Von Rainer Rupp
Seit Anfang der 1980 Jahre sind aufeinanderfolgende Regierungen in Washington resolut gegen alle europäischen – insbesondere deutsche – Projekte gewesen, billige und verlässliche Energie in Form von Öl und Gas aus Russland zu beziehen, statt die Energieträger für teures Geld über den Seeweg aus US-kontrollierten Quellen im Nahen Osten oder direkt aus den USA den US-Konzernen abzukaufen. Dabei ging es den US-Regierungen nie nur um Geld, sondern auch um die dadurch geschaffenen Abhängigkeiten, um auf diese Weise die lebenswichtigen Energieströme der europäischen NATO-Vasallenstaaten zu kontrollieren und um bei Bedarf auch auf die Verbündeten Druck auszuüben.
Dagegen schufen die europäischen Energieimporte aus der Sowjetunion und später aus Russland zwar neue Abhängigkeiten, aber zugleich auch Freiräume gegenüber den USA. Doch der Hauptgrund für die Hinwendung gen Russland war, dass ein guter Teil des Wohlstandes in Deutschland auf dem Import billiger russischer Energie aufgebaut wurde, denn es hat zur überlegenen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie beigetragen. Dank der industriefeindlichen Politik der Grünen und der anschließenden katastrophalen Anti-Russland-Politik der Bundesregierung ist jetzt dieses goldene Zeitalter für Deutschland endgültig vorbei.
Der blutige, von den USA vorbereitete und bezahlte Maidan-Umsturz der demokratisch gewählten Regierung in der Ukraine 2014 war ein Meilenstein auf diesem Weg, der aktuell Deutschland und Europa unwiderruflich ins Verderben führt. Als Einzige sind es die US-Eliten, und ihre Spießgesellen in den europäischen Führungsetagen, die davon profitieren. Dazu hatte der international bekannte Ökonom Michael Hudson, Professor an der University of Missouri-Kansas City, schon Anfang Februar dieses Jahres einen Grundsatzartikel geschrieben mit dem Titel: "Amerikas wahre Gegner sind seine europäischen und anderen Verbündeten."
Als Begleitmusik zum Maidan-Putsch durfte schon im Mai 2014 Condoleezza Rice, sie war unter George W. Bush von 2005 bis 2009 Außenministerin der Vereinigten Staaten, auf dem deutschen TV-Sender N-24 für einen "Gas- und Ölkrieg gegen Putin" werben. Hier einige Auszüge aus dem Video.
"Ich glaube die Europäer selbst sind Teil des Problems (das die Russen in der Ukraine für den Westen darstellen). Sie (die Europäer) sind sehr abhängig von Russlands Energieressourcen und Geschäftsbeziehungen. Aber wenn Putin jetzt nicht gestoppt wird, dann können wir zu einem richtigen Konflikt mit Russland kommen. Deutschland ist wohl das einflussreichste Land in Europa, zumindest wirtschaftlich. Es gab Kritik, dass Angela Merkel nicht aggressiv genug (gegen Putin) war. (...) Was wir jetzt brauchen, sind härtere Sanktionen. Und ich befürchte, dass das auch Öl und Gas beinhalten sollte. Die russische Wirtschaft ist verletzbar. 80 Prozent der russischen Exporte sind Öl, Gas und Mineralien. Die Leute sagen, Europa würden die Energielieferungen fehlen. Aber Russland wird das Geld ausgehen, bevor Europa die Energie ausgeht."
"Mir ist bewusst, dass dieser Weg die Geschäftsbeziehung erschwert. Aber das ist eines der wenigen Instrumente, die wir haben. Langfristig sollten die globalen Abhängigkeitsverhältnisse von Energien verändert werden. Man könnte sich mehr auf Nordamerikas Energiereserven stützen, auf die enormen Öl- und Gasvorkommen, die wir in Nordamerika finden, auch Pipelines, die nicht durch Russland verlaufen. Wir versuchen seit Jahren, Europa für andere Pipeline-Routen zu begeistern. Die Zeit dafür ist gekommen. Eigentlich geht es darum, jetzt zu handeln, und zwar so schnell wie möglich."
Im Grunde genommen hat hier Condoleezza Rice, die schon vor ihrer Zeit als US-Außenministerin unter Präsident Bush in den Jahren 2001 bis 2005 als Nationale Sicherheitsberaterin fungiert hat, auf Grundlage ihres tiefen Einblicks in die US-Außenpolitik die Blaupause für die spätere Entwicklung in der Ukraine und in den europäisch-russischen Beziehungen dargelegt.
Und wo die Europäer, vor allem die Deutschen, nicht mitziehen wollten, da waren die Amerikaner offensichtlich bereit, ihre Vasallen zu ihrem "Glück" im Fahrwasser der US-Führungsmacht zu zwingen. Das tun sie ohne Abstimmung mit den Europäern. Das wird z. B. dadurch belegt, dass der US-beförderte und bezahlte Maidan-Gewaltputsch in Kiew ausgerechnet zu dem Zeitpunkt kulminierte, als der deutsche und französische Außenminister und andere EU-Top-Politiker sich mit der ukrainischen und russischen Führung auf eine friedliche, diplomatische Lösung der Krise in der Ukraine geeinigt hatten.
Was Washington von seinen Vasallen in Europa hält, wird durch nichts besser verdeutlicht als durch die Antwort von Frau Victoria Nuland, die damals das dritthöchste Amt im US-Außenministerium innehatte. Auf die Frage des US-Botschafters in Kiew, ob es bezüglich des von Frau Nuland ernannten neuen Ministerpräsidenten der Ukraine eine Abstimmung mit den Europäern gegeben habe, antwortete die arrogante Statthalterin des Washingtoner Imperiums mit dem seither weltbekannten Satz: "Fuck the EU!"
So hat Washington in seiner Rolle als Führer der "regelbasierten Weltordnung" seine Vasallen immer mit vollendeten Tatsachen konfrontiert. Mit dem Maidan-Putsch hat es z. B. Fakten geschaffen, die die deutsche Regierung nur akzeptieren konnte, wenn sie nicht auf einen folgenschweren Konfrontationskurs mit den USA gehen wollte. Eine echte Konfrontation mit den USA wäre nämlich für jede deutsche Regierung – egal in welcher Farbenzusammensetzung – innenpolitischer Selbstmord und aufgrund der mächtigen Gegenkräfte gar nicht durchsetzbar.
Diese Gegenkräfte sind vor allem in der Finanzwirtschaft, die mit Abstand stärkste und wichtigste Wirtschaftsbranche, konzentriert. Einerseits hängt sie am Tropf der US-Finanzwirtschaft, und gute politische Beziehungen zu den USA sind für sie überlebenswichtig, und andererseits ist die Finanzbranche mit Vertretern aus Politik, Medien und Gesellschaft bis in die höchsten Spitzen aufs Engste verfilzt, siehe Scholz. Diese Branche weiß, wie sie ihre Interessen durchsetzt, auch wenn das Volk dabei zugrunde geht.
Die Sprengung von Nord Stream 1 und 2 sieht ganz nach einem weiteren Sabotageaktakt der US-Amerikaner aus. Damit stellen sie die Bundesregierung erneut vor vollendete Tatsachen. Dadurch wurden weitere diplomatische Brücken nach Moskau eingerissen und Verhandlungsmotive für eine friedliche Lösung in der Ukraine zerstört. Denn damit wird die Diskussion in der Bevölkerung über eine Öffnung der Pipelines auf unabsehbare Zeit gestoppt.
Wie wir in der Zwischenzeit von russischen Experten offiziell erfahren haben, können die Pipelines zwar repariert werden, aber das wird im besten Fall zwischen sechs Monaten und einem Jahr dauern. Die Deutschen können sich also jede Hoffnung auf einen Ausweg aus dem kalten Winter mithilfe von russischem Gas zumindest für dieses Jahr abschminken. Auf diese Weise wird der Druck der Bevölkerung auf die Bundesregierung, nach einer diplomatischen Lösung mit Russland zu suchen, zwangsläufig reduziert, was ein weiteres Motiv für den Sabotageakt gewesen sein dürfte.
Als neue Höchstleistung des Zynismus wird derzeit in Deutschland und NATO-Ländern einstimmig das Narrativ verbreitet, dass "Putin" die beiden russischen Pipelines in die Luft gejagt hat. Das zeigt einmal mehr, für wie verblödet die kranken Psycho-Krieger der US-NATO-Eliten uns alle halten.
Nichtsdestotrotz wird dieser Irrsinn inzwischen fleißig in unseren "Qualitätsmedien" verbreitet und – zugegebenermaßen – von einem Teil der bereits gehirngewaschenen Bevölkerung geglaubt. Da die Tatorte der Unterwasser-Explosion irgendwann von ausschließlich westlichen Experten untersucht werden sollen, kann man jetzt schon ziemlich sicher davon ausgehen, dass dann auch die Beweise für die russische Täterschaft gefunden werden: zum Beispiel ein vom Wasser unversehrter Pass eines russischen Geheimdienstagenten direkt neben einem zerstörten Pipeline-Rohr.
Sowas hat ja schon mal hervorragend funktioniert: Auch am 11. September wurde in den noch rauchenden Trümmern der Türme des World Trade Centers der kaum beschädigte Reisepass des angeblichen Al-Qaida-Terroristen Satam al-Suqami gefunden. Und wer diese Geschichte nicht geglaubt hat, wurde nicht selten als Verschwörungstheoretiker mit Berufsverbot bestraft.
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