Wider Willen: Wie der Westen lernt, Chinas Friedensplan für die Ukraine zu akzeptieren

Washington und seine Verbündeten betrachten Pekings Friedensplan für die Ukraine nicht länger als ein totgeborenes diplomatisches Projekt, das nur Moskau zugutekomme. Der Westen scheint Akzeptanz dafür zu entwickeln. Widerwillig, aber dennoch.

Von Sergei Strokan   

Nachdem Chinas Außenministerium am Jahrestag des Beginns der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine ein Dokument mit dem Titel "Chinas Position zu einer politischen Lösung der Ukraine-Krise" veröffentlicht hatte, begab sich Pekings Sonderbeauftragter für eurasische Angelegenheiten Li Hui in der 20. Kalenderwoche 2023 auf eine Reise durch fünf Länder.

Die ansonsten von einem Schleier der Geheimhaltung umgebene Reiseroute sieht Besuche in der Ukraine, Polen, Deutschland, Frankreich und Russland vor. Lis Huis diplomatische Reise ist der erste Versuch, die Welt von Pekings Fähigkeit zu überzeugen, eine Lösung für die Ukraine zu vermitteln. Und angesichts des vertraulichen Charakters seiner Mission ist jede verfrühte Öffentlichkeitsarbeit alles andere als sachdienlich. In Ermangelung jeglicher weiterer Information über die Reise des Sondergesandten Pekings illustrierten die Weltmedien ihre Berichte darüber mit einem Lichtbild, das im Juni 2015 in Moskau aufgenommen wurde. Es zeigt einen breit lächelnden Li Hui, damals Chinas Botschafter in Russland, der bei der Eröffnungsfeier des chinesischen Abschnitts der chinesisch-russischen Gaspipeline neben Russlands Premierminister Dmitri Medwedew auf der Bühne sitzt.

Li Hui, der fließend Russisch spricht und seine diplomatische Laufbahn 1975 in der Abteilung für sowjetische und osteuropäische Angelegenheiten des chinesischen Außenministeriums begann, war ein Jahrzehnt lang Chinas Botschafter in Moskau – in den Jahren von 2009 bis 2019. Zuvor, in den Jahren 2008 und 2009 hatte er den Posten des stellvertretenden Außenministers inne.

Als Versinnbildlichung dessen, wie schwierig die neue Mission des allerdings sehr erfahrenen chinesischen Diplomaten sein wird, diene der jüngste Beitrag von Dmitri Medwedew. Dieser, jetzt im Sessel des stellvertretenden Sekretärs des russischen Sicherheitsrats, schrieb über Wladimir Selenskij:

"Der Junkie in Kiew hat gerade jetzt die Chance, durch seine eigenen Hände zu sterben. Wie Hitler, der sich mit Hundegift vollgeschluckt hat."

Allerdings hält das augenscheinliche völlige Fehlen von Bedingungen für Friedensgespräche Peking nicht von seinem Vorhaben ab. Vielmehr scheint China daraus ihm im Gegenteil noch mehr Entschlossenheit zu schöpfen.

Wie das Außenministerium in Peking am 18. Mai 2023 mitteilte, traf Li Hui während seines Besuchs in Kiew am 16. und 17. Mai mit Wladimir Selenskij, dessen Präsidialamtsleiter Andrei Jermak, Außenminister Dmitri Kuleba sowie mit Vertretern jeweils des ukrainischen Verteidigungs-, Energie- und Infrastrukturministeriums zusammen. Nach seiner Abreise aus Kiew am Donnerstag veröffentlichte die japanische Zeitung Asahi ein Interview mit Emine Dschaparowa, der ersten stellvertretenden Außenministerin der Ukraine. Diese erklärte, dass ein ukrainischer Konfliktbeilegungsprozess nicht ohne Peking auskommen könne, zumal angesichts Chinas Stellung in der Welt.

Zhang Jun, Chinas ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen, gab derweil zu verstehen:

"Es gibt keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen. Jede umfassende Lösung beginnt immer mit einem ersten Schritt. Wir können nicht ewig warten."

Er forderte, "Bedingungen zu schaffen, die den Dialog fördern, anstatt Öl ins Feuer zu gießen und die Spannungen zu verschärfen".

Nach allem, was man weiß, scheinen sogar die USA ihre Haltung gegenüber Chinas Plan nun zögerlich und wider Willen zu ändern. Nachdem Joe Biden im Februar geäußert hatte, Pekings Plan sei "vorteilhaft für Putin" und daher inakzeptabel, räumte der stellvertretende Sprecher des US-Außenministeriums Vedant Patel diese Woche ein, dass China zumindest eine Rolle bei der Lösung der Krise um die Ukraine spiele.

Nun, Kiew und Washington weigerten sich vehement, die chinesische Friedensschreibkunst zu erlernen, doch auch sie kamen schließlich nicht umher.

Mehr zum Thema – Seymour Hershs jüngste Publikation treibt Keil zwischen Kiews Verbündeten

Übersetzt aus dem Russischen.

Sergei Strokan ist Dichter, Journalist und Moderator von Talkshows bei staatlichen russischen Fernsehsendern. Er kam in der Ukraine in der Stadt Nowomoskowsk in der Region Dnjepropetrowsk zur Welt. Im Jahr 1982 schloss er sein Studium am Institut für Asien- und Afrikastudien der Staatlichen Universität Moskau als Orientalistphilologe ab. Danach arbeitete er in der Asienabteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften, dann als Sonderkorrespondent für die Wochenzeitung Moscow News und auch als Leiter der Abteilung für auswärtige Angelegenheiten der sozialen und politischen Zeitschrift Itogi. Derzeit ist er Kolumnist bei der Zeitung Kommersant.