Im US-Bundesstaat Arizona werden derzeit die bei der Präsidentschaftswahl 2020 abgegebenen Stimmen neu ausgezählt. Joe Biden hatte dort nach offiziellen Angaben einen hauchdünnen Vorsprung von rund 10.800 Stimmen erzielt. Bei der Neuauszählung handelt es sich daher genau genommen weniger um ein weiteres Zählen als um eine Überprüfung.
Befürworter geben an, es seien mehr als 200.000 Stimmen in die offizielle Zählung eingeflossen, die aus unterschiedlichen Gründen – beispielsweise, weil Briefwahlstimmen zu spät eintrafen oder weil Wähler in einem anderen Bundesstaat gemeldet waren – nicht hätten gezählt werden dürfen. Gerichtsurteile hatten in vielen US-Bundesstaaten die Einwände der Trump-Seite abgelehnt – jedoch in der Regel aus rein formalen, nicht aus inhaltlichen Gründen. Der republikanisch dominierte Senat von Arizona hatte zwischenzeitlich jedoch die Neuauszählung offiziell angeordnet.
Diese liegt momentan allerdings etwas hinter dem Zeitplan, auch gab es technische Schwierigkeiten. Nicht zuletzt liegt dies jedoch daran, dass sich Maricopa, der größte Bezirk des Bundesstaates, gegen eine Neuauszählung ausgesprochen hatte und so die Anordnung des Senates umgehen wollte. Die Stadt Phoenix liegt in Maricopa und im gesamten Bezirk geht es immerhin um rund 2,1 Millionen Wählerstimmen.
Unklar ist zudem, inwieweit die Daten auf dem zentralen Wahlserver von Maricopa weiterhin intakt sind. Die Prüfer und auch Donald Trump hatten noch vor Kurzem davon gesprochen, dass diese vollständig gelöscht seien. Bei einer Anhörung vor dem Senat von Arizona hätten die Prüfer nach Berichten des US-Senders CNN nun aber eingeräumt, dass die Daten intakt seien und man in eine falsche Richtung geschaut hätte. Unterstützer der Neuauszählung erhoffen sich eine Art Dominoeffekt auf andere Bundesstaaten, bei denen das offizielle Ergebnis ähnlich knapp war. Trump erklärte in der vergangenen Woche:
"Vielleicht werden der Senat und das Repräsentantenhaus des Bundesstaates Georgia jetzt den Mut aufbringen, den groß angelegten Wahlbetrug bei den Präsidentschaftswahlen aufzudecken, der in ihrem ansonsten wunderbaren Staat stattgefunden hat. Sie müssen sich nur den Senat in Arizona anschauen, um zu erkennen, was Führungsstärke und Patriotismus bedeuten."
Die republikanische Senatspräsidentin Karen Fann bestätigte indes, dass sie bereits von Parteifreunden aus anderen Bundesstaaten kontaktiert worden sei:
"Senatoren und Parlamentspräsidenten aus anderen Bundesstaaten haben mich kontaktiert und gesagt, dass die Neuauszählung ein Thema sei, mit dem auch sie zu tun haben – und sie haben gesagt, dass dies die Grundlage dafür ist, wie wir in Zukunft unsere Wahlen überprüfen können, wenn nötig."
Doch es gibt auch andere Stimmen. Die Demokratin und Leiterin der Wahlbehörde in Arizona Katie Hobbs bezeichnete den Vorgang gegenüber Journalisten als "Fundraising-Gag". Man wisse von den Bestrebungen, den "Zirkus in andere Bezirke im ganzen Land zu bringen".
Dennoch scheint der Druck auf andere Bundesstaaten zu wachsen. Auch in Georgia war der Vorsprung Bidens denkbar knapp, gerade einmal rund 11.800 Stimmen. Eine Gruppe von neun Klägern hat nun vor dem Bezirksgericht von Fulton erzwungen, dass rund 145.000 Briefwahlstimmen neu ausgezählt werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch nicht ganz klar, wo und wann genau die Neuauszählung stattfinden wird oder welche Methoden verwendet werden.
Anders als bei der Neuauszählung in Arizona, wo die Stimmzettel an eine private Firma übergeben wurden, sollen diese in der Obhut des Bezirkes Fulton verbleiben. Man beabsichtige stattdessen, die Briefwahlstimmzettel einscannen zu lassen, wie die Atlanta Journal-Constitution berichtet. Der republikanische Gouverneur von Georgia Brian Kemp hatte eine weitere bundesstaatsweite Neuauszählung bislang abgelehnt. Sein innerparteilicher Konkurrent bei den 2022 anstehenden Gouverneurswahlen Vernon Jones forderte nun jedoch genau dies. Jones sagte:
"Die Einwohner von Georgia haben immer noch Fragen bezüglich Unregelmäßigkeiten in der Wahl von 2020 und sie verdienen Antworten. Wir müssen all diesen und anderen Unregelmäßigkeiten auf den Grund gehen, um das Vertrauen in unseren Wahlprozess wiederherzustellen. Wenn Herr Kemp sich weigert, eine Neuauszählung zu verlangen, dann werde ich das tun, wenn ich gewählt werde."
Die frühere Abgeordnete im Repräsentantenhaus von Georgia Stacey Abrams lehnt solche Bestrebungen dagegen ab. Abrams hatte 2017 vergeblich für das Gouverneursamt kandidiert und bereits ihr Interesse bekundet, 2022 wieder antreten zu wollen. Die Demokratin und Gründerin der Wahlrechtsgruppe "Fair Fight Action" kommentierte die Angelegenheit so:
"Um es klar zu sagen: Die neueste große Lüge aus Georgia, dass es dort Wahlbetrug gegeben habe, ist ein Nebenschauplatz. Es muss nicht neu ausgezählt werden. Die Medien dürfen ihr nicht durch falsche Wortwahl Glaubwürdigkeit verleihen. Genau wie die fragwürdige 'Neuauszählung' im Bezirk Maricopa ist und bleibt dies ein Schwindel."
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