Von Rachel Marsden
Es ist schwer zu sagen, ob sie ihm Schuld zuschieben oder ihm ihre Ehre erweisen wollte; aber die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sagte am vergangenen 13. Februar bei einem Treffen der in Paris ansässigen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dass "die Versuche von Putin, unsere Union in Geiselhaft zu nehmen, vollkommen gescheitert sind. Im Gegenteil: Er hat den grünen Wandel sogar vorangetrieben."
Das Wort "vorangetrieben" ist vielsagend – und lässt aufmerken. Denn genau das hat von der Leyen nämlich selbst getan. Von der Leyen hat Putin vorgeschoben, um die EU-Bürger dahingehend zu manipulieren, ein profitables System des grün getünchten Autoritarismus zu akzeptieren. Putin soll in letzter Zeit hier in Europa ein viel beschäftigter Kerl gewesen sein. Bereits in den vergangenen Wochen drängte er offenbar Europas Landwirte und ihre Traktoren auf die Autobahnen.
Warum aber muss Königin Ursula immer so zwielichtig klingen? "Vergangenes Jahr, im Jahr 2023, haben wir erstmals mehr Strom aus Wind als aus Gas produziert", verkündete sie. Auf wie viele Arten musste ihre kampferprobte Brigade aus bürokratischen und aalglatten Weltrettern die Daten analysiert und interpretiert haben, um auf diese Sensation zu stoßen? Denn die Wahrheit ist, dass in der EU beim Strom der Anteil der erneuerbaren Energien bei 37 Prozent liegt, immer noch nur knapp ein halbes Prozent über dem Anteil der fossilen Brennstoffe mit 36,5 Prozent – und daran hat sich im Laufe der vergangenen Jahre eigentlich nicht viel geändert.
Zudem ist es nicht so, dass die Windenergie, die in der EU einen Anteil von 13 Prozent an der Stromproduktion ausmacht, die Hauptlast bei der Energieversorgung der europäischen Industrie übernimmt, solange 60 Prozent der Energie immer noch importiert werden müssen – der Großteil davon produziert von fossilen Brennstoffen. Wenn Wind- und Solarenergie tatsächlich in der Lage wären, den Strombedarf der europäischen Industrie zu bedienen, warum prahlte dann der Wirtschaftsminister des Wirtschaftsmotors der Union, Robert Habeck, dass er seinen Teil dazu beitragen werde, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin den Finger zu zeigen, indem er seine Zeit unter der Dusche halbiert? Warum musste ich mir im vergangenen Monat in einigen Berliner Hallenbädern den Arsch abfrieren, nachdem dort die Wassertemperaturen gesenkt wurden, um einem Energiesparplan Rechnung zu tragen, wenn Wind und Sonne als ein dermaßen erfolgreiches Duo auftreten?
Deutschland ist zum Kanarienvogel in der Kohlengrube beim grünen Übergang in der EU geworden, nachdem Berlin alles auf eine Karte gesetzt hat. Aber offensichtlich waren Wind- und Solarenergie noch nicht bereit für die Hauptrolle, als der billige russische Gashahn faktisch zugedreht wurde – zunächst durch die von der EU selbst verhängten Sanktionen und schließlich durch die Sprengung der Pipelines in der Ostsee.
In der Folge wurde die deutsche Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen. Das nationale Statistikamt des Landes stuft das wirtschaftliche Umfeld nun als "von mehreren Krisen geprägt" ein, nachdem das BIP im vergangenen Jahr um 0,3 Prozent zurückging, wobei die hohen Energiepreise nur einer der größten Faktoren waren, die dazu geführt haben. Wenn mächtige Windböen im Alleingang die Deindustrialisierung Deutschlands verhindern könnten, während die Industrie auf weniger zimperliche Firmenstandorte ausweicht, dann hätten allein die Reden von Königin Ursula den Zweck längst erfüllt.
In ihren jüngsten Äußerungen beklagte von der Leyen den Versuch des russischen Präsidenten, Europa mit fossilen Brennstoffen zu "erpressen". Gleichzeitig sagte sie aber, dass alles, was davon noch übrig sei, nicht schnell genug vom Markt verschwinden könne. Falls das wie ein Widerspruch erscheint, dann deshalb, weil es einer ist. Die Wahrheit ist, dass Putin nur als bequemer Vorwand für etwas dient, was Brüssel ohnehin schon lange tun will; daran gehindert hat es bislang nur die Furcht, dass der durchschnittliche EU-Bürger aufmucken könnte.
Inzwischen istoffensichtlich, welche Auswirkungen der grüne Wandel auf die Inflation hat, nachdem die Kosten für Energie in die Höhe geschossen sind. Hätte die EU den Spagat vollbracht, Washingtons unermüdlichem Beharren auf einen Verzicht auf Gas aus der Nord-Stream-Pipeline nachzugeben, aber den Europäern gleichzeitig offen zu gestehen, dass sie von nun an bis auf Weiteres auf deutlich teureres US-Flüssigerdgas umsteigen sollen – zumindest bis man herausfinden konnte, wie man die Grundelemente der Erde nutzbar macht –, wären die Leute übergeschnappt und hätten sich gefragt, was zum Teufel da los sei.
Putin kam somit gerade rechtzeitig, um die grüne Energiewende vor der wachsenden Skepsis gegenüber dem Klimawandel zu retten, der die Popularität rechtspopulistischer Parteien gesteigert hat, die dem Brüsseler Establishment vorwerfen, den Klimawandel dafür zu nutzen, die Bürger zur Einhaltung der Brüsseler Agenda zu manipulieren.
Aber welche Agenda ist das genau? In erster Linie ist es die Agenda der Gewinne. Man frage nur die Landwirte, die derzeit in ganz Europa gegen die hartnäckige Brüsseler Bürokratie protestieren, die ihre Produktion zunehmend kontrolliert, indem sie alle möglichen Instrumente einsetzt: Von der Klimaschutzpolitik, bei der wertvolles Ackerland in die Hände des Staates übergeht, bis hin zu einem grenzüberschreitenden Agrarhandel, der die ukrainischen Landwirte gegenüber den Landwirten der EU bevorzugt, zugunsten der vom Westen unterstützten Big-Farming-Konzerne wie Bayer, Monsanto und DuPont.
Als der Ukraine-Konflikt eskalierte, ersetzte Königin Ursula den Vorwand des Klimawandels einfach mit Putin, betonte dann aber weiterhin die Notwendigkeit, Geld in Projekte für erneuerbare Energien zu stecken, die zufällig von europäischen und amerikanischen Großfinanzunternehmen und ihren Investoren dominiert werden, etwa von General Electric, BASF, Shell und BP. Von der Leyen hat selbst angedeutet, dass es dabei nur darum geht, dass sie den Kuchen nicht außerhalb ihres Kaffeekränzchens teilen möchte.
"In der alten Wirtschaft mit fossilen Brennstoffen dreht sich alles um Abhängigkeiten. In der neuen Wirtschaft für saubere Energie geht es vor allem um gegenseitige Abhängigkeiten", sagte von der Leyen und wies darauf hin, dass "saubere Energie überall erzeugt werden kann". Was bedeutet, dass man die Gewinne unter Freunden und Unterstützern aufteilen kann. Interessant ist, dass von der Leyen den Begriff "Interdependenzen" – gegenseitige Abhängigkeit – anstelle von "Unabhängigkeit" verwendet hat. Man könnte meinen, dass nationale Souveränität eine gute Sache wäre. Offenbar jedoch nicht, wenn dies bedeuten könnte, dass ein Land souverän genug auftritt, um Brüssel ins Gesicht zu sagen, dass es sich zum Teufel scheren soll.
Sowohl der Klimawandel als auch die nationale Sicherheit sind in erster Linie gewinnbringende Angelegenheiten. Man sollte diesbezüglich einfach ehrlich sein, anstatt zu versuchen, es mit Appellen an die Tugend und dem Heraufbeschwören von Schreckensszenarien den Bürgern zu verkaufen. Noch besorgniserregender sind jedoch der zunehmende Autoritarismus zur Emissionskontrolle oder die allgegenwärtige "russische Bedrohung" durch die Einführung von Richtlinien und Instrumenten, die auch zur Unterdrückung abweichender Meinungen eingesetzt werden können. Was für Brüssel ein schöner Zusatzbonus zu sein scheint.
Es riecht alles nach verstärkter supranationaler Konsolidierung und Kontrolle über ein System, das neu ausgerichtet wird, um den Mitgliedern einer bestimmten politischen Kaste und ihren Kumpanen zu dienen. Und man ist offenbar bereit, jede Form von Panikmache einzusetzen, die ihrer Meinung nach am besten geeignet ist, um die Massen in die Unterwerfung zu zwingen. Putin sollte wirklich anfangen, Tantiemen für die ständige Nennung seines Namens in den politischen Entscheidungsprozessen des Westens zu verlangen.
Aus dem Englischen.
Rachel Marsden ist eine Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin eines unabhängig produzierten französischsprachigen Programms, das auf Sputnik France ausgestrahlt wird. Ihre Website findet man unter rachelmarsden.com
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