Von Rachel Marsden
Anfang der Woche mischte ich mich unter die Landwirte, die in der Nähe des Brandenburger Tors in Berlin protestierten, und es ist schade, dass die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz nicht von ihrem hohen Ross heruntergestiegen ist, um dasselbe zu tun. Eine verpasste Gelegenheit, von einer dringend benötigten Begegnung mit der Realität zu profitieren.
Stattdessen begnügte sich das Innenministerium damit, die Demonstranten präventiv als anfällig für rechtsextreme Unterwanderung anzuprangern. Bundeskanzler Scholz verlautbarte, dass von "Extremisten gezielt Wut geschürt" werde. Auf meine Frage nach dieser Behauptung von Scholz, reagierten die Landwirte einhellig mit Gelächter, Augenrollen oder mit derben Scherzen. Wenn man einen Hund einschläfern möchte, behauptet man einfach, dass er Tollwut hat – oder mit Rechtsextremen herumhängt.
Obwohl der Protest direkt gegenüber dem Deutschen Bundestag stattfand, berichteten die Landwirte, dass die einzigen Vertreter aus Regierung und Politik, deren Anwesenheit bemerkt worden sei, und die sich über die Anliegen der Demonstranten erkundigt haben, Vertreter der rechtskonservativen Alternative für Deutschland (AfD) waren. Mein Gott, es sieht so aus, als würden sich diese Leute von der AfD die Sache der Bauern bereits zu eigen machen! Oder vielleicht machen sie einfach nur ihren Job, indem sie versuchen, den Kern der Situation tatsächlich zu erfassen, anstatt sie in ein bequemes Narrativ einzufassen, um sie dann abzutun.
Als am 15. Januar, dem Höhepunkt wochenlanger Proteste, schließlich ein Mitglied der Bundesregierung sich bemühte, den Protest zu beehren, betrat Finanzminister Christian Lindner die Bühne und verkündete lautstark, dass die Regierung im Grunde genommen kein Geld mehr habe. "Mehr Staatshilfen aus dem Bundeshaushalt kann ich Ihnen nicht versprechen. Aber wir können gemeinsam dafür kämpfen, dass Sie mehr Freiheit und Respekt für Ihre Arbeit genießen", sagte er.
Ich selbst bin keine Landwirtin – obwohl ich auf einer Farm in Kanada aufgewachsen bin – und trotzdem finde ich eine solche Aussage mehr als ärgerlich. Allerdings hauptsächlich, weil ich eine Frau bin. Denn Lindner klang wie ein Typ, der bei einem Techtelmechtel im Restaurant zugeben muss, dass er pleite ist. Aber anstatt die Rechnung durch zwei zu teilen, verlangt er, dass man für die ganze Sache aufkommt und er fein raus ist. Aber die Bauern verlangen von Berlin keine Begleichung ihrer Rechnungen.
Was sie verlangen, ist, dass das Team Scholz davon absieht, noch mehr von ihrem hart erarbeiteten Geld, in Form von Steuern auf Dieselkraftstoff für landwirtschaftliche Fahrzeuge, an sich zu reißen. Insbesondere in einer Zeit, in der die deutsche Regierung versucht, Russland und dem Schreckgespenst des Klimawandels für alles die Schuld zu geben, wird es den Landwirten zunehmend schwerer gemacht, ihre Aufgabe zu erfüllen und das Land zu ernähren, weil die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Energie aus fossilen Brennstoffen verknappt wird.
Als ob die Landwirte dieser Regierung nicht bereits genug abgeben würden. Ein Landarbeiter erzählte mir, dass sein Chef für seine Arbeit ein Budget von 3.300 Euro im Monat zur Verfügung habe und dass nach der Zahlung aller Abgaben an den deutschen Staat sein Endgehalt bei maximal 1.400 Euro liege. Wohin geht also das ganze restliche Geld?
Hier ist ein Hinweis. Scholz sagte im vergangenen Herbst, Deutschland müsse "in der Lage sein, der Ukraine auf der Grundlage von Solidarität zu helfen. Wir unterstützen die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf mit finanziellen Mitteln und Waffen." Doch den deutschen Bauern wird nicht nur gesagt, dass sie Kuchen essen sollen, wenn sie kein Brot haben, sondern dass sie auch für die fehlgeleitete Politik der Bundesregierung aufkommen müssen.
Das Team Scholz hat ein Loch in den eigenen Haushalt gerissen, indem es Gelder aus einem Fonds, der für die Linderung der Folgen der COVID-Pandemie vorgesehen war, in einen "Fonds für Klima- und Transformation" transferierte, dann – nach einem Gerichtsbeschluss – die Gelder nicht im vollen Umfang zurück buchen konnte, was zu einem Defizit von 17 Milliarden Euro und einem Gerangel führte, die fehlenden Gelder durch Sparmaßnahmen irgendwie wieder hereinzuholen. Scholz möchte also, dass die Bauern für seine offene Rechnung und für sein Fehlverhalten den Kopf hinhalten. Und wenn sie sich weigern, dann sind die Bauern zwangsläufig von Rechtsextremisten unterwandert. So einfach ist das.
Im Gegensatz zur aktuellen Bundesregierung sind die Landwirte stolz auf ihre Produktivität und ihre Selbstgenügsamkeit, weshalb sie für die Raffzähne im Bundestag ein lukratives Ziel sind. Als Deutschland von Überschwemmungen heimgesucht wurde, waren es die Bauern, die an vorderster Front standen und Menschen retteten, noch bevor die Bundeswehr und das THW vor Ort waren. Während der gesamten Protestwoche bei Minustemperaturen trotzten die Bauern der Witterung mithilfe von mehreren großen Heizöfen, die mit Brennholz betrieben wurden. Viele schliefen die ganze Woche über in ihren Lastwagen oder Traktoren. Es ist kaum verwunderlich, dass Feuerwehrleute in den sozialen Medien ihre Unterstützung und Bewunderung für diese Menschen zum Ausdruck brachten, da viele Landwirte in ihren ländlichen Gemeinden auch als freiwillige Feuerwehrleute tätig sind.
Während er sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite in seinem Kanzleramt verschanzt, begleitet von lautstarkem Gehupe der Traktoren und Lastwagen, ist die Popularität von Scholz auf rund 20 Prozent abgesackt. Laut einer INSA-Umfrage vom Anfang des Monats unterstützen 69 Prozent der Deutschen die Proteste und Anliegen der Bauern. Ist dem Bundeskanzler klar eigentlich geworden, dass er vielleicht ein Ego-Problem hat, wenn sich ein so überwältigender Teil der Bevölkerung, von rechts bis links, in einer Sache einig ist?
Die Solidarität und Einheit, die vor dem Brandenburger Tor – einst ein im Niemandsland zwischen Ost- und West-Berlin gelegenes Symbol der deutschen Teilung – zu beobachten war, war erstaunlich: Von der Frau im Hijab, die Suppe verteilte, bis zu Berlinern mit Migrationshintergrund, die durch die Menschenmenge gingen und ihre Unterstützung zum Ausdruck brachten. Zu den Traktoren gesellten sich nicht nur Lastwagen, sondern es wurde auch bekannt, dass Landwirte und Lastwagenfahrer aus den Niederlanden auf der Autobahn A2 in Richtung Berlin unterwegs waren. Es gab auch Gerüchte, dass polnische und russische Lastwagenfahrer an der nur wenige Stunden entfernten polnischen Grenze ihre Kräfte bündeln würden und sich auf den Weg machen wollten.
Nicht nur Landwirte und Lastwagenfahrer haben die Nase voll. Die Leute, die tatsächlich die Züge der Deutschen Bahn fahren, streikten in derselben Woche als auch die Bauern protestierten. Während die Regierung mit ihnen über den Antrag ihrer Gewerkschaft auf einen einmaligen Mitarbeiterbonus in Höhe von 3.000 Euro feilscht, um die durch den Staat verursachte Inflation abzufedern, ist es ihr dennoch gelungen, für jeden der neun Spitzenmanager des vollständig regierungsnahen Bahnunternehmens mehrere Millionen Euro zusätzlich aufzutreiben.
Während einige Landwirte das Geschehen rund um das Brandenburger Tor live auf TikTok in die Welt übertrugen, durchsuchten andere die App nach Nachrichten über ähnliche Ereignisse anderswo, als Teile eines riesigen Puzzles, das ein viel größeres Bild der Unzufriedenheit mit dem westlichen Establishment zeigt. Niederländische Landwirte, in Solidarität mit ihren deutschen Kollegen, wurden von der eigenen Regierung unter Druck gesetzt, ihr Ackerland an den Staat abzugeben, im Rahmen der europäischen Klimarichtlinien, die eine Reduzierung des durch den Stuhlgang von Kühen erzeugten Stickstoffs vorschreiben.
Der Direktor des französischen Bauernverbandes (FNSEA), Arnaud Rousseau, unterstützte die Proteste der deutschen Landwirte und sagte, dass "diese Bewegungen alle dieselben Ursachen haben: die wachsende Kluft zwischen der Realität der Landwirtschaft vor Ort und den zentralisierten Verwaltungsentscheidungen in Brüssel." Er fügte hinzu, dass mittlerweile 55 Prozent des französischen Hühnerfleischs aus der Ukraine stamme, was den Verkaufspreis einheimischer Landwirte unterbiete. In ähnlicher Weise wehren sich polnische und rumänische Landwirte nun aktiv gegen die Überschwemmung ihrer eigenen Märkte durch billige ukrainische Agrarprodukte, nachdem die EU die Beschränkungen für Waren und Dienstleistungen für ukrainische Produzenten bis mindestens Juni 2024 aufgehoben hat.
Unterdessen haben osteuropäische Lkw-Fahrer dagegen protestiert, dass ukrainische Lkw-Fahrer ihre Arbeitsplätze in der EU gefährden, weil sie die ukrainisch-polnischen Grenzübergänge so massiv verstopfen, dass es zu Wartezeiten von bis zu 127 Stunden kommt, was den Anschein erweckt, dass ein Handel zwischen Polen und der Ukraine über den Sueskanal zügiger ablaufen würde.
"Wir haben uns die Argumente der Landwirte zu Herzen genommen und unsere Vorschläge überarbeitet. Ein guter Kompromiss", sagte Scholz und verwies auf seinen Plan, die Abschaffung der Steuererleichterungen auf Agrardiesel jetzt schrittweise durchzuführen. Das ist so, als würdest du von jemandem verlangen, dass er deine Schulden in Raten bezahlt, während du weiterhin einem Clown Geld zusteckst, der vor seiner Wahl zum Präsidenten der Ukraine vor allem dafür bekannt war, dass er vor Publikum mit seinem Penis Klavier gespielt hat. Und das, während du davon besessen bist, Kohlenstoffmoleküle in der Luft zu zählen, so wie ein Hollywood-Sternchen die Kalorien.
Das politische Schicksal von Scholz und das des deutschen Establishments liegen in seinen eigenen Händen. Und er sollte damit beginnen, seine Finger aus den Geldbörsen der Bauern zu ziehen, bevor er bei den nächsten Wahlen einen Regimewechsel erlebt und die Macht verliert.
Aus dem Englischen.
Rachel Marsden ist eine Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin eines unabhängig produzierten französischsprachigen Programms, das auf Sputnik France ausgestrahlt wird. Ihre Webseite findet man unter rachelmarsden.com
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