von Darius Shahtahmasebi
Die USA haben offenbar gelernt, dass sie ihren Einfluss auf die natürlichen Ressourcen als Hebel im geopolitischen Schachspiel nutzen können, um ein geopolitisches Schachspiel zu betreiben und den Einfluss Russlands auf die Zukunft der Energiemärkte entscheidend zu kontern.
Wenn man genau hinschaut, sind die Hinweise auf die treibenden Kräfte im Hintergrund, die Washingtons außenpolitische Agenda bestimmen, auch in den Mainstream-Medien leicht auszumachen.
So schreibt beispielsweise Ellen Wald, Senior Fellow am Global Energy Center des Atlantic Council, in the Hill:
Unsere großen Kapazitäten in der Erdgasversorgung sind ein Geschenk Gottes für ihren Einsatz als geopolitischer Hebel.
In der vergangenen Woche konnten wir im Nahen Osten sehen, wie sich Energieerzeugung und -versorgung auf die Geopolitik auswirken. Mit so viel Erdgas können wir gegen den russischen Einfluss in Europa vorgehen, wir können Verbündete beliefern und uns von unnötigen Verflechtungen mit dem Ausland befreien.
Seit Jahren betone ich zusammen mit anderen Gleichgesinnten immer wieder, dass die Kriegsagenda der USA fast ausschließlich von Öl, Erdgas, Geld und Geopolitik getrieben wird. Eine Zeit lang wurden wir als Verschwörungstheoretiker, Terrorsympathisanten oder was auch immer abgestempelt. Doch dieses Mantra ist deutlich schwieriger aufrecht zu erhalten, wenn niemand Geringeres als der ehemalige Verteidigungsminister Chuck Hagel unmissverständlich erklärt:
Die Leute sagen, wir kämpfen nicht für Öl. Natürlich tun wir das.
Selbst Präsident Donald Trump gab freimütig zu verstehen, dass die USA in ihrem Bestreben, die Ölversorgung der Welt zu plündern und zu kontrollieren, nicht weit genug gegangen seien – und dies gleich zweimal.
Trotz dieser vielen offenkundigen Eingeständnisse – und glauben Sie mir, ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben – wird das Thema von den Mainstream-Medien in einem fort anders formuliert, insbesondere wenn es um ausländische Gegner und die geopolitische Bedeutung von Öl und Erdgas geht.
Exemplarisch titelt die New York Times:
Russland nutzt seinen Ölgiganten Rosneft als außenpolitisches Instrument.
Im Artikel selbst lamentiert der Autor Clifford Krauss:
Russland nutzt zunehmend Öl als geopolitisches Instrument, verbreitet seinen Einfluss in der ganzen Welt und fordert die Interessen der Vereinigten Staaten heraus.
Also, wenn Russland es tut, ist es ein großer Skandal, würdig für einen Meinungsbeitrag in der New York Times. Und wenn die USA es tun – nun, dann stellt sich heraus, dass die USA es nicht genug tun, wie es es hier und dort heißt. Westliche Autoren ermutigen dann die Vereinigten Staaten, genau das zu tun, was sie Russland vorwerfen – und es dafür verunglimpfen.
Doch dabei allein bleibt es nicht.
Weißrussland ist das jüngste Ziel für den Einsatz von Öl und Gas als geopolitische Waffen durch Russland", schreibt die Huffington Post.
Russlands Energiediplomatie im Nahen Osten" ist Stoff für breite Erklärungen in Foreign Affairs, wo es heißt: "Russlands Gasnetz verführt Europa."
Die Achse Russland-Venezuela: Energie als Instrument für geopolitische Vorteile", seziert detailliert die Heritage Foundation.
Russland ist ein "globales 'energy powerhouse', das viel mehr ist als ein Petrostaat", erklärt The Conversation.
Russlands neuester geopolitischer Griff nach der Macht wird unbemerkt bleiben", beklagte Oil Price im vergangenen Jahr.
Also, unbemerkt bleibt das Ganze nicht – angesichts der Menge an Artikeln da draußen zu diesem Thema. Wenn es um Russland geht.
Diese Art von Analyse sehen wir allerdings definitiv nicht, wenn es um die USA und ihre Fähigkeit und Absicht geht, natürliche Ressourcen zu nutzen, um geostrategische Ziele zu erreichen. Wenn es um die USA geht, klingen die Schlagzeilen völlig anders.
US-Erdgas ist die neue, globale Soft-Power-Waffe", titelte The National Interest Anfang des Jahres.
Seien wir ehrlich, Worte und ihre Bedeutung sind wichtig. Wenn es um die USA geht, ist Erdgas eine Soft-Power-Waffe, die sie nutzen sollte. In der Hand Russlands wird Erdgas zu einer Waffe, die uns alle angehen und beunruhigen sollte. Und nein, ich übertreibe hier keinsfalls. Schauen Sie sich nur diesen Absatz aus dem oben genannten Artikel von The National Interest an:
Die Vereinigten Staaten nutzen nun Erdgas aus Schieferlagerstätten in Staaten wie Texas, North Dakota und Pennsylvania, das in flüssiges Erdgas (LNG) umgewandelt wird, um die Geopolitik zu verändern. Niedrigere LNG-Preise lassen die Budgets schrumpfen, mit denen Teheran Terroristen finanziert, und sie beinträchtigen die Möglichkeiten von Wladimir Putins Russland, seine Energiekapazitäten als Waffe für geopolitische Abenteuer in der Ukraine, der Krim, Syrien, Zentralasien und dem Nahen Osten einzusetzen.
Kurzum, die Konzernmedien sagen im Wesentlichen Folgendes:
Russland nutzt Energieressourcen für geopolitische Abenteuer. Die Vereinigten Staaten haben im Gegenzug die Pflicht, die Energieressourcen für ihre eigenen geopolitischen Abenteuer zu nutzen.
Und tatsächlich, die USA können verflüssigtes Erdgas (Liquefied Natural Gas - LNG) in Länder an der russischen Grenze exportieren, wie Polen, aber Russland sollte nicht versuchen, eine Erdgaspipeline wie Nord-Stream-2 mit Deutschland zu bauen (wie skandalös übrigens).
So sehr Trump auch ein russischer Agent ist (wenn man immer noch naiv genug ist, um das zu glauben), ist dies ein Feld, auf dem sogar er versucht, seinen vermeintlichen Hintermann Russland massiv zu schaden und weiter zu entfremden. So sehr der US-Präsident erklärt hat, dass er Deutschland vor Russland "schützen" will, so sehr habe ich immer noch das Gefühl, dass Deutschland alt und weise genug ist, um solche Entscheidungen selbst zu treffen.
Die Vereinigten Staaten können es Russland einfach nicht erlauben, die Zukunft der Energie in Europa zu dominieren", sagte Ted Cruz.
Cruz ist einer derjenigen, die ein Gesetz fordern, um Sanktionen gegen Unternehmen verhängen zu können, die an dem von Russland geleiteten Pipeline-Projekt beteiligt sind.
Im Ernst: Warum sollte man sich überhaupt mit Vorwürfen gegen Russland befassen, dass es natürliche Ressourcen als geopolitisches Instrument zur Förderung der eigenen Agenda nutzt, wenn die USA dafür berüchtigt sind, genau dies zu tun? Solche Anschuldigungen sind bedeutungslos, wenn der, der sie erhebt, im Glashaus sitzt und winzige Kieselsteine in ein weites Feld voller Heuchelei und Doppelstandards wirft.
In diesem Sinne ist Geopolitik mehr als nur ein globales Schachspiel: Es ist ein sportlicher Wettkampf. Die Teams sind Ost gegen West. Und wir müssen uns für eine Mannschaft entscheiden. Du bist entweder für uns oder gegen uns.
Unser Versagen, den Regime-Change hin zu Marionettenregierungen in Syrien und im Iran durchzusetzen, sowie unsere Unfähigkeit, die Marionettenregierungen im Irak und in Teilen Syriens aufrechtzuerhalten, bedeuten, dass Russland früher oder später beginnen wird, die Lücke zu schließen. Aber – und korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege – wenn das Verfolgen einer eigenen außenpolitischen Agenda seitens Russlands von Natur aus schlecht ist, dann müsste in dieser Logik die gleiche außenpolitische Agenda seitens der Vereinigten Staaten diese ebenso schlecht machen.
Im Falle der USA wissen wir über offizielle Dokumente und undichte Stellen von deren außenpolitischer Agenda und wie sie mit natürlichen Ressourcen zusammenhängt. Wir wissen sogar, dass einflussreiche Leute den Einsatz extremistischer Terrorgruppen zur Erreichung dieser Ziele unterstützen. Zu keinem Zeitpunkt wird dies als skandalös oder zumindest diskussionswürdig angesehen.
Wenn wir es tun, ist es in Ordnung. Wenn wir den Verdacht haben, dass Russland es tut, dann gilt es, Alarm zu schlagen und die USA anzustacheln, einmal mehr und umso verschärfter natürliche Ressourcen als geostrategische Waffe einzusetzen, um Russland zu bekämpfen und einzudämmen.
Darius Shahtahmasebi ist ein in Neuseeland ansässiger Rechts- und Politikwissenschaftler, der sich derzeit auf Einwanderung, Flüchtlinge und humanitäres Recht spezialisiert hat.
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