Facebook-Chef Mark Zuckerberg und Sundar Pichai, Chef von Alphabet (dem Mutterkonzern von Google), sowie Twitter-Chef Jack Dorsey sind geübt darin, sich vor dem US-Kongress zu erklären. Seit dem Jahr 2018 hat Zuckerberg sechsmal, Dorsey viermal und Pichai dreimal ausgesagt. Zu allem, was mit Datensammlung und Datenschutz zu tun hat, bis hin zu Zensur und erfundenen Behauptungen über eine vermeintliche "russische Einmischung" in die US-Präsidentschaftswahl 2016.
Der Kongress hat zwar keine Gesetze zur Regulierung dieser Unternehmen erlassen, die Vertreter aus Silicon Valley werden aber seit der Trump-Ära dennoch regelmäßig nach Washington vorgeladen. Diese Anhörungen haben oft wenig bewirkt, außer dass sie der politischen Basis gefällige Parolen lieferten. Beide Parteien hatten ihren Anteil an politischen Ärgernissen mit den CEOs vor der Anhörung des Energie- und Handelsausschusses des Repräsentantenhauses am Donnerstag. Die Sitzung fand auch angesichts der herannahenden Möglichkeit statt, dass diese Tech-Konzerne bald einer staatlichen Regulierung unterliegen könnten.
Der Schwerpunkt der Anhörung am Donnerstag lag jedoch auf "Desinformationen". Die Demokraten, die den Ausschuss leiten, verschwendeten bei den Anhörungen der Chefs der Tech-Giganten wenig Zeit, um sodann über die Verbreitung von Verschwörungstheorien und gegen das Establishment gerichtete Narrative auf deren Plattformen zu sprechen.
Sie konzentrierten ihre Argumente auf die Unruhen am Capitol Hill am 6. Januar. Einige Abgeordnete beschuldigten die Betreiber der Plattformen, Nutzern erlaubt zu haben, Inhalte zu posten, die die Ergebnisse der Wahl vom November 2020 anzweifeln sowie QAnon-Theorien und impfstoffkritische Inhalte und Beiträge von vermeintlichen COVID-19-Leugnern zu verbreiten.
Der Republikaner Mike Doyle fragte die BigTech-Chefs, ob deren Plattformen eine Verantwortung für die Ereignisse am Kapitol durch die Verbreitung von Desinformationen tragen und verlangte von ihnen, darauf mit "ja" oder "nein" zu antworten.
In seiner Antwort machte Zuckerberg die Facebook-Nutzern verantwortlich. Er sagte:
"Ich denke, dass die Verantwortung hier bei den Leuten liegt, die die Aktionen unternommen haben, um das Gesetz zu brechen und den Aufstand anzuzetteln."
Twitter-Chef Dorsey räumte eine Mitverantwortung ein, indem er die Ja-oder-Nein-Frage des Republikaners bejahte. Alphabet-Chef Pichai wich der gleichen Frage aus und bezeichnete diese als "komplex".
Der Ausschussvorsitzende Frank Pallone wandte sich an die drei CEOs und betonte:
"Sie erwecken definitiv den Eindruck, dass Sie nicht denken, dass Sie diese Fehlinformationen und Extremismus in irgendeiner Weise aktiv fördern. Und damit bin ich absolut nicht einverstanden. Sie sind keine passiven Zuschauer. Sie machen Geld."
Auch die Republikaner setzten die Tech-Giganten wegen des Aufruhrs im Januar unter Druck. Obwohl sie hierbei einen anderen Weg einschlugen. Sie wiederholten die seit langem erhobenen Vorwürfe einer antikonservativen Voreingenommenheit und beschuldigten die drei Konzerne, den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump von ihren Plattformen verbannt zu haben. Im Fall Google von der Plattform der Tochtergesellschaft Youtube.
Der Republikaner Steve Scalise ging auch auf Twitters pauschale Zensur eines Artikels der New York Post über Joe Bidens Auslandsgeschäfte ein, eine belastende Enthüllungsstory, die wenige Wochen vor der Wahl 2020 veröffentlicht wurde. Hierauf antwortete Dorsey auf eine Weise, die viele konservative Nutzer möglicherweise als Verhöhnung empfinden könnten:
"Wir verfassen unsere Richtlinien nicht nach einer bestimmten politischen Ausrichtung."
Für die Unternehmen steht deren Fähigkeit auf dem Spiel, weiterhin so zu handeln, wie sie es zurzeit tun: im Wesentlichen immun gegen jegliche Kontrolle und die Online-Sphäre dominierend. Abgeordnete beider US-Parteien haben mit der Streichung von Abschnitt 230, dem sogenannten Communications Decency Act, aus Kapitel V des US-amerikanischen Telekommunikationsgesetzes gedroht, der die Unternehmen vor einer Haftung für Inhalte schützt, die auf ihren Plattformen gepostet werden. Die Demokraten drohen mit einer Regulierung unter dem Vorwand, die Unternehmen für "Desinformationen" verantwortlich machen zu wollen. Die Republikaner behaupten hingegen, gegen die aus ihrer Sicht liberale Voreingenommenheit einzugreifen.
Wenn diese Plattformen auswählen, welche Inhalte sie zulassen, fungieren sie als Verlage und nicht als Plattformen und haben daher keinen Anspruch auf den Schutz gemäß Abschnitt 230, argumentieren die Konservativen.
Als Reaktion auf diese Angriffe haben die drei CEOs alternative Ansätze zu einer möglichen Regulierung vorgeschlagen. Zuckerberg schlug vor, dass Plattformen wie Facebook weiterhin vor rechtlichen Schritten geschützt werden sollten, solange sie die Fähigkeit haben, "ungesetzliche Inhalte zu entfernen". Er schlug vor, eine neutrale Organisation zu gründen, die die Abläufe beurteilen soll. Pichai stellte fest:
"Ohne Absatz 230 würden Plattformen Inhalte entweder übermäßig filtern oder gar nicht in der Lage sein, Inhalte zu filtern."
Auch er plädierte für den Status quo und fügte hinzu:
"Absatz 230 erlaubt es Unternehmen, entschieden gegen schädliche Fehlinformationen vorzugehen und mit bösartigen Akteuren mitzuhalten, die hart daran arbeiten, ihre Richtlinien zu umgehen."
Dorsey vertrat eine ähnliche Linie und argumentierte, dass sein Unternehmen gut mit sogenannten Desinformationen umgehen könne und dass das Durchgreifen seiner Plattform gegen Verschwörungstheorien, impfstoffkritische Inhalte und Donald Trumps Account dies unter Beweis stelle. Vor der Anhörung räumte er jedoch ein, dass er eine bessere Transparenz der Filteralgorithmen von Twitter unterstützen würde.
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