Von Gert Ewen Ungar
Nach dem Militärputsch in Niger verboten die Machthaber unmittelbar zwei französische Sender. Der Grund ist klar: Die Möglichkeiten der Einmischung Frankreichs in die inneren Angelegenheiten Nigers sollen beschnitten werden.
Die Sprecherin für auswärtige Angelegenheiten und Sicherheitspolitik der EU, Nabila Massrali, verurteilte in einem Tweet das Verbot des französischen Auslandssenders France 24 und des vom französischen Außenministerium finanzierten Radiosenders RFI in Niger. Sie sieht durch das Verbot grundlegende Freiheiten bedroht, vor allem das Recht auf Informations- und Pressefreiheit.
Der Tweet war kaum online, da kommentierte ihn die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, und verwies auf die umfassende Zensur in der EU und die damit einhergehenden Verbote gegen russische Medien wie RT und Sputnik.
Die Widersprüchlichkeit ist offensichtlich und lädt geradezu zu Spott über die sich selbst entlarvende Doppelmoral der EU ein. Dabei gibt es in diesem Zusammenhang sogar noch einen eklatanten Unterschied, denn Frankreich strebt ganz offen danach, sich in die inneren Angelegenheiten Nigers einzumischen und fordert, den sowohl Frankreich als auch der EU wohlgesonnenen Präsidenten Mohammed Bazoum wieder einzusetzen.
Frankreich und die EU befürworten darüber hinaus die Gewaltandrohung der westafrikanischen Staatengruppe ECOWAS. Es ist offenkundig, dass Frankreich nach Einflussnahme strebt. Die EU hat unmittelbar nach dem Putsch erklärt, sie würde die neue Regierung in Niger nicht anerkennen und fordert ebenfalls die Wiedereinsetzung des bisherigen Präsidenten. Sie hat sich mit diesem Bruch der internationalen Regeln, nach denen Staaten und nicht Regierungen anerkannt werden, erneut in die Ecke manövriert. Von einer solchen direkten Einflussnahme in die inneren Angelegenheiten der EU und der westlichen Staaten ist Russland weit entfernt. Russland betrachtet die EU nicht als Kolonie, Frankreich und die EU tun das bezüglich des Sahel und der Länder Westafrikas durchaus.
Auch wenn in Deutschland permanent das Gegenteil behauptet wird, mischen sich russische Medien nicht in die Angelegenheiten anderer Staaten ein. Sie stellen lediglich Informationen und Meinungen bereit und stören schon durch diese ganz normale journalistische Arbeit die dortige Propaganda. Es sagt viel über die Einseitigkeit der Berichterstattung aus, wenn sich die EU mit Verboten gegen die Verbreitung einer russischen Sicht auf politische Entwicklungen "schützen" muss. Auch wenn die EU etwas anderes behauptet, der Beweis, dass sich russische Medien in Wahlen und demokratische Prozesse außerhalb des im Rahmen von journalistischer Arbeit Zulässigen einmischen, konnte bisher nicht erbracht werden. Das Argument, mit der Zensur würde die Pressefreiheit geschützt, ist obendrein zynisch.
Die Auslandssender Russlands berichten über das, was die Medien der EU auslassen. Im Ukraine-Konflikt sind das unter anderem die Kriegsverbrechen der Ukraine, der Beschuss von Donezk und Lugansk und die damit verbundenen Konsequenzen, von denen westliche Medienkonsumenten keine Ahnung haben. Dort glaubt man aufgrund der Desinformation in den EU-Staaten allen Ernstes, die Menschen in der Ostukraine sehnen sich nach nichts anderem, als von Russland befreit zu werden, um wieder Teil der Ukraine zu sein. Das geht an den tatsächlichen Entwicklungen völlig vorbei.
Die Ostukraine wird von der eigenen Regierung und mit Duldung und Unterstützung des Westens beschossen. Dass sich die Menschen dort nichts sehnlicher als die Anbindung an Kiew und Brüssel wünschen, kann daher getrost ins Reich der westlichen Desinformation verwiesen werden. Mit genau diesem Unsinn allerdings werden die Menschen in der EU und vor allem in Deutschland rund um die Uhr zugeballert. Die EU hat sich in eine Blase der Desinformation gehüllt. Das Verbot von RT dient nicht dem Schutz der Pressefreiheit, sondern dem Schutz der Blase aus Desinformation vor der Implosion durch Konfrontation mit Fakten.
Das wirft ein Schlaglicht auf ein zentrales Problem der Zensur in der EU. Durch den Fokus darauf, nur noch die westliche Sichtweise auf politische Entwicklungen und vor allem den Konflikt in der Ukraine zuzulassen, haben die Bürger der EU den Kontakt zur politischen Realität verloren. Wer sich täglich aus deutschen Medien informiert, die Süddeutsche liest, sich einmal in der Woche den Spiegel gönnt und abends um acht die Tagesschau einschaltet, hat von dem, was in der Welt, in der Ukraine und in Russland passiert, keinen blassen Schimmer. Es gelang, erneut ein umfassendes System der Desinformation zur Kontrolle der Meinung der Bürger zu errichten. Darin liegt auch der Grund für das Verbot von RT DE. Der Grund ist nicht, dass RT DE viel Falschinformation bringt, sondern die westliche Propaganda durch soliden Journalismus bei der Arbeit stört.
Angesichts der umfassenden Verbote in der EU, der staatlichen Koordination der Narrative innerhalb der EU, der massiven und wiederholten Verstöße gegen die grundlegenden Prinzipien der Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit wirkt die Sorge um ebendiese Rechte in Niger unglaublich verlogen. Die EU hat sich damit erneut der Lächerlichkeit hingegeben.
Sacharowa ist zuzustimmen, wenn sie fordert, Massrali solle sich um die Durchsetzung der Freiheitsrechte in der EU kümmern, bevor sie sich in anderen Ländern einmischt, auch wenn klar ist, dass kein Politiker in der EU und in Deutschland sich für die Aufhebung der umfassenden Zensurmaßnahmen einsetzen wird. Aber es ist notwendig, immer wieder den Finger in die Wunde zu legen.
Nein, die EU, nein Deutschland steht nicht für den freiheitlichen und demokratischen Wertekanon. In kaum einem anderen Land wird so umfassend Propaganda und Desinformation verbreitet wie aktuell in Deutschland. Und nein, das ist nicht der Russe, der das tut. Es sind die großen deutschen Medienhäuser sowie die GEZ-Medien, die sich die Narrative von der Politik vorgeben lassen und sie weiterverbreiten. Das allerdings nicht erst seit dem 24. Februar 2022, seitdem aber noch einmal verstärkt.
Aber es geht dabei noch um etwas mehr, denn es ist ganz offenkundig, dass die EU im Fall von Niger beabsichtigt etwas zu tun, was sie Russland vorwirft: Die Pressefreiheit zur Einflussnahme und Einmischung zu nutzen. Frankreich und die EU greifen zu genau den Mitteln, die sie mit Zensur gegen russische Medien glauben bekämpfen zu müssen. Dabei liegen die Unterschiede auf der Hand: Russland glaubt, es habe das Recht, mit den Mitteln des Journalismus seine Sicht auf die Welt zu verbreiten. Frankreich glaubt, noch heute seinen ehemaligen Kolonien Vorgaben machen und dazu Medien nutzen zu dürfen. Die EU glaubt, die Kontrolle über Narrative haben zu müssen, um darüber die Bürger zu steuern. Das sind fundamentale Unterschiede in der Haltung zum Journalismus und seinem Zweck.
Fakt ist nämlich auch, dass die EU im Verbreiten von Propaganda, die weit jenseits der Fakten liegt, Russland weit übertrifft. Die Ukraine steht für Demokratie beispielsweise, ist eine derart einfach zu widerlegende Behauptung, die trotz ihrer Unwahrheit penetrant wiederholt wird, so lange, bis sie auch der letzte glaubt. Die EU gibt Narrative vor, die mit der Realität nichts zu tun haben.
Eine weitere ist, dass die EU ein Hort der Meinungs- und Pressefreiheit ist. Das ist falsch. In der EU herrscht ein strenges Regime der Unterdrückung grundlegender Freiheiten. Schon aus diesem Grund ist die zur Schau gestellte Sorge Massralis um die Pressefreiheit in Niger unglaubwürdig. Die EU und ihre Länder müssen die Bedeutung von Pressefreiheit für Demokratien erst wieder lernen, sich in diesem Lernprozess selbst reformieren, um sie glaubhaft in anderen Regionen der Welt vertreten zu können.
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