Merkel in Chemnitz: Immer mehr vom Ewiggleichen

Angela Merkel hat am Freitag Chemnitz besucht. Überraschungen gab es keine. Die Kanzlerin gab sich selbstkritisch, ohne es wirklich zu sein. Abgeschirmt von der Wirklichkeit, hat Merkel eine weitere gute Gelegenheit verpasst, sich ehrlich zu machen.

von Andreas Richter

Angela Merkel hat heute Chemnitz besucht. Erst war sie bei einem Basketballverein, dann bei einem sogenannten Dialogforum der Freien Presse mit "ausgesuchten Bürgern". Von den normalen Bürgern war sie bestens abgeschirmt. Die fühlten sich verständlicherweise "in tiefste DDR-Zeiten" zurückversetzt.

Der Tag brachte keine Überraschungen. Ein paar schöne Bilder für die Kanzlerin, ein paar weniger schöne, die ewiggleichen vorgestanzten Phrasen. Merkel hat eine hervorragende Gelegenheit verpasst, sich ehrlich zu machen. Sie hätte über die wahren Motive ihrer Flüchtlingspolitik reden können, sie hätte sich dafür entschuldigen können, mit ihrem Gerede über angebliche Hetzjagden eine ganze Stadt in die Nazi-Ecke gestellt zu haben.

Nichts davon kam. Stattdessen das, was sie immer gesagt hatte, nur in einem etwas verständnisvolleren Ton. Schrecklich die Bluttat Ende August, die Erregung verständlich, aber von "rechtsradikalen Demonstrationen" habe man sich abzugrenzen. Ihr Gerede von "Fehlern in der Flüchtlingspolitik" ist bei genauem Hinsehen kein Eingeständnis von Irrtümern: Die "kurzfristige Hilfe" für Flüchtlinge, also das Hereinholen einer siebenstelligen Anzahl von Menschen, sei richtig gewesen. Falsch dagegen, sich nicht eher um die Herkunftsländer gekümmert zu haben.

Und natürlich, man hätte mehr reden, mehr erklären müssen. Dabei gilt für Merkel offenbar noch immer: Wer ihre Flüchtlingspolitik kritisiert, ist ein Rechtsradikaler, wer auf deren Folgen für die innere Sicherheit verweist, ein Hetzer. Wer nach einem Rezept sucht, wie man Rechtsextremismus und gesellschaftliche Polarisierung wirklich fördert: Hier ist es.

Dabei erschien heute im Blog Tichys Einblick ein Artikel, in dem die mutmaßlichen Urheber des berühmt-berüchtigten Chemnitzer Hasenvideos zu Wort kommen. Diese wollen anonym bleiben, sind aber zu einer eidesstattlichen Aussage bereit. Mit dem, was sie sagen, bestätigen sie den geschassten Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, der die Authentizität des Videos angezweifelt hatte. Auf eine Erklärung der Kanzlerin dazu oder auch nur eine angemessene mediale Berichterstattung wird man wohl vergeblich warten.

Merkels Auftritt in der stigmatisierten Stadt hatte etwas Gespenstisches. Die Demonstrationen gegen sie blieben überschaubar. Wahrscheinlich haben nicht mehr viele Chemnitzer das Bedürfnis, am medialen Nasenring noch einmal als Nazi durch die deutsche Arena geschleift zu werden. Von Merkel immer die gleichen Phrasen, das Gerede von Vielfalt, Toleranz und Respekt, die Warnung vor Extremismus. Eine Aussage immerhin war in diesem Zusammenhang überraschend: Das Problem von Chemnitz, so Merkel, sei seine schlechte Verkehrsanbindung.

Mehr zum Thema - Die Vorgeschichte von Merkels Chemnitz-Besuch – Eine Chronik

RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.