Von Dagmar Henn
Man könnte wetten, Julian Röpcke hatte heute einen Ohrwurm. Und stellte sich beim Schreiben die entsprechend betont männliche Stimme vor, einen tiefen Bariton.
"Die ganze Welt wartete darauf. Jetzt ist es soweit: die Ukraine stößt mit deutschen Leopard-2-Panzern gegen die Russen vor! Erstmals wurden die deutschen Kampfpanzer auf dem Schlachtfeld gesichtet, sie nehmen den Kampf gegen die russischen Invasoren auf. Die Offensive läuft!"
Irgendwie ist ihm das Kriegsgeschehen in die Hose gerutscht. Allein die Überschrift. "Jetzt stoßen deutsche Panzer vor!" Da sieht man sie förmlich vor sich, die Landser mit dem Stahlhelm, die ausziehen, die bolschewistischen Untermenschen ... nein, halt, das war die letzte Ausgabe. Die Zeitläufte können einem gedanklich schon einmal durcheinander geraten, wenn man so einen Ohrwurm hat wie Herr Röpcke.
Nun, der Jubel, zu dem er angesichts der Drohnenaufnahmen ansetzte, scheint nicht lange zu halten; ein klein wenig später heißt es schon: "Offenbar stoßen die deutschen Panzer auf erbitterten russischen Widerstand. Mehrere Fahrzeuge scheinen auf Minen gefahren oder von Artillerie getroffen worden zu sein. Um welche Typen es sich bei den brennenden Fahrzeugen handelt, ist unklar." Klar, auch diese Sätze könnten aus einer alten Wochenschau stammen, bis auf den letzten. Röpcke hat den Tonfall gut geübt.
Die Euphorie ist so groß, dass ihm sogar die Grammatik entgleist: "Im Gegensatz zu Deutschland, das den moderneren Leopard-2A6 lieferte, erhielt die Ukraine in den letzten Monaten etwa 40 Leopard-2A4 aus Polen, Spanien, Kanada, Portugal und Norwegen." Der Satz macht keinen Sinn, aber er betont natürlich, dass die besten Panzer nicht nur deutsches Fabrikat sind, sondern auch aus Deutschland geliefert wurden. Nun, wer weiß, sie werden womöglich auch von Deutschen gefahren – das Problem, dass man diesen Panzer nicht nach ein paar Wochen beherrscht, haben wir ja schon erörtert. Auch, dass in den alten NATO-Berechnungen die Überlebenszeit eines Panzergrenadiers in einem modernen Gefecht auf etwa 90 Sekunden geschätzt wurde. Das allerdings kann Herrn Röpcke egal sein, er sitzt nicht drin.
Überhaupt ist es ihm reichlich gleichgültig, wer wovon getroffen wird. "Zudem feuerte die Ukraine westliche Präzisionswaffen auf die russisch gehaltenen Städte Tomkak, Melitopol und Polohy ab." Wie wir die Ukrainer kennen, Herr Röpcke, haben die einfach mal auf die Städte draufgehalten. Militärische Ziele zu treffen, ist für diese Jungs viel zu schwierig. Aber da Sie das sicher wie ihre ukrainischen Freunde sehen, dass jeder, der nicht vor der russischen Armee geflohen ist, sowieso ein Feind ist, haben Sie damit bestimmt kein Problem.
Dass nur Röpcke die Offensive meldet (Taaa dadadadada taa tata), liegt selbstverständlich an einer ukrainischen Informationssperre. Hauptsache, es geht endlich los, mit deutschen Panzern, mit "schweren ukrainischen Mehrfachraketenwerfer-Angriffen", um "mit den modernen Waffen aus NATO-Beständen eine Entscheidung in der Schlacht" herbeizuführen. Das riecht richtig nach Rache für Stalingrad.
Die woke Blase spricht gern von "toxischer Maskulinität", und wenn man so die Wörter liest, die Röpcke verwendet, ist man fast versucht, daran zu glauben... Mal ernsthaft, Herr Röpcke, wenn Ihr Ohrwurm mal nachlässt – haben Sie es schon mal mit Viagra versucht?
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