Am 36. Tag seiner Präsidentschaft erließ der neue US-Präsident Joe Biden den Befehl für Luftangriffe auf das syrisch-irakische Grenzgebiet. Der Angriff habe vom Iran unterstützten Milizen gegolten, die für einen Angriff auf einen US-Stützpunkt im Irak verantwortlich seien. Ein philippinischer Zivilangestellter des US-Militärs verlor sein Leben, mehrere US-Soldaten wurden verletzt. Bei dem US-Angriff kamen nach unbestätigten Berichten bis zu zwanzig Menschen ums Leben.
Laut Pentagon habe es sich bei dem Angriff um eine "verhältnismäßige militärische Antwort" gehandelt, die "zusammen mit diplomatischen Maßnahmen" ergriffen worden sei, einschließlich der Konsultation von Koalitionspartnern.
Am Mittwoch veröffentlichte die US-Administration ihre "Vorläufigen Strategischen Leitlinien für die Nationale Sicherheit". Diese dienen als Grundlage zur Ausarbeitung einer neuen nationalen Sicherheitsstrategie und sollen die "Vision" des US-Präsidenten für das zukünftige Wirken der USA in der Welt widerspiegeln. Gleich im Vorwort heißt es zum Thema Diplomatie:
"Und unter der Biden-Harris-Administration ist Amerika zurück. Die Diplomatie ist zurück."
Um diese im Sinne der US-Administration zu stärken, sei es entscheidend, Allianzen zu schmieden. Laut Biden werde es nur dann gelingen, die "amerikanischen Interessen voranzutreiben und unsere universellen Werte aufrechtzuerhalten", wenn die USA wieder eng mit ihren Verbündeten und Partnern kooperieren würden.
"Wir werden mit unseren Verbündeten und Partnern zusammenstehen, um neue Bedrohungen zu bekämpfen, die auf unsere Demokratien abzielen."
Die "nationale Sicherheit", wie sie von Biden interpretiert wird, sei dabei sowohl durch Entwicklungen im Inland als auch im Ausland gefährdet. Die Grenzen der definierten Herausforderungen, denen man sich im In- und Ausland zu stellen hat, verschwimmen dabei offensichtlich zunehmend. So gehe es einerseits darum, sich der "globalen Pandemie" ebenso zu stellen wie dem wirtschaftlichen Abschwung der US-Wirtschaft, einer Krise der "Rassengerechtigkeit" und einer sich verschärfenden Klimakrise. Der Klimaschutz wird als ein Weg bezeichnet, "unsere Führungsposition in den internationalen Institutionen zurückzugewinnen".
Andererseits gelte es auch, sich einer Welt des "wachsenden Nationalismus, des Rückzugs der Demokratie" und der "wachsenden Rivalität mit China, Russland und anderen autoritären Staaten" zu stellen.
Russland findet fünf Mal im insgesamt 24-seitigen Papier Erwähnung, China gleich fünfzehn Mal. Russland sei weiterhin entschlossen, "seinen globalen Einfluss zu vergrößern und eine störende Rolle auf der Weltbühne zu spielen". China wiederum sei aufgrund seiner wirtschaftlichen und militärischen Macht der einzige Konkurrent, der fähig sei, "eine nachhaltige Herausforderung für ein stabiles und offenes internationales System" zu sein.
"Sowohl Peking als auch Moskau haben stark in Bemühungen investiert, die darauf abzielen, die Stärken der USA auszubremsen und uns daran zu hindern, unsere Interessen und Verbündeten in der ganzen Welt zu verteidigen."
Angesichts der zur Bedrohungsachse stilisierten Staaten China ("zunehmend selbstbewusst") und Russland ("destabilisierend") werde man eine Bestandsaufnahme des Militärs durchführen und die vorhandenen Kapazitäten entsprechend umstrukturieren, neu ausrichten und modernisieren.
Die Bündnisse der USA würden es in Zukunft ermöglichen, gemeinsam vorzugehen und "wirksame internationale Regeln" aufzustellen, um Länder wie China "in die Pflicht zu nehmen".
"Deshalb werden wir die Nordatlantikvertragsorganisation (NATO) und unsere Bündnisse bekräftigen, in sie investieren und sie modernisieren".
Gleichzeitig wolle man mit China und Russland jedoch einen Dialog über eine Reihe neuer militärtechnischer Entwicklungen führen, die die strategische Stabilität betreffen.
Im erweiterten Kreis der genannten Bedrohungen befinden sich etwa der Iran und Nordkorea. Aufgrund ihrer technologischen Kapazitäten und Entwicklungen stellten beide ebenfalls eine Bedrohung für die Verbündeten und Partner der USA und "die regionale Stabilität" dar. Auch Terrorismus und Extremismus im In- und Ausland griffen weiter um sich. Dennoch, die USA seien weiterhin in der Lage, ihre "Interessen und Werte zu fördern", um dadurch "eine freiere, sicherere und wohlhabendere Welt zu schaffen".
"Die Vereinigten Staaten werden niemals zögern, Gewalt anzuwenden, wenn dies zur Verteidigung unserer vitalen nationalen Interessen erforderlich ist".
Die Anwendung militärischer Gewalt sollte jedoch nur die Ultima Ratio darstellen, um die nationale Sicherheit zu verteidigen. Sollte ein militärischer Einsatz notwendig sein, solle dieser – im Sinne der ins Weiße Haus zurückgekehrten Diplomatie – wo immer möglich gemeinsam mit internationalen und lokalen Partnern geschehen.
Parallel zur Veröffentlichung der Leitlinien zur nationalen Sicherheitsstrategie sorgte ein Auftritt des US-Präsidenten am Mittwochabend für Spott in den sozialen Netzwerken. Während einer "virtuellen Themenkonferenz" sagte Biden der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, dass er "gerne" dazu bereit sei, am Ende der Veranstaltung live gestellte Fragen zu beantworten.
"Ich nehme gerne Fragen entgegen, wenn es das ist, was ich tun soll, Nance. Was immer du von mir willst."
So weit sollte es jedoch nicht kommen. Sekunden nach Bidens Angebot wurde die Übertragung abrupt beendet.
Während Biden etwas verwirrt darüber erschien, ob eine live übertragene Frage- und Antwortrunde überhaupt vorgesehen war, vermuteten Beobachter in den sozialen Medien, dass das Weiße Haus die Übertragung beendete habe, um zu verhindern, dass Biden spontane Antworten gebe. Bereits in der Vergangenheit habe sich der US-Präsident anfällig gezeigt für verbale Fauxpas sowohl bei vorgegebenen als auch nicht vorgefertigten Aussagen.
Mehr zum Thema - US-Außenminister Blinken bespricht mit Juan Guaidó Wege für Venezuelas "Rückkehr zur Demokratie"