Von Gert Ewen Ungar
Die ganz große Koalition ist einverstanden mit der von der Ampel angekündigten Verdoppelung der Militärhilfe für die Ukraine. Deutschland hat anscheinend 8 Milliarden Euro übrig und kann das Geld der Ukraine zur Verfügung stellen. Die Fraktion der CDU/CSU mäkelt zwar noch ein bisschen. Sie findet es nicht richtig, dass die Bundesregierung beabsichtigt, die Militärhilfe für die Ukraine als eigene Militärausgaben zu verrechnen. Mit der Anrechnung hätte die Bundesrepublik die NATO-Vorgabe, endlich mindestens 2 Prozent des BIP für das Militär auszugeben, automatisch übererfüllt. Ein anderes Problem sieht die CDU dabei jedoch nicht. So macht man in Deutschland inzwischen "Opposition".
In ihrer Breite setzen führende deutsche Politiker damit weiter auf Eskalation und erwecken zusätzlich den Eindruck, von der Realität gut abgeschirmt zu sein. Ihr Beharren darauf, dass die Ukraine unbedingt zu einem Sieg über Russland befähigt werden muss, hat angesichts der Gegebenheiten auf dem Schlachtfeld viel von Hitlers Beharren, die 6. Armee müsse aus der Schlacht um Stalingrad siegreich hervorgehen. Das kostete und kostet auch heute wieder viele Menschenleben und ändert doch nichts am Ergebnis. Die Ukraine hat keine Möglichkeit, diesen Krieg für sich entscheiden zu können. Jeder weiß das.
Dennoch klopft die deutsche Außenministerin markige Sprüche. "Putin freut sich zu früh", sagte Baerbock am Montag auf dem Außenministertreffen der EU-Staaten in Brüssel, bei dem sie die Verdopplung der deutschen Militärhilfen bereits ankündigte. Sie machte damit deutlich, dass die deutsche Regierung nach wie vor kein Interesse an einem Ende des Kriegs in der Ukraine hat, sondern darüber hinaus bereit ist, das Sterben ukrainischer Soldaten auf deutsche Staatskosten weiter zu verlängern. Was den Tod auf Schlachtfeldern angeht, war Deutschland schon immer äußerst spendabel.
Außerhalb der Berliner Politiker- und Medien-Blase herrscht Einigkeit darüber, dass die sogenannte Gegenoffensive der Ukraine gescheitert ist. Die Ukraine verfügt zudem nicht mehr über genügendes Potenzial, im kommenden Frühjahr eine weitere Offensive zu starten. Die Ukraine ist militärisch und wirtschaftlich erschöpft, das Land blutet in jeder Hinsicht aus.
Dabei sind die Informationen zu einem sich abzeichnenden Ende der Kampfhandlungen selbst im deutschen Mainstream durchaus präsent. "Der Ukraine gehen die Soldaten aus", titelte beispielsweise die Frankfurter Rundschau bereits im August. Die taz informiert ihre grüne Leserschaft über das Absenken der Voraussetzungen zur Einberufung. Im locker-flockigen Ton heißt es dort:
"Das Verteidigungsministerium hat derweil den Kreis mobilisierungspflichtiger Personen ausgeweitet. Dazu gehört auch eine aktualisierte Liste von Erkrankungen sogenannter 'eingeschränkt wehrfähiger Männer'. Dem Dokument zufolge können nun auch Personen mit Diagnosen wie geheilter Tuberkulose, Virushepatitis oder Erkrankungen des endokrinen Systems mit geringfügigen Funktionsstörungen einberufen werden."
Diskutiert wurde bereits, die Auslieferung von ins EU-Ausland geflohenen Ukrainern zu beantragen, die sich damit ja schließlich der Wehrpflicht entzogen hätten. Faktisch ist die Ausreise aus der Ukraine für Männer im wehrfähigen Alter längst verboten. Auch darüber ließen sich Informationen in deutschen Medien finden. Allein den sich aus alledem notwendigerweise ergebenden Schluss wollen deutsche Politiker partout nicht ziehen: Es geht zu Ende.
Ebenso weiß man in Deutschland, dass der ganzen NATO die Munition ausgeht. Die Produktion von Granatmunition kann leider nicht kurzfristig hochgefahren werden. Die EU hinkt mit ihren Lieferungen den Versprechungen weit hinterher. Nur den folgerichtigen Schluss daraus will man nicht ziehen. Der Westen ist dabei, den Stellvertreterkrieg in der Ukraine zu verlieren. Der gesamte, faktisch seit 2008 mit der Einladung der Ukraine zum NATO-Beitritt vorbereitete und herbeieskalierte Krieg in der Ukraine entpuppt sich als Schlag ins Wasser.
Doch an eine Überprüfung der Ziele, an Verhandlungen oder gar geschickte Diplomatie, oder einfach nur an einen Moment des Innehaltens denkt in Regierungskreisen und in der längst still kooptierten CDU-Opposition weiterhin niemand. In Berlin bleibt man dem ausgegebenen Ziel treu: die Befähigung der Ukraine zum Sieg über Russland, ein Durchstoßen der ukrainischen Armee durch die russischen Linien, der Vorstoß zum Asowschen Meer und das Abschneiden der russischen Truppen von deren Versorgung, schließlich der Sieg! "Russland muss verlieren lernen", tönte der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter.
Nach einem Sieg könnten Russland endlich die (deutschen) Bedingungen für einen Frieden diktiert werden. Dass man beabsichtigt, Russland zu demütigen, wird nicht verschleiert. Das Beharren auf einem ukrainischen Sieg ist von ähnlichem Wahnsinn, ähnlich irre und sinnlos wie der Kampf um Stalingrad "bis zum letzten Atemzug der 6. Armee".
Geistig und moralisch ist das politische Deutschland also wieder dort angekommen, wo die Nazi-Führung 1945 aufgeben musste. Deutschland steht wieder kompromisslos für die Durchsetzung seiner Ziele mit Gewalt und für eine menschenverachtende Politik. Menschenleben zählen für Baerbock, Scholz, Pistorius und eine ganze Reihe weiterer deutscher Politiker nicht. Sie sind lediglich eine militärische Verfügungsmasse zur Verwirklichung politischer Ziele. Nur der Sieg über den Feind zählt. Den gilt es hinabzudrücken. Der Feind ist Russland.
Es gibt Stimmen, die sagen, Berlin könne nicht anders – es sei ja nur ein Vasall. Aber in seiner Kriegslüsternheit hat die deutsche Politik den US-Hegemonen längst überholt. Deutschland verdoppelt die Militärhilfe, andere Länder tun das nicht, sie überdenken vielmehr die Zweckmäßigkeit. In den USA ist die weitere Unterstützung der Ukraine fraglich geworden. Kriegsmüde sind auch die deutschen Mitbürger. Aus der Zivilgesellschaft kommen Töne, die zur Mäßigung mahnen. Dort gibt es den vielfachen Wunsch nach Frieden. Diese Bundesregierung ist des sinnlosen Tötens jedoch noch längst nicht überdrüssig. Es geht also immer noch ein bisschen weiter. Der Tod bleibt ein Meister aus Deutschland.
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