Während aktuell eher das Befinden des zu Weltruhm gelangten Politbloggers Alexei Nawalny oder die Situation von Uiguren in China Schlagzeilen machen und politische Forderungen im Sinne der Menschenrechte nach sich ziehen, bleibt die Frage der verbleibenden Guantanamo-Häftlinge ungelöst und fällt auf ein deutlich geringeres Medienecho im Westen. Dabei sitzen in der US-Einrichtung in Kuba weiterhin 40 Männer fest, viele davon wurden grausam gefoltert und der Großteil seit fast zwei Jahrzehnten unter unwürdigen Umständen festgehalten, obwohl sie nie eines Verbrechens angeklagt wurden.
Der Palästinenser Zayn al-Abidin Muhammad Husayn, besser bekannt als Abu Subaida, ist einer von ihnen. Waterboarding, Schlafentzug, erzwungene Nacktheit und Einsperren in eine sargähnlich kleine Kiste – an dem seit rund zwanzig Jahren ohne Verurteilung inhaftierten Guantanamo-Insassen wurden bereits verschiedene Foltermethoden angewendet.
Subaida wurde 2002 in Pakistan gefangen genommen und war einer der ersten Gefangenen, die im Rahmen des "Enhanced Interrogation"-Programmes (zu Deutsch etwa: "erweitertes Verhör") der CIA gefoltert wurden. Sowohl der US-Auslandsgeheimdienst als auch der damalige Präsident George W. Bush behaupteten öffentlich, dass Subaida ein hochrangiger Al-Qaida-Anführer mit direkten Verbindungen zu Osama Bin Laden sei. Vor Gericht gestellt wurde er während seiner fast zwei Jahrzehnte in Gefangenschaft allerdings nie.
Und im Jahr 2006 musste die CIA einräumen, dass Subaida nie ein ranghohes Mitglied der Al-Qaida war – er war nicht einmal Mitglied der Terrorgruppe. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat seither bestätigt, dass er in den Jahren 2002 und 2003 an geheimen Standorten der CIA gefoltert worden war, unter anderem in Polen.
Die Freilassung des nunmehr 50-Jährigen wurde wiederholt verweigert. Nun will er zwei Psychologen gerichtlich vorladen lassen, welche im Auftrag der CIA das Folterprogramm entwickelt haben. James E. Mitchell und Bruce Jessen haben in der Vergangenheit bereits über ihre Beteiligung an der Unterstützung des Folterprogrammes der CIA ausgesagt. Doch entschied ein US-Bundesrichter im Jahr 2019 zugunsten der Versuche der damaligen US-Regierung, die Vorladung zu blockieren, mit der Begründung, sie würde "ein inakzeptables Risiko der Offenlegung von Staatsgeheimnissen darstellen".
Das Berufungsgericht des Neunten Gerichtsbezirkes jedoch verweigerte Mitchell und Jessen später den Schutz in Bezug auf Staatsgeheimnisse. Eine Vorladung sei demnach möglich, solange Beweise, welche die nationale Sicherheit gefährden würden, nicht offengelegt werden. Zwölf Richter, die das Urteil als "ein ernsthaftes Risiko für unsere nationale Sicherheit" bezeichneten, konnten an der Haltung des Gerichtsbezirkes nicht ändern.
Doch sowohl die Regierung unter Donald Trump als auch die unter seinem Nachfolger Joe Biden beantragten offiziell das Eingreifen des Obersten Gerichtshofes, da "die Identitäten der ausländischen Geheimdienstpartner und der Standort ehemaliger CIA-Gefangenenlager in ihren Ländern" nicht offengelegt werden könnten, "ohne einen unangemessenen Schaden für die nationale Sicherheit zu riskieren". Doch am Montag teilte der Oberste Gerichtshof der USA mit, es werde eine Anhörung abhalten, um zu entscheiden, ob die Regierung den Gefangenen in Guantanamo Bay daran hindern kann, Informationen der zwei ehemaligen CIA-Vertragspartner zu erhalten.
Am 12. Februar hatte die Biden-Regierung mitgeteilt, dass sie die formale Überprüfung einleitet, um das höchst umstrittene Militärgefängnis endlich zu schließen und damit einen ins Stocken geratenen Versuch der Obama-Regierung – in der Joe Biden als Vizepräsident diente – wiederzubeleben, die Haftanstalt zu schließen. Anfang April sendeten mehrere US-Senatoren einen Brief an Biden mit der Aufforderung, Guantanamo Bay zu schließen und die 40 dort noch immer festgehaltenen Gefangenen zu verlegen. Die Senatoren baten den Präsidenten, das für die Koordinierung zuständige Büro des Außenministeriums, das von Trump geschlossen wurde, wieder zu öffnen. Damit könnten die Beamten die Verhandlungen mit ausländischen Mächten über die Rückführung der zur Freilassung freigegebenen Gefangenen wieder aufnehmen.
Sie forderten auch, dass alle sechs Gefangenen, die bereits während der Obama-Regierung freigesprochen worden waren, sofort freigelassen werden und dass die verbleibenden Gefangenen die Möglichkeit erhalten, vor US-Bundesgerichten Einigungen zu erzielen. Im Gefangenenlager Guantanamo Bay sind derzeit noch 40 Männer inhaftiert. Außer den sechs Männern, die freigelassen werden sollen, wurden zwei von einem Militärgericht verurteilt, sieben wurden angeklagt und gegen drei wurde eine Anklage empfohlen. Die 22 sogenannten Ewig-Gefangenen werden ohne jegliche Anklage oder Prozess dort festgehalten.
UN-Menschenrechtsexperten haben darauf verwiesen, dass die fortgeführte Inhaftierung der Männer in Guantanamo eine eklatante Verletzung von Menschenrechten darstellt. Viele der verbleibenden Häftlinge sind inzwischen älter, ihre körperliche und geistige Unversehrtheit durch "nicht enden wollenden Freiheitsentzug und damit verbundene physische und psychische Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung" beeinträchtigt. Die Experten betonten die Notwendigkeit, künftig jede Politik abzulehnen, die zur Einrichtung des Gefängnisses und der Militärkommissionen geführt haben und "die eindeutig gegen das Völkerrecht verstoßen", um eine Wiederholung zu verhindern.
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