen bekannte Anleihen-Guru Jeffrey Gundlach, Gründer und CEO von DoubleLine Capital in den USA, hat sich in dieser Woche wieder zu einem längeren Interview mit Julia La Roche von Yahoo Finanz zusammengesetzt. Die beiden unterhielten sich über den Stand der derzeitigen weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung angesichts der COVID-19-Pandemie, über Währungen sowie über die Erwartungen an die Zentralbanken.
Am interessantesten sind jedoch Gundlachs Aussichten für den US-Dollar und seine Zukunft als Weltleitwährung. Um es milde auszudrücken: Es sieht laut Gundlach nicht besonders gut aus.
Gundlach, der sich nie scheut, seine Überzeugungen zu äußern, hatte eine ganze Menge zur Zukunft des US-Dollars zu sagen. In Bezug auf die Regierung der Vereinigten Staaten deutete Gundlach an, dass die Lage nicht gut aussehe. Gundlach meinte:
"Wir führen unsere Wirtschaft auf eine Weise, die fast so aussieht, als wären wir nicht daran interessiert, den Status einer Weltleitwährung zu behalten."
Gundlach merkte an, dass nach der Pandemie die mit Abstand stärkste Volkswirtschaft nicht länger in den USA, sondern in China beheimatet sei:
"China hat keinen Geheimnis daraus gemacht, dass es ein globaler Akteur sein und zumindest einen Platz am Tisch der globalen Leitwährung haben will", sagte er und fügte hinzu,
dass China auch kein Geheimnis daraus gemacht habe, dass es sein Militär dominant machen wolle, vielleicht zum größten der Welt.
Wenn wir dies mit der Tatsache kombinieren, dass die USA "ihre Schulden wie verrückt wachsen lassen", wird klar, dass der Dollar auf dem Weg ist, seinen Weltleitwährungsstatus zu verlieren, sagte Gundlach. Laut Gundlach:
"Solange wir diese Politik fortsetzen, und zwar immer aggressiver – wir fahren sie in keiner Weise zurück – sehen wir einem Fahrplan entgegen, der eindeutig darauf abzielt, dass der US-Dollar seinen Status als alleinige Reservewährung verliert."
Der Emittent einer Weltleitwährung hat – zumindest für einen vorübergehenden Zeitraum – ohne weiteren Schaden die Möglichkeit, seine Währung nach Belieben zu drucken. Diese Tatsache hat weitreichende geopolitische Konsequenzen. Aus diesem Grund folgt eine vollständige Abschrift der Frage aus Teil 2 des Interviews, die Gundlach zur Zukunft des US-Dollars als Weltreservewährung gestellt wurde.
JULIA LA ROCHE: Willkommen zurück bei Yahoo Finanz Live. Ich bin Julia La Roche. Und wir führen eine faszinierende Diskussion mit DoubleLine Capital-Gründer und CEO Jeffrey Gundlach. Jeffrey, Sie haben gerade einen Punkt über Ihre negativen Ansichten zur Zukunft des US-Dollars ausgesprochen. Ich möchte dies ein wenig weiter erforschen und unseren Zuschauern helfen zu verstehen, was einige der längerfristigen Implikationen dieser Entwicklung bedeuten könnten, insbesondere für das Ansehen der USA auf globaler Ebene.
JEFFREY GUNDLACH: Nun, die USA genießen seit Jahrzehnten den Status der einzigen Leitwährung in der Welt. Und das ist ein unglaublicher Vorteil. Wir haben auch das größte Militär der Welt, was irgendwie Hand in Hand mit dem Status einer Reservewährung geht, denke ich.
Aber nach den Lockdowns – und der Pandemie, die weiterhin anhält – ist die mit Abstand stärkste Wirtschaft der Welt nun die chinesische Wirtschaft. Und die US-Wirtschaft hat sich durch viel Konsum wieder erholt. Ein großer Teil dieses Konsums ruht auf China. Das ist einer der Gründe, warum China eine so starke Wirtschaft hat.
Was wir also sehen, ist, dass die Vereinigten Staaten beginnen, beim Wirtschaftswachstum zurückzufallen. Das ist keine neue Entwicklung. Das geht schon seit einer Generation so – die USA fallen zurück. Aber die chinesische Wirtschaft wächst so schnell, dass die Schätzungen, wann die chinesische Wirtschaft die größte der Welt sein wird, immer weiter vordatiert werden. Vor 20 Jahren dachte man, dass die Chinesen im Jahr 2050 größer sein würden als die USA, und dann war es 2040.
Und jetzt sind die Schätzungen, dass es vielleicht schon in den 2020er Jahren sein wird – vielleicht wird bereits 2028 die chinesische Wirtschaft größer sein. Und China hat kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie ein globaler Akteur sein wollen und zumindest einen Platz am Tisch der globalen Leitwährungen haben wollen. Und sie geben wie verrückt für das Militär aus und haben auch kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie ihr Militär dominant machen wollen, vielleicht zum größten der Welt.
Außerdem haben sie riesige Ersparnisse in China. Sie haben eine Kultur des Sparens – sind die Gewinner der Goldmedaille des Sparens in der Geschichte. Wenn Sie also all diese Dinge zusammennehmen, zusammen mit den wie verrückt wachsenden Schulden der USA–, so haben wir Schulden im Verhältnis zum BIP, die den Großteil unseres sogenannten Wirtschaftswachstums ausmachen. Ist es also wirklich Wirtschaftswachstum, wenn man sich Geld leiht oder Geld druckt, Schecks an Leute schickt, die sofort losgehen und Waren bei Amazon kaufen – zusätzlich zu dem, dass sie vielleicht Schulden wegen Spekulationen abzahlen – und diese Waren kommen aus China?
Wir betreiben also unsere Wirtschaft auf eine Art und Weise, die fast so ist, als wären wir nicht daran interessiert, den Status der globalen Leitwährung zu behalten – oder das größte Militär oder die globale sogenannte Überlegenheit oder Kontrolle zu behalten. Solange wir also diese Politik weiter betreiben – und wir betreiben sie immer aggressiver, wir fahren sie in keiner Weise zurück –, sehen wir einer Entwicklung entgegen, die eindeutig darauf hinausläuft, dass der US-Dollar seinen Status als alleinige Leitwährung verliert.
Und ich glaube, solange wir diese Politik betreiben, ist es fast sicher, dass das passieren wird. Und aus diesem Grund sollte der Dollarkurs fallen. Der Wert des Dollars ist so hoch, weil wir den Status einer Weltleitwährung genießen. Und den respektieren wir nicht wirklich genug. Wir nehmen ihn als selbstverständlich hin, meine ich.
Wir scheinen heutzutage in den Vereinigten Staaten eine Menge Dinge als selbstverständlich anzusehen, im Vergleich dazu, wie wir in früheren Jahrzehnten und Generationen über Dinge dachten. Und ich glaube, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir unglücklicherweise – ich benutze das Wort 'genießen', aber ich meine, ich sollte besser sagen 'die Konsequenzen unseres Handelns erfahren' –, so wie wir jetzt wirklich seit 1980 kein ernstzunehmendes Wirtschaftsprogramm mehr betreiben, aber das hat sich im letzten Jahrzehnt wirklich ungeheuer beschleunigt.
Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass das nachlässt. Das ist also der Grund, warum der Dollarkurs sinken wird. Und er hat seinen Höchststand bereits erreicht. Der DXY-Index (Dollar Index) hat seinen Höchststand bei 103 erreicht. Es gab eine Doppel-Spitze im Januar 2017 und dann direkt nach der Pandemie. Und jetzt befinden wir uns etwa 10 Prozent tiefer, und ich glaube, dass der Dollar die Tiefststände des vergangenen Abwärtszyklus noch durchbrechen wird.
Sehen Sie, der Dollar befindet sich seit Jahrzehnten in einer Serie immer weiter fallender Höchstwerte. Das geht zurück bis in die 80er Jahre. Und aus diesem Grund denke ich, dass der Dollar beim nächsten Durchbruch nach unten das jüngste Tief von ca. 80 und sogar das Tief von 70 überwinden wird. Ich denke also, dass es leicht 25 Prozent Abwärtspotenzial für den US-Dollar gibt. Und bei im historischen Vergleich so überbewerteten Aktien bedeutet dies, dass andere Aktien – für in den USA ansässige Investoren, die Aktien in Fremdwährungen kaufen (ich bevorzuge im Moment den Euro) – letztendlich die der Schwellenländer (vielleicht ab dem nächsten Jahr) der Platz sein werden, an dem man sein sollte.
Gundlach wurde auch gefragt, ob die Zentralbanken in der Lage seien, die Zinssätze zu erhöhen und die Quantitative Easing (QE: Quantitative Lockerung) zurückzufahren, wie sie behaupten, dass sie es tun wollen. Aber Gundlach sagt, dies sei einfach nicht realistisch:
"Ich bin sicher, dass die FED nicht ernsthaft über eine Anhebung der kurzfristigen Zinssätze nachdenkt, solange sie Quantitative Lockerungsmaßnahmen betreibt. Daher wurde eine Senkung der Zinssätze zwar für das Jahr 2021 als unmöglich angesehen, aber hinter den Kulissen wird gemunkelt, dass einige der FED-Beamten darüber nachdenken, die Reduzierung der Zinssätze vielleicht schon im nächsten Monat zu beginnen. Ich glaube nicht, dass das passieren wird.
Ich denke, sie werden abwarten und weiter zugucken. Sie klammern sich an diese These der vorübergehenden oder temporären Inflation. Dabei haben sie sich bereits geirrt. Als sie davon sprachen, dass der Anstieg des Verbraucherpreisindexes und der sonstigen Inflation nur vorübergehend wäre, haben sie das für zwei oder drei Monate behauptet. Aber es sind bereits mehr als zwei oder drei Monate vergangen. Jetzt sprechen sie von sechs oder neun Monaten."
Auf die Frage, wie er die Zukunft der Wirtschaft einschätzt, wies Gundlach darauf hin, dass es immer schwieriger werde, sich auf alte Methoden zu verlassen, wenn es um die Einschätzung der Zukunft geht, da der Staat so stark in das Wirtschaftsgeschehen eingreift:
"Seitdem sich die Regierung so stark in die Wirtschaft eingemischt hat, ist das wirtschaftliche Bild sehr, sehr schwer einzuschätzen… Es ist also sehr schwer zu erkennen, was passieren wird… Überall, wo man hinkommt, in fast allen Berufen, in denen man nachfragt, heißt es, es sei schwierig, Arbeitskräfte zu finden. Kein Wunder, denn die Menschen bekommen genauso viel oder mehr Geld, wenn sie nicht arbeiten. Und die Regierung unterstützt das weiterhin.
Was wird also passieren, wenn diese Konjunkturprogramme auslaufen oder die Menschen tatsächlich anfangen müssen, ihre Miete zu zahlen? Es wird zu enormen wirtschaftlichen Verwerfungen kommen. Die Beamten haben den Tiger am Schwanz gepackt, und im Moment werden sie noch nicht von ihm gekrallt oder zerfleischt. Aber wenn Sie den Schwanz des Tigers loslassen, werden Sie sehr wahrscheinlich zerrissen."
Gundlach fügte hinzu, dass eine Wirtschaft, die auf der Emission von Schulden und Konsum beruht, langfristig nicht wirklich lebensfähig ist. Eine wirklich nachhaltige Wirtschaft muss auf Produktion und Sparen aufgebaut sein:
"Wissen Sie, das BIP der USA besteht zu 70 Prozent aus Konsum. Und während sich die Wirtschaft auf BIP-Basis erholt, geschieht das mit einem enormen Anstieg des Handelsdefizits. Mehrere Prozentpunkte des BIP sind auf eine Zunahme des Handelsdefizits zurückzuführen. Und das ist nicht das reale BIP.Der Konsum ist nicht wirklich die Wirtschaft. In der Wirtschaft geht es um die Produktion. Und wenn Sie Waren kaufen, die mit Konjunkturgeldern in Asien produziert wurden, taucht das zwar als BIP auf, aber es ist in Wirklichkeit das asiatische BIP. In den Vereinigten Staaten ist das lediglich der Konsum.
Die Wirtschaft ist also nicht wirklich so stark mit fünf Millionen weniger Arbeitsplätzen, wie Sie eben meinten. Es taucht in der Produktivitätsgleichung mathematisch korrekt auf, aber in Wirklichkeit ist es die chinesische Produktivität. Denn noch einmal: Wenn man nur Waren konsumiert, hat man kein wirkliches Wirtschaftswachstum. Man konsumiert nur, aber wir stellen es als Wirtschaftswachstum dar."
Zum Abschluss des Interviews erklärte Gundlach, er erwarte – solange die Konjunkturprogramme fortgesetzt werden – auch einen weiteren Anstieg zum Beispiel der Lebensmittelpreise erwartet. Er machte deutlich, dass ein ernsthafter wirtschaftlicher Umbruch bevorsteht, und sagte, "wenn diese Party endet, wird ein 'Kater' in Gestalt eines enormen Rückgangs des Wirtschaftswachstums kommen".
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