Von Geworg Mirsajan
Die BRICS sind dabei, Russland behilflich zu sein, die Sanktionen zu umgehen. Zu dieser Schlussfolgerung gelangten einige russische und westliche Experten nach den Worten von Purnima Anand, der Leiterin der indischen Delegation auf dem russischen Technoprom-Forum. "Die BRICS-Partner eröffnen Russland eine Chance, die Auswirkungen der Sanktionen zu überwinden", sagte sie.
"Die meisten Länder schaffen verschiedene Mechanismen, um Sanktionen zu umgehen. Diese reichen vom Tauschhandel bis hin zum Handel in eigener Währung. Insbesondere gilt dies für Brasilien, China, Südafrika und Indien (die BRICS-Gruppe), deren gemeinsames BIP mehr als 24 Prozent des weltweiten BIP ausmacht und deren Anteil am internationalen Handel etwa 16 Prozent beträgt", so The Hill.
In Wirklichkeit ist die Sache ein wenig komplizierter. Tatsächlich verlässt sich Moskau auf seine BRICS-Partner, um den Schaden der westlichen Sanktionen zu mindern, allerdings ist diese Unterstützung ziemlich vielseitig.
Zuallererst geht es selbstverständlich um einen Zahlungsverkehr in nationalen Währungen (worauf Anand in ihrem Zitat eingeht, indem sie behauptet, dass nach der Einführung eines Mechanismus des gegenseitigen Zahlungsverkehrs in Rubel und Rupien die Notwendigkeit einer Verwendung des Dollars wegfällt). "Der Zahlungsausgleich in nationalen Währungen ist der grundlegende Mechanismus zur Anpassung an die Sanktionen, der heute gefragt ist", erklärte Iwan Timofejew, Programmdirektor des Waldai-Klubs, der Zeitung Wsgljad. Grundlegend ist er deshalb, weil er es ermöglicht, den Dollar als Zahlungsmittel zu umgehen – und damit auch das US-Finanzministerium, das die Dollar-Transaktionen überwacht.
"Die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit den BRICS-Ländern können unabhängig vom Westen sein, und von der westlichen Finanzinfrastruktur, die vom US-Finanzministerium kontrolliert wird.
"Erfolgt die Handelsabwicklung in nationalen Währungen, so entzieht sie sich der Kontrolle der Vereinigten Staaten, und das US-Finanzministerium kann die entsprechenden Überweisungen nicht blockieren", erklärte Dmitri Suslow, stellvertretender Direktor des Zentrums für Europäische und Internationale Studien der Nationalen Forschungsuniversität HSE, der Zeitung Wsgljad.
Selbstverständlich verhindern diese Maßnahmen einerseits die Umsetzung des Konzepts einer einheitlichen globalen Handelswährung (deren Existenz den Prozess des internationalen Handels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit stark vereinfacht). Allerdings gibt es in einer Situation, in der diese Währung von einem einzigen Staat für seine eigenen egoistischen Zwecke kontrolliert wird, keine andere Möglichkeit.
Des Weiteren tragen die BRICS-Länder dazu bei, dass Russland die Sanktionen umgehen kann, indem sie weiterhin seine Waren importieren – und diese Importe trotz des US-Drucks sogar noch steigern. "Die BRICS-Länder sind tatsächlich äußerst wertvolle Partner für Russland, um die Auswirkungen der westlichen Sanktionen zu minimieren. Erstens, weil die BRICS-Länder die Einfuhren russischer Energieträger und anderer russischer Handelsgüter erhöht haben und weiter erhöhen. Zweitens, weil die BRICS-Länder weiterhin mit russischen Unternehmen der Rüstungsindustrie zusammenarbeiten und russische Rüstungsprodukte importieren", fährt Suslow fort.
Was die Russen unter der Umgehung der Sanktionen verstehen, ist jedoch nicht so sehr der Handel in Landeswährung und der Kauf russischer Waren, sondern die Einrichtung von "Parallelimporten", d. h., vereinfacht gesagt, die Einfuhr von Technologien und Waren aus dem Westen nach Russland über Drittländer. Und hier liegt das Problem.
"Einen einheitlichen Standpunkt der BRICS zur Anpassung Russlands an die Sanktionen gibt es nicht. Alles hängt davon ab, woraus die Zusammenarbeit besteht und wo sie verlangt wird. Dort, wo das Risiko besteht, auf US-Sanktionen zu stoßen und westliche Märkte zu verlieren, wird die Kooperation sehr vorsichtig sein – wenn sie überhaupt stattfindet", sagt Timofejew.
"Sicher, theoretisch könnten die BRICS-Länder einen offenen Verstoß gegen die westlichen Sanktionen wagen, jedoch werden sie größtenteils versuchen, dies zu vermeiden. Vor allem die Privatunternehmen werden es versuchen – aus Angst, von sekundären US-Sanktionen getroffen zu werden und den Zugang zum US-Binnenmarkt zu verlieren", stimmt Suslow zu. Die indischen, chinesischen und andere Unternehmen sind nicht bereit, wegen ihres Handels mit Russland unter den Hammer der westlichen Sanktionen zu geraten, und die Regierungen dieser Länder sind nicht bereit, ihre Unternehmen vor diesem Hammer zu schützen.
In der Tat gibt es bereits Präzedenzfälle für die Verteidigung ihrer Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Russland gegenüber dem US-Druck. "Das hat bereits Indien getan – ungeachtet der US-Sanktionen gegen nahezu alle Unternehmen der russischen Rüstungsindustrie importiert Neu-Delhi weiterhin russische Waffen und militärische Technik. Die USA drohen den Indern dabei mit Sanktionen, führen sie aber nicht ein, weil Indien der wichtigste Partner der USA im pazifischen Raum ist", sagt Suslow.
"Dennoch ist dies etwas anderes. Denn die eine Sache ist die Verteidigung des nationalen Rechts auf die Einfuhr russischer Produkte, und die andere das Recht auf die Wiederausfuhr westlicher Waren und Technologien nach Russland (d. h. im Grunde zu schmuggeln). Insbesondere in einer Situation, in der die Bestrafung Russlands für die Vereinigten Staaten eine Frage des Prestiges und des Prinzips ist", wie Iwan Lisan, Leiter der Denkfabrik SONAR-2050, gegenüber Wsgljad treffend feststellt.
Theoretisch gibt es natürlich auch hier die Möglichkeit der Umgehung. "So gibt es beispielsweise in China Unternehmen, die sich vollständig in Staatsbesitz befinden, und diese sind nicht von den internationalen Märkten und den Vereinigten Staaten abhängig. Gerade sie dürften bereit sein, mit Russland in Bereichen zusammenzuarbeiten, die durch den Westen sanktioniert sind", sagt Suslow. Das wäre allerdings eher die Ausnahme als die Regel.
Es gibt noch eine andere Möglichkeit. "Dabei geht es um die Verwendung von Technologien und Gütern, deren Herstellung keiner Exportkontrolle der USA unterliegt. Güter, bedingt sie werden von chinesischen Arbeitskräften in China hergestellt, könnten von den Lizenzanforderungen der USA unabhängig sein", erklärt Timofejew.
"Durch die BRICS sind wir in der Lage, die westlichen Sanktionen zu umgehen, aber auch westliche Technologie und verschiedene Hightech-Produkte zu ersetzen, die uns gerade unzugänglich sind. So hat der Rückzug von Nokia und Ericsson aus Russland die Bedeutung der Huawei-Technologie in der Mobilkommunikation drastisch erhöht. In Indien sind wir an pharmazeutischen Produkten und Chemikalien mit geringer Tonnage interessiert", sagt Lisan.
"Nicht alles kann aber ersetzt werden. Zum Beispiel verfügt China nicht über eine Technologie zur Erdgasverflüssigung. Was kann Südafrika, was kann Brasilien uns an Technologie zur Verfügung stellen? Zwar gibt es in Brasilien Embraer, das Unternehmen wurde aber von Boeing aufgekauft, sodass wir kaum etwas von dort bekommen werden", fährt Lisan fort.
Generell besteht seiner Ansicht nach die Hauptunterstützung durch die BRICS-Länder im Ersatz westlicher Absatzmärkte und in einer Zusammenarbeit zur Entwicklung eigener Technologien. Im Rahmen dieses Ziels konzentriert sich Moskau keineswegs auf der BRICS-Organisation.
Für uns sind Indien und China nicht so sehr von Interesse, weil sie Mitglieder der BRICS sind, sondern wegen der Größe ihrer Volkswirtschaften und der strategischen partnerschaftlichen Beziehungen zwischen ihnen und Russland. "Wir sind auch an anderen Ländern interessiert – sofern sie bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten", sagt Timofejew. Doch hier ist zu beachten, dass Brasilien und Südafrika einen geringen Handelsumsatz mit uns haben. Die Türkei dagegen, die kein Mitglied der BRICS, sondern der NATO ist, hat mit uns einen hohen Handelsumsatz. Deshalb ist der Handel mit der Türkei für uns sehr wichtig. Übrigens gilt das für jeden, der bereit ist, mit uns zusammenzuarbeiten – und unsere Interessen zu respektieren.
Übersetzt aus dem Russischen.
Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation. Er ist zudem Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren wurde er 1984 in Taschkent. Er machte seinen Abschluss an der Staatlichen Universität in Kuban. Promotion in Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Vereinigte Staaten. Mirsajan war von 2005 bis 2016 Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada der Russischen Akademie der Wissenschaften.
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