Wird Russland Kissingers antichinesischem Projekt zustimmen?

Laut einem Beitrag auf der Online-Plattform "The Daily Beast" versucht der "Vater" der modernen US-Diplomatie, Henry Kissinger, US-Präsident Trump davon zu überzeugen, mit Russland eine strategische Allianz gegen das aufstrebende China aufzubauen.

von Dr. Kamran Gasanov

Die Tipps des ehemaligen US-Sicherheitsberaters und Außenministers gehören zur Übergangszeit von Trumps Präsidentschaft, aber die Idee war lange davor relevant. Sie wurde bereits im Jahr 2012 vom nicht weniger berühmten Geopolitiker Zbigniew Brzeziński in seinem Buch "Strategic Vision" hervorgehoben. Es war seltsam, solche Gedanken von einem Polen zu hören, der in den 70er- und 80er-Jahren in Amt gegen die Sowjetunion gekämpft hatte und dann Traktate über der Erwürgung des "Heartlands" wie "Die einzige Weltmacht" geschrieben hat. Aber die Herausforderung aus Asien ist anscheinend Anlass, zur Allianz der USA, der EU und Russlands ("Erweiterter Westen") aufzurufen.

Weder vor 2012 noch jetzt unternahm die US-Regierung ernsthafte Bemühungen um eine Partnerschaft mit Russland. Im Gegenteil sank das Niveau der Beziehungen auf den tiefsten Punkt seit dem Ende des Kalten Krieges. Beide Seiten rechtfertigen ihre Position mit Vorwürfen: Die Vereinigten Staaten werfen Russland Aggressionen gegen seine Nachbarn, insbesondere die Ukraine, die Einmischung in die Wahlen einer Reihe westlicher Länder, die Unterstützung des "Diktators Assad" sowie "Chemieangriffe" in Syrien und Salisbury vor. Moskau kritisiert Washington und Brüssel für deren Missachtung seiner strategischen Interessen seit dem Ende der Sowjetunion, beschuldigt sie des Versuchs, den Südkaukasus, die Ukraine, Moldawien und Weißrussland von Russland abzuspalten, sowie der Zerstörung der Einheit Syriens anderer Länder des Nahen Ostens.

Während der Westen und Russland einander bekämpfen, spart China dank der weitgehenden Vermeidung von Konflikten Geld und erhöht seine militärische, wirtschaftliche, geoökonomische und finanzielle Präsenz in Asien, Afrika, Zentralasien und im Nahen Osten. Genau wie die Vereinigten Staaten, die nach dem Ersten Weltkrieg eine Weltmacht "auf den Knochen" der europäischen Imperien aufgebaut haben. Nun droht sich die Machtbalance so schnell zu verändern, dass selbst ein ideologischer Feind Russlands (Brzeziński) gegen Ende seines Lebens die Notwendigkeit eines Bündnisses mit Moskau verstanden hat. Obwohl er Russland dann wegen der Krim erneut heftig kritisierte.

Als Trump ins Weiße Haus einzog, sah Kissinger in ihm anscheinend eine Möglichkeit, den zu Zeiten von Barack Obama wegen der Ukraine und Syrien abgebrochenen Dialog mit Russland wiederherzustellen. Die Annäherung an Russland entspricht vollständig dem realistischen Konzept, dem der ehemalige US-Diplomat folgt. "Balance of power" ist die Grundlage des Konzepts der neorealistischen Schule. Russland erscheint hier als Gewicht, das zusammen mit den Vereinigten Staaten China in der anderen Waagschale überwiegt, das wirtschaftlich bereits zu den USA aufgeschlossen hat, im Handel mit Washington einen gigantisches US-Handelsdefizit in Höhe von 350 Milliarden Dollar erzeugt und Armee und Marine zielstrebig aufrüstet.

Der "Handelskrieg" mit China ist das erste Zeichen der Anerkennung des Kampfes gegen China, die nach Meinung des FBI-Direktors Christopher Wray "wichtigste Bedrohung" für die amerikanische Macht. Auf der anderen Seite stehen in dieser Phase die guten Beziehungen zwischen China und Russland in deutlichem Gegensatz zur Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten und Russland. Peking ist wie Moskau Teil der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) und des Staatenbündnisses BRICS, schützt Assad, kauft russische Rohstoffe und Waffen. Auf der anderen Seite bereitetet Washington scharfe Sanktionen gegen die russischen Staatsanleihen, große Banken und "Aeroflot" vor.

Unter solchen Umständen hat Russland keinen Anreiz, den USA bei der Ausbalancierung Chinas zu helfen, auch wenn die Entscheidung über Sanktionen de facto nicht von Trump, sondern vom Kongress getroffen wird. Die Machtkonstellation in Washington ist nun explizit antirussisch und wird die Verfolgung einer Art umgekehrter Nixon-Strategie (Nixon besuchte 1972 China und traf sich unter anderen mit Mao, um ein antisowjetisches Bündnis mit der Volksrepublik zu schmieden; Anm.) erschweren. Für die russisch-amerikanische Allianz sind eine radikale Veränderung in der Beziehung und gegenseitigen Zugeständnisse notwendig. Drittens, selbst wenn wir annehmen, dass Moskau und Washington zu einer Vereinbarung kommen, ist nicht ganz klar, wie Russland zur Eindämmung Chinas beitragen könnte.

Wirtschaftlich sowie im finanziellen und technologischen Bereich ist Russland zu schwach, um China im Weg zu stehen. In militärischer Hinsicht gibt es zwischen beiden Ländern trotz der geografischen Nähe keine Konflikte. Im Laufe seiner Herrschaft kam Wladimir Putin zu der Überzeugung, dass man dem Westen nicht vertrauen könne und die EU und die NATO sind immer bereit seien, sich endlos auszudehnen. China ist ein wichtiger Importeur von russischem Öl und Waffen wie etwa des Raketenabwehrsystems S-400, beide bauen eine gemeinsame Gaspipeline und produzieren Flugzeuge zusammen. Daher wäre es für Moskau nicht wünschenswert, das Vertrauen von Peking zu verlieren. Man kann sich auf China auch in der UN-Sicherheitsrat verlassen, wo sie ebenfalls die Souveränität Syriens, des Iran, Libyens und anderen Ländern verteidigten, die der aggressiven Einmischung des Westens ausgesetzt sind oder waren.

Allerdings heißt das nicht, dass ein amerikanisch-russisches Bündnis als Gegengewicht zu China absurd wäre. Auch wenn China ein Partner ist, stellt es für Russland in Zentralasien dieselbe Bedrohung dar wie für den USA im Pazifischen Ozean. Eine antichinesische Allianz würde nur dann Sinn ergeben, wenn Russland mithilfe von US- und europäischen Investoren seine Wirtschaft stärken könnte. Trotz einer Reihe von großen Konflikten wie in Syrien, Libyen, Afghanistan oder im Jemen wird der Machtkampf auch im Handel und auf den Finanzmärkten geführt.   

Dementsprechend würde Washington durch eine fortgesetzte Schwächung des Rubels und der russischen Wirtschaft nur Chinas Rolle in Asien festigen.

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