von Arthur Buchholz
Es erinnert an eine Hexenjagd, was in den Medien und Parlamenten der westlichen Welt vorging, als es um die Wahl des neuen Präsidenten der internationalen Polizeiorganisation Interpol ging.
"Fuchs im Hühnerstall"
Im britischen Parlament sprach man vom "Fuchs, der den Hühnerstall überwachen soll". Abgeordnete der Konservativen, der Labour Party und der Liberaldemokraten stellten die zukünftige Beteiligung Großbritanniens an der Polizeibehörde in Frage, sollte Prokopchuk gewinnen.
Guy Verhofstadt, ehemaliger Premierminister Belgiens und Chefunterhändler für die Brexit-Verhandlungen, twittere sogar, die demokratischen Länder müssten eine Parallelorganisation aufbauen, sollte der "Chef-Übeltäter" Prokopchuk in die Verantwortung kommen.
Auch aus dem deutschen Bundestag kamen Stimmen gegen die Personalie. Laut Bild-Zeitung haben sich Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, sowie weitere Abgeordnete der FDP und der Grünen gegen die Wahl Prokopchuks ausgesprochen.
Zwölf US-Senatoren haben in einem offenen Brief US-Außenminister Michael Pompeo dazu gedrängt, seinen Einfluss geltend zu machen, um die Wahl zu verhindern.
Auch die Medien beteiligten sich an der grassierenden Paranoia um Prokopchuk. Die australische ABC sprach vom "Pro-Putin-Kandidaten", die CNN vom "Putin-Verbündeten", die BILD fragte im gewohnt alarmistischen Stil:
Übernimmt Putin die "Weltpolizei?"
Die Washington Post veröffentlichte einen Artikel von William Browder, den sie als "Aktivisten" bezeichnet, in dem er davor warnte, dass Russland Interpol "steuern" könnte. Er wiederholte, dass Russland für den Abschuss der MH17 über der Ukraine verantwortlich sei sowie für die Vergiftung der Skripals und die Einmischung in US-amerikanische und europäische Wahlen. Ein Russe an der Spitze Interpols würde die Institution in einen "Arm der Mafia verwandeln".
Browder sieht sich persönlich in Gefahr, wird er doch in Russland wegen Steuerhinterziehung gesucht. Der Mann, der damals als Russlandchef von Interpol die Haftbefehle ausstellte, war Alexander Prokopchuk.
Die russische Staatsanwaltschaft wirft Browder zudem vor, in den Mord an den Wirtschaftsprüfer Sergej Magnitsky verwickelt zu sein.
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Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte auf die Vorwürfe aus den USA, die Erklärung der Senatoren sei "wahrscheinlich eine Einmischung in die Wahlen einer internationalen Organisation. Wie soll man das sonst sehen?". Der russische Außenpolitiker Wladimir Dzhabarow sagte gegenüber TASS:
Dies ist ein anschauliches Beispiel für die Einmischung der USA in die Wahlen. Die Amerikaner tun es die ganze Zeit, überall, auf jeder Ebene, in jedem Land und jeder internationalen Organisation. Es genügt, dass sie ihre Meinung äußern, mit den Delegationen anderer Länder sprechen und das Ergebnis wird sein, was sie wollen.
Abgelöst von jeder Faktenlage
Was bei dem medialen Aufschrei über die mögliche Wahl eines Russen zum Präsidenten Interpols gerne übersehen wird, ist, dass Alexander Prokopchuk seit Jahren im Exekutivkomitee von Interpol sitzt und dort eine derart gute Arbeit verrichtet, dass seine Wahl zum Präsidenten als Formsache galt. Der einzige Gegenkandidat, der jetzige Gewinner Kim Yong-yang, ging eigentlich als Außenseiter ins Rennen.
Auch die Vorwürfe, Russland oder Putin könnten die Organisation nutzen, um weltweit Einfluss auszuüben, fällt bei genauerer Betrachtung komplett in sich zusammen.
Prokopchuk sollte im Falle seiner Wahl das Exekutivkomittee anführen. Die Aufgaben dieser 13-köpfigen Gruppe innerhalb Interpols ist hauptsächlich administrativ. Sie überwacht die Ausführung der Beschlüsse der Generalversammlung aller Mitgliedsstaaten, bereitet Beschlüsse vor und überwacht die Arbeit des Generalsekretärs. Über Beschlüsse wird grundsätzlich abgestimmt. Der Präsident wird für fünf Jahre gewählt und kommt abwechselnd aus den Regionen Asien, Europa, Afrika und Amerika.
In den Händen des Generalsekretärs und seines Stabes liegt die eigentliche "Macht" von Interpol. Er überprüft von Ländern ausgegebene Haftbefehle auf ihre Rechtmäßigkeit und leitet diese weiter. In der Vergangenheit lehnte das Generalsekretariat wiederholt Ausschreibungen im Fall Browder aus Russland mit der Begründung ab, sie seien politisch motiviert gewesen. Der aktuelle Generalsekretär ist der Deutsche Jürgen Stock.
Es handelt sich also mitnichten um eine Übernahme durch Putin oder eine Unterwanderung der Behörde durch Russland. Der mediale und politische Aufwand, der um diese Personalie betrieben wurde und die begrenzte Funktion dieser Stelle zeigen überdeutlich, wie sehr der Westen sich abgelöst von jeder Faktenlage in eine antirussischen Hysterie verstrickt hat, die er selber nach Belieben eskalieren und nutzen kann. Auch wenn das die Arbeitsweise eingespielter Institutionen völlig ignoriert.
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