Von Dagmar Henn
Im Lauf der Jahre, nach dem Lesen vieler verschiedener Gesetzestexte, stellt man fest, dass es auch bei Gesetzen nicht nur gute und schlechte, sondern auch schöne und hässliche gibt. Ein schönes Gesetz wahrt die Balance zwischen gesellschaftlichem Ordnungsanspruch und Respekt vor dem Individuum; es ist meist klar und verständlich. Für jeden Teil Deutschlands könnte ich ein Gesetz benennen, das in meinen Augen schön ist – das Kinder- und Jugendhilfegesetz für die Bundesrepublik und das Strafgesetzbuch für die DDR. Die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes ist das genaue Gegenteil.
Wenn man dieses Gesetz liest, ist man froh, kein Haus und keine Wohnung zu besitzen. Man erkennt gewisse Züge, die schon aus der einstigen großen Errungenschaft der Grünen in der Regierung Schröder, der Energieeinsparungsverordnung (EnEV), eine Katastrophe machten. Die EnEV gab vor, bei jeder größeren Erhaltungsmaßnahme, wie beispielsweise einer Fassadenerneuerung, die sich stetig verschärfenden Vorgaben einhalten zu müssen, also beispielsweise ein Mehrfamilienhaus nicht nur neu verputzen und streichen zu dürfen, sondern gleichzeitig auch dämmen zu müssen. Die Kosten, die dadurch entstanden, waren aber zu hoch, um am Ende noch bezahlbare Mieten zu erhalten; weshalb damals bereits Wohngenossenschaften die Konsequenz zogen, Erhaltungsmaßnahmen zu unterlassen und stattdessen die Gebäude eher abzunutzen und dann irgendwann neu zu bauen.
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) beinhaltet den gleichen Grundfehler (wenn es denn ein Fehler ist) wie damals die EnEV. Die reale Situation realer Menschen wird schlicht nicht bedacht. In den meisten Regionen Deutschlands gibt es weder einen Spielraum, um die Mieten weiter nach oben zu treiben, noch haben Menschen, deren letztlich verfügbares Einkommen noch weiter verringert würde, eine Möglichkeit, irgendwohin auszuweichen. In Städten, deren Bewohner jetzt schon im Durchschnitt 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufwenden müssen und unter real sinkenden Löhnen und Sozialleistungen leiden, ist es letztlich egal, ob acht oder zehn Prozent der erzwungenen Modernisierung auf die Miete umgelegt werden, weil sie schon die acht Prozent nicht zahlen können.
Die ursprüngliche Version dieses Gesetzes diente vor allem dazu, den Energieausweis für Gebäude einzuführen. Auch das etwas, was als tolle und wichtige Maßnahme verkauft wurde, am Ende aber nur einen Berg unnötiger Bürokratie erzeugte. Denn die Einzigen, für die diese Information tatsächlich von Bedeutung war, sind institutionelle Großanleger. Mieter? Die müssen seit vielen Jahren schon froh sein, wenn sie überhaupt eine Wohnung finden. Käufer für selbstgenutzte Eigentumswohnungen? Für sie ist das nur eine von vielen Informationen, die in die Entscheidungsfindung einfließen, und das, was sie an Information nutzen, ist auch ohne den Aufwand einer Zertifizierung zu haben.
Und letztlich werden die dadurch ausgelösten Bemühungen, eine möglichst gute Bewertung zu erreichen, der Gesamtheit in absehbarer Zeit böse auf die Füße fallen; denn je höher die Anforderungen an die zweitniedrigste Bewertungsstufe sind, desto mehr Gebäude werden dann bei voller Funktionstüchtigkeit demnächst durch EU-Vorschrift für unbewohnbar erklärt.
EU-Vorschrift ist übrigens ein gutes Stichwort im Zusammenhang mit dem GEG. Es entspricht genau dieser Geschmacksrichtung. Ein schönes Beispiel dafür sind die Paragrafen 60a und 60b, bei denen es um "Prüfung und Optimierung" von Heizungsanlagen geht. Alles, was geprüft wird, muss schriftlich bescheinigt werden. Das klingt unschuldig, und die Liste der Berufe, die diese Prüfungen durchführen können, ist vergleichsweise lang. Aber ein entscheidender Punkt wird dabei übersehen.
Menschen, die ein Handwerk zum Beruf wählen, tun das nicht, weil sie leidenschaftlich gerne Formulare ausfüllen und Schreibkram erledigen. So jemand wird Kaufmann oder Buchhalter. Wer Heizungsinstallateur wird, schraubt gerne an Rohren. Die EU hat beispielsweise den Metzgern auferlegt, beim Räuchern von Würsten die Innentemperatur derselben nicht nur regelmäßig messen, sondern zu auch protokollieren. Seitdem unterlassen es viele lieber ganz, überhaupt noch Würste zu räuchern.
Das ist im Grunde die Negativversion jener Technik, die vor einigen Jahren als "Nudging" durch die Presse ging, eine subtile, indirekte Form der Abschreckung. Offiziell geht es um Hygiene und Gesundheit. Inoffiziell wird das Ziel, weitere Teile der Nahrungsmittelproduktion zu monopolisieren, mithilfe bürokratischer Hürden sichergestellt. Genau wie die Verpflichtung für Kommunen (die immerhin zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen tätigen), Aufträge europaweit auszuschreiben, nicht nur die Bürokratie in den Kommunen vergrößert, sondern auch die Hürden für die Bewerbung um solche Aufträge massiv heraufgesetzt hat, was eben zulasten des kleinen Handwerks ging, das nicht nur plötzlich gegen billigere Konkurrenz aus Nachbarländern antreten, sondern, um sich überhaupt bewerben zu können, erst einmal Kosten stemmen musste.
Selbst kleinere Vermieter dürften an der Datensammelwut des GEG verzweifeln. Der Aufwand, der betrieben werden muss, allein um Art und Umfang dieser Nachweispflichten zu begreifen, ist so hoch, dass er erst dann einfach zu bewältigen ist, wenn eine einzelne Person mit nichts anderem mehr beschäftigt ist. Abgesehen davon, dass sich die Aufzeichnungsanforderungen so lesen, dass Steuererklärungen dagegen schon ein angenehmes Nachmittagsvergnügen sind, es ist schlicht ein weiterer Schritt in Richtung einer generellen Überforderung.
Wer kennt das nicht? Bei der zweiten Generation Betriebssystem auf dem eigenen Rechner fühlt man sich noch auf der Höhe des technischen Fortschritts und betrachtet die Neuerungen ein klein wenig wie früher frisch glänzende Autofelgen. Bei der fünften zögert man die Umstellung schon so lange irgend möglich heraus, weil man wirklich keine Lust mehr hat, sich bei täglichen Handlungen schon wieder neu orientieren zu müssen. Kaum jemand freut sich, wenn der Supermarkt wieder die Regale umgestellt hat. Und in letzter Zeit deuten manche Reaktionen, wie etwa bei der Neustrukturierung der Grundsteuer, darauf hin, dass für viele die Grenze des Erträglichen längst erreicht ist.
Aber dann gibt es die Strafandrohungen. Die finden sich in § 108. Mit solchen Schönheiten wie: "... entgegen § 71b Absatz 1 Satz 3 oder Absatz 2 Satz 5 eine Bestätigung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erbringt." (Der zitierte Paragraf 71 reicht übrigens bis 71p). Dieses konkrete Beispiel verhängt Strafen über Wärmenetzbetreiber, die die Bescheinigungsanforderungen nicht erfüllen ... die jeweils dem "Anschlussnehmer" gegenüber bestätigt werden müssen. Statt also beispielsweise ein Fernwärmenetz an einem Stück zu zertifizieren, wenn man diesen Unfug denn treiben zu müssen meint, und die Anforderungen an den Einzelnen, der ja dann diese Bescheinigungen auch vorlegen können muss, auf den simplen Nachweis zu begrenzen, an Netz X oder Y zu hängen, sollen von den "Wärmenetzbetreibern" jedem einzelnen Bescheinigungen zugeschickt werden.
Sicher, Bundestagsabgeordnete leben in einer Umgebung, in der sie alle bürokratischen Anforderungen auf ihre Beschäftigten abwälzen können, und mit ihrer Steuererklärung belästigen sie ihren Steuerberater. Sprich, sie haben wenig persönlichen Kontakt mit den Qualen der Bürokratie. Aber das GEG verhängt bürokratische Anforderungen in einer Hemmungslosigkeit, wie man sie selten erlebt. Verglichen damit sind jene des SGB II oder des Wohngeldgesetzes harmlos, und die wurden extra dafür geschaffen, die Armen zu zermürben.
Dabei werden sogar Berechnungen geliefert. Die Pflicht zum Austausch diverser Pumpen in Heizanlagen und Heißwassersystemen bis Ende Dezember 2026 soll angeblich alle betroffenen Bürger insgesamt 62 Millionen Euro kosten, nur 310 Euro pro Fall, aber jährlich eine Einsparung von 24,63 Millionen bringen. Wenn dem so ist, warum ist es dann erforderlich, das überhaupt zu einer gesetzlichen Pflicht zu machen? Wäre dann nicht der ökonomische Anreiz groß genug, um das ganz ohne staatliches Eingreifen zu tun?
Das Problem ist, dass, wie bei der EnEV, die vorgelegten Berechnungen der Realität nicht standhalten dürften. Damals wurde versprochen, dass die Einsparungen an Heizkosten die Modernisierungskosten überträfen. Das war spätestens seit der EnEV 2009 aber nicht mehr der Fall, im Gegenteil, der Anteil von Maßnahmen, die im Verhältnis zur Einsparung überproportional hohe Kosten auslösten, wurde von Version zu Version höher. Genau aus diesem Grund ist die EnEV schließlich gescheitert.
Das GEG greift noch weit tiefer in einen eigentlich privaten Bereich ein, als die EnEV es tat. Da ist nicht nur die ökonomische Feindseligkeit, die selbst dort, wo angeblich ein konkreter Nutzen vorhanden sein soll, auf Zwang und Strafe setzt. Es wird auch die (ohnehin schon finanziell beschränkte) Entscheidungsmöglichkeit genommen, wo wie geheizt wird. Für jene, die sich noch aus den Beschränkungen des Mieterlebens herauswinden konnten, ein tiefer Eingriff, gerechtfertigt lediglich mit einem Glauben, der nur zum Schein wissenschaftlich belegt ist.
Man kann förmlich riechen, wie sich das fortsetzt. Mit Vorschriften, in welcher Art Topf man das Essen zu kochen habe, beispielsweise, oder, was sich bereits abzeichnet, wie viel Fleisch man überhaupt verzehren darf. Erstaunlich ist daran vor allem, dass der Klimaglaube ohnehin so massiv auf allen Kanälen verkündet wurde, dass ein großer Teil der Bevölkerung sowieso bereit wäre, für die "Rettung des Klimas" alles Mögliche zu tun oder zu lassen, und einzelne Teile in Dauerpanik versetzt wurden. Wenn man diesen Zustand erreicht hat, wozu dann noch Zwang und Strafe?
Das ist dann der Punkt, an dem klar wird, wie weit das GEG das Gegenteil der oben erwähnten schönen Gesetze ist. Beide, das KJHG und das DDR-Strafgesetzbuch, gehen nämlich davon aus, dass der Mensch grundsätzlich entwicklungsfähig ist und bestrebt, nicht nur im Sinne des individuellen, sondern auch des kollektiven Nutzens zu handeln. Das GEG geht davon aus, dass der Mensch schlecht ist und überwacht und bestraft werden muss. Er ist sogar so schlecht, dass man ihn zu Dingen nötigen muss, die ihm angeblich zum messbaren materiellen Vorteil gereichen.
Der Geist, der aus dem GEG spricht, ist der gleiche, der es zu Corona-Zeiten ermöglichte, Nachbarn wegen zu großer Kindergeburtstage zu denunzieren. Wobei die Bestrafung nicht erst beim Bußgeld beginnt, sondern schon bei den bürokratischen Anforderungen davor. Und alles das im Namen einer Ideologie, die so fundiert ist wie die jungfräuliche Empfängnis.
(Ganz zu schweigen von einer symbolischen Ebene, die über den ganzen Komplex von Wärme/Zuwendung und Herrschaft über das Feuer/Sicherheit einen Bereich unterwirft, der bis tief ins Unbewusste reicht.)
All das wäre vermutlich nicht so gravierend, herrschte in der deutschen Gesellschaft eine Stimmung von Aufbruch und Optimismus. Das ist nicht der Fall, im Gegenteil. Auf diese Landschaft in gedrückter Stimmung legt sich nun ein hyperbürokratisches Gesetz wie ein öliger Schmierfilm.
Wirklich, EU-Verordnungen sind in etwa die widerlichsten Gesetzestexte, die es gibt. Sie sind gar nicht dafür gedacht, von Hinz und Kunz verstanden zu werden, im Gegenteil (in Deutschland gibt es eine Tradition in dieser Richtung, in Gestalt des Steuerrechts, das so kompliziert ist, dass es einen eigenen Beruf dafür gibt, den Steuerberater, der in den meisten Ländern auf diesem Planeten unbekannt ist). Im Regelfall kann man Gesetze, die auf die Erzeugung von Spezialisten zu ihrer Entzifferung zielen, schon an der Menge von Querverweisen und Unterziffern erkennen, die den normalen Leser schnell verzweifeln lassen.
Das GEG kann mit EU-Verordnungen mühelos mithalten. Während die beiden schönen Gesetzestexte für jeden verständlich sind, wird sich das GEG nur einem Juristen mit Zusatzausbildung als Heizanlagenbauer vollkommen erschließen. Was ebenfalls signalisiert, welchen Stellenwert die Demokratie bei den Verfassern besitzt. Denn ein Gesetz in einer demokratischen Gesellschaft sollte so verfasst sein, dass jedermann es verstehen und darüber befinden kann. Das GEG könnte bestenfalls als abschreckendes Beispiel dienen.
Das passt allerdings zu einer Sicht auf die gewöhnliche Bevölkerung, die stets von oben nach unten verläuft. Die den Staat als erzieherische Anstalt begreift, deren Zweck die Züchtigung ist; der Leviathan des Heizungswesens gewissermaßen, der aber weit über das Gewaltmonopol hinausgreift, das Hobbes einst als Konsequenz aus dem britischen Bürgerkrieg formulierte; ein Staat, der sich die absolute Gewalt über die Bestimmung von Gut und Böse aneignet, Prediger und Inquisitor in einem. Die Bestimmung darüber, welche Vorgaben diese erzieherische Anstalt macht, wird den Bürgern völlig entzogen und in die Hände von Institutionen gelegt, die erkennbar korrupt sind, wie die WHO, oder wissenschaftliche Institute, die ihre schiere Existenz der Tatsache verdanken, dass sie eine bestimmte gewünschte Position vertreten. "Die Wissenschaft" eben. Wenn man danach sucht, welche Interessen damit bedient werden, muss man – wie bei Ausschreibungspflicht etc. - auf die langfristigen Wirkungen sehen, auf die Richtung, in die sie subtile Abschreckung zielt.
Will man in einem solchen Land leben? Will man sich zum Gegenstand des permanenten Verdachts machen, nicht nur bezogen auf die Meinungsäußerung oder das finanzielle Verhalten (man sollte nie vergessen, dass es mit Schufa, Creditreform und Co. schon längst ein "Sozialkreditsystem" gibt), sondern auf das ganze Spektrum der Lebensäußerungen?
Das GEG ist nicht nur ein schlecht geschriebenes Gesetz, das verheerende Folgen haben wird; es ist auch zutiefst undemokratisch und bleibt das auch, wenn es nun langsamer verabschiedet wird. Es ist im Kern arrogant und inhuman (die Nachweispflichten für über 80jährige Wohnungseigentümer sind da ein besonderes Schmankerl), übergriffig und feindselig. Es gibt nur ein angemessenes Schicksal: den Schredder.
Mehr zum Thema – Grün ist der Untergang – Teil 2: Dystopie statt Utopie