Bisher zählten verschiedene Waffenprojekte der Bundeswehr zu den international prominenten Rüstungsblamagen. Doch zunehmend scheint der teuerste Kampfjet der Welt, die Lockheed Martin F-35 Lightning, trotz aller Investitionen zu einer kostspieligen Blamage zu werden.
In diesem Herbst wird das F-35-Programm 20 Jahre alt. Doch nach all den Jahren der Entwicklung und Milliarden an Investitionen ist der F-35-Kampfjet des Herstellers Lockheed Martin von 864 "offenen", also ungelösten Software- und Hardware-Mängeln unterschiedlichen Schweregrades betroffen, wie eine am Dienstag von der Prüfstelle des Pentagons und der Aufsichtsbehörde des Kongresses veröffentlichte Statistik zeigt.
Seit dem Ende der Entwicklungs- und Demonstrationsphase des Kampfflugzeugs im Frühjahr 2018 konnte die Anzahl an offenen Mängeln kaum reduziert werden. Immer wieder kämen bei den Tests neue Probleme zum Vorschein, erklärte Raymond O'Toole Jr., der amtierende Leiter des Testbüros, vor dem Unterausschuss des US-Repräsentantenhauses für Streitkräfte.
"Mängel stellen spezifische Fälle dar, in denen das Waffensystem entweder die Anforderungen nicht erfüllt oder in denen die Sicherheit, Eignung oder Wirksamkeit des Waffensystems beeinträchtigt werden könnte", erklärte Jon Ludwigson, Direktor des Government Accountability Office (GAO). Laut dem GAO ist Lockheed bereits mit der Auslieferung der 158 Jets in Verzug, die das Programmbüro für dieses Jahr geplant hatte.
Immerhin ist seit Anfang 2018 die Anzahl der schwerwiegenden Mängel – in der Kategorie 1 – von anfangs 111 auf aktuell acht gesunken. Und immerhin ist die aktuelle Gesamtzahl in Höhe von 864 Mängeln "etwas niedriger als die 872, die wir im März 2021 gemeldet haben", wie Ludwigson tröstlicherweise mitteilte.
Auch ein Sprecher von Lockheed Martin beschwichtigte ein wenig, indem er laut Bloomberg differenzierte, dass das Unternehmen sieben Mängel der Kategorie 1 zähle, von denen alle nur der Kategorie 1B zuzuordnen seien – definiert als "kritische Auswirkung auf die Einsatzbereitschaft" –, und keiner in der Kategorie 1A, die als potenziell lebensbedrohlich gilt.
Aufgeblasene Bedrohungen für aufgeblasenen Verteidigungshaushalt
Dan Grazier, Veteran der US Marine Corps und Verteidigungsanalytiker des Project on Government Oversight, hat das Kampfjet-Programm bereits des Öfteren kritisiert. In einer Episode des Podcasts Crashing the Warparty von Anfang Juli führt Grazier auf, wie jeweilige Bedrohungsszenarien, auch nach dem Kalten Krieg und dem "Krieg gegen den Terror", vorrangig dazu dienen, den US-Verteidigungshaushalt und so die Rüstungsindustrie mit viel Geld auszustatten. Als aktuelle Bedrohung werde eine vermeintliche Gefahr, die laut der Verfasser der US-Verteidigungsstrategie von China ausgehen soll, künstlich hochgespielt und somit die Finanzierung von Rüstungsprojekten auch offensiver Natur gerechtfertigt.
Laut Grazier geht die Problematik auf die Planung zu Beginn des Jahrhunderts zurück, als der US-Kongress die Haushaltsschleusen für Rüstungsprojekte weit öffnete, sodass die Verteidigungsindustrie ohne sonderliche Kontrolle futuristische Visionen vorantrieb. Dies zeige sich aktuell an "astronomischen" Kosten für "ineffektive Waffensysteme". "Zu viele der neuen Flugzeuge und Schiffe, die vom Fließband rollen, liegen massiv über dem Budget, sind Jahre – in einigen Fällen sogar mehr als ein Jahrzehnt – hinter dem Zeitplan und weit weniger effektiv als versprochen", so Grazier in seinem Artikel "Inflating China Threat to Balloon Pentagon Budget" (etwa: Die Bedrohung Chinas hochspielen, um das Pentagon-Budget aufzublähen) vom Juni.
"So haben wir 400.000 Dollar für jeden Helm der F-35-Piloten bezahlt, der es ihnen erlaubt, durch das Flugzeug zu 'sehen', der aber immer noch nicht richtig funktioniert", schreibt Grazier.
Grazier warnt davor, dass die USA dabei sein könnten, sich selbst in den Ruin zu treiben, während man massiv teure und gleichzeitig leistungsschwache Waffen entwickelt und kauft. Stephen Semler ergänzte, dass Lockheed allein im vergangenen Jahr 77 Milliarden US-Dollar an öffentlichen Geldern verschlungen und seinem CEO 28,5 Millionen US-Dollar gezahlt habe. Semler ist Mitbegründer des Security Policy Reform Institute, einer Denkfabrik, die Ideen entwickelt und fördert, um die US-Außenpolitik mit den Interessen der Arbeiterklasse in Einklang zu bringen.
Bereits früher in diesem Sommer, vor dem 20. "Geburtstag" des Projekts, standen die exorbitanten Unterhaltskosten der nunmehr weiterhin fehlerhaften F-35 in der Kritik. In einer Studie des GAO heißt es, dass sich die Lebenszykluskosten des Programms auf mehr als 1,7 Billionen US-Dollar belaufen, was Befürchtungen lauter werden ließ, dass sich die US-Streitkräfte das Programm möglicherweise nicht mehr leisten können. Als Lösungsmöglichkeiten für das Kostenproblem hieß es im Frühjahr, dass die geplante Anschaffung reduziert werden müsse. Eine Alternative wäre, die teuren Kampfjets weniger zu fliegen.
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