Farbenlehre à la Lauterbach – Wie der Minister die gesellschaftliche Spaltung forciert

Der Bundesgesundheitsminister verriet Details zu Neuerungen in der Corona-Warn-App. Unterschiedliche Farbcodierungen bestimmen zukünftig die individuellen Rechte der Menschen. Denn sicherer sei ein Bürger laut Lauterbach, "sitzt ein Geimpfter am Tisch". Der erwartete Impfstoff für den Herbst werde wohl "nicht perfekt schützen".

von Bernhard Loyen

Gibt es eine Steigerung der Gefühlslage Fassungslosigkeit? Viele Menschen im Land beobachten sehr kritisch die mittlerweile annähernd täglich formulierten Meinungsäußerungen des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach. Sehr oft rufen diese nur noch Sprachlosigkeit hervor. Viele Bürger fragen sich, warum Bundeskanzler Olaf Scholz kein Machtwort bei diesem wichtigen Minister(darsteller) spricht. Warum keiner der politischen Kollegen nachdrücklich und glaubhaft auf den Tisch haut und die schmerzlich vermisste, aber notwendige Professionalität einfordert. Und die letzte wesentliche Irritation lautet weiterhin, warum hat Dr. Karl Lauterbach diese vollkommen absurde Narrenfreiheit in seinem Dasein, bei seinen Äußerungen, seinen politischen Tätigkeiten?

Es war bis dato eine sehr erkenntnisreiche Woche für die Menschen, die Lauterbach über sein persönliches Steckenpferd, den nachhaltig gepflegten und bestückten Twitter-Kanal regelmäßig beobachten. Am 9. August teilte der Minister seinen Followern erneut die berüchtigte Lauterbach-Logik mit. Einige Bundesländer wagen es in der Wahrnehmung des Ministers tatsächlich zu planen, dass zum Jahresende in der Gastronomie ein "frisch Geimpfter ohne Maske sitzen kann", also darf, für sich persönlich entscheidet. Der Begriff Eigenverantwortung scheint für den Minister nicht mehr zu existieren. Was das Land zum Jahresende benötigt, umzusetzen hat, ist die gefühlte Wissensvermittlung eines Karl Lauterbach. Darum erfolgt im Twitter-Beitrag die disziplinarische Ergänzung:

"Zu unsicher, schlechte Kontrolle. Kritik ist falsch. Sicherer es sitzt ein Geimpfter am Tisch als ein Ungeimpfter."

Sehr oft reicht nicht ein Satz, ein Gedankengang beim 24-Stunden-Minister. Fortsetzung des Twitter-Beitrags vom 9. August folgt. Lauterbach, obwohl viermal geimpft, dazu medizinisch fraglich noch mit dem Pfizer-Produkt Paxlovid zusätzlich therapiert, ist positiv auf Corona getestet worden. Persönlich teilte er daher am 5. August mit:

"Bin leider trotz großer Vorsicht an Corona erkrankt. Trotz 4. Impfung. Die Symptome sind noch leicht. Zur Vermeidung von Komplikationen nehme ich Paxlovid."

Der Beipackzettel informiert: "Paxlovid wird angewendet zur Behandlung einer Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) bei Erwachsenen, die keine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigen und ein erhöhtes Risiko haben, einen schweren COVID-19-Verlauf zu entwickeln". Hatte Lauterbach Sorgen vor einem schweren Verlauf? Jeden Tag hat er sich nun getestet. Warum das bekannt ist? Er hat ein Foto davon veröffentlicht, natürlich bei Twitter, mit der Darlegung seiner persönlichen Enttäuschung, vermeintlich alles richtig gemacht zu haben und dem zusätzlichen Boni-Häkchen für erneute Pharma-Produktwerbung. Lauterbach schrieb am 9. November:

"Die letzten 4 Tage. Langsam geht es aufwärts. Aber COVID ist keine Kleinigkeit. Trotz 4 Impfungen und Paxlovid hatte ich stärkere Symptome als erwartet. Danke für die guten Wünsche. Hoffe, die Genesung ist bald komplett." 

Die Hoffnung stirbt also auch im Jahre 2022 weiterhin zuletzt, auch bei Menschen mit vier Impfungen und Zusatzmedikation. Gut sechs Stunden später erfolgte dann der längere Twitter-Beitrag zum Thema Gastronomienutzung in den Wintermonaten. Es wird aufschlussreich. Lauterbach ergänzt die Mahnung, hinsichtlich schlechter Kontrollmechanismen, mit der Ankündigung:

"Dass 'frisch geimpft' nicht kontrolliert werden kann auch falsch, auf der CWA (Corona-Warn-App) ist eine andere Farbe des Zertifikats vorgesehen. Einfacher als früher 2G+ (...)"

Vorgesehen? Gibt man die Worte "Farbe des Zertifikats" auf der Webseite der Corona-Warn-App ein, werden null Treffer angezeigt. Sind es rein persönliche Pläne des Ministers, die wieder einmal in einer reinen Twitterlaune ihren Weg in die Öffentlichkeit finden? Präferiert Lauterbach Kontrollmechanismen nach chinesischem Vorbild? Die New York Times informierte schon im Jahre 2020 in einem Artikel über Realitäten und Irritationen digitaler Gesellschafts-Mechanismen:

"Die Menschen in China melden sich über die beliebte Geldbörsen-App von Ant, Alipay, an und erhalten einen Farbcode - grün, gelb oder rot -, der ihren Gesundheitszustand angibt. Das System ist bereits in 200 Städten im Einsatz und wird landesweit eingeführt.

Weder das Unternehmen noch die chinesischen Behörden haben im Detail erklärt, wie das System die Menschen klassifiziert. Das hat zu Angst und Verwirrung bei denjenigen geführt, die sich isolieren sollen und nicht wissen, warum."

Weiter heißt es dann in dem längeren Twitter-Beitrag: "Wenn im Herbst vor Infektion schützende Impfstoffe vorliegen, sollten sie auch für Geimpfte einen Vorteil bringen. Auf Maske im Innenraum kann man im Herbst nicht verzichten. Für die frisch Geimpften wäre eine Ausnahme vertretbar." "Maskenbefreiung" vertretbar aufgrund der Gnade des Ministers? Fassungslosigkeit. Noch einmal, das Wort Eigenverantwortung hat anscheinend keinerlei Wert mehr, in der Welt des Karl Lauterbach. Impfungen sollen "einen Vorteil bringen", bedeutet ungeimpfte Bürger haben Nachteile. Wiederkehrend dem Chaos der zurückliegenden Maßnahmenjahre.

Impfungen also erneut der theoretische Heilsbringer der Stunde, mit dem Wissen (!), dass alle theoretischen Ankündigungen seit 2020 zu diesem Thema nur (sehr) bedingt eintrafen?

Karl Lauterbach wird aus seinem Berliner Domizil am 9. August abends, zwischen den Twitter-Tätigkeiten, dem ZDF für ein Interview zugeschaltet. Die adaptierten Impfstoffe sollen, nicht werden, ab Herbst auf den Markt kommen. Schon jetzt weiß der Minister aber zur möglichen Effektivität :

"Die Daten weisen darauf hin, (...) dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Impfstoffe (...) die kommen, dass die auch vor Ansteckung schützen. Ob die perfekt dann schützen glaube ich nicht, aber deutlich besser als der jetzige Impfstoff (...) Dann wird es wieder so sein, dass man sich auch vor der Ansteckung einigermaßen sicher sein kann."

"Ob die perfekt dann schützen glaube ich nicht" und "vor Ansteckung einigermaßen sich sein kann", zwei schlicht desaströse Ankündigungen, des inoffiziellen Pharmavertreters der Firmen BioNTech und Moderna. Lauterbach wiederholt die nachweisliche Lüge, dass er jüngst nicht unter 60-Jährige vor dem Herbst zu einer 4. Impfung angeraten hätte. Der Minister hatte in einem Spiegel-Interview wörtlich seine persönliche Empfehlung ausgesprochen, als verantwortlicher Bundesgesundheitsminister, "in Absprache mit dem Hausarzt" zum jetzigen Zeitpunkt sich ggf. ein viertes Mal impfen zu lassen. So sagte er wörtlich: "Dann würde ich in Absprache natürlich mit dem Hausarzt. Würde ich auch Jüngeren die Impfung empfehlen". Wortklauberei oder missverständliche, aber eindeutige Formulierungen? In Lauterbachs Wahrnehmung finden sich die Gründe gesellschaftlicher Verunsicherungen natürlich nicht bei ihm, sondern bei anderen. So erklärt er dem ZDF-Zuschauer:

"Also ich glaube (sic!), es wird im Moment auch sehr viel Verwirrung gestiftet durch Leute, die Verwirrung stiften wollen."

Leute? Spricht der Minister von wissenschaftlichen und politischen Kollegen mit einer konträren Meinung, in der Einschätzung der Gesamtsituation im Land? Die FFP2-Maske ist für Lauterbach, natürlich nur bei entsprechenden Entscheidungen der Landespolitik, bei Aufenthalt in der Gastronomie oder in Kultureinrichtungen eine Selbstverständlichkeit des Herbstes. Die anvisierte Drei-Monatsregelung für Geimpfte ab Oktober und absehbare Schwierigkeiten bei den Kontrollmechanismen bezeichnete Moderatorin Marietta Slomka als "löchrigen Käse". Auch den ZDF-Zuschauern präsentiert der Minister daraufhin seine Vorstellungen der gesellschaftlichen Spaltung über eine farbliche digitale Markierung. Lauterbach wörtlich:

"Geplant ist, dass auf der Corona-Warn-App einfach das Zertifikat, solange die drei Monate noch nicht um sind, eine andere Farbe hat. Das normale Impfzertifikat, was ja blau erscheint, würde dann möglicherweise in grün erscheinen, so dass beim Reingehen jeder sofort sieht, aha, dass ist ein frisches Zertifikat."

Aha? Lauterbach bezeichnete seine Pläne als "simple Kriterien". Und wenn "das normale Impfzertifikat" blau ist oder sogar durch den Entschluss des Besitzers blau bleibt, heißt es dann also zukünftig - Zutritt verboten. Sollte ein Bürger keine Corona-Warn-App besitzen, oder gar ablehnen - Zutritt verboten? Darf man das gesellschaftliche Spaltung nach willkürlicher Ausgrenzung nennen? Bereits am 3. August teilte Lauterbach den ARD-Zuschauern seine Gedankenwelt zu den jüngsten Plänen mit:

"Ich bin halt mit dem Ergebnis sehr zufrieden (...) Dass es in den öffentlich zugehbaren Innenräumen immer Maskenpflicht gibt. Dass es in den Bars und Restaurants die Ausnahme gibt, dass man frisch geimpft oder genesen sein kann - das ist ein Anreiz für die Impfung."

Geht es also doch nur um den "Anreiz für die Impfung"? Einer diesbezüglichen Forenantwort folgte am 8. August die schriftliche Drohung des anscheinend dünnhäutigen kränklichen Ministers, in der Originalschreibweise, abends um 21:23 Uhr:

"Glauben Sie im Ernst, dass Menschen sich alle 3 Monate impfen lassen, um ohne Maske in ein Restaurant gehen zu können?????? Wenn wir das wirklich oft sähen würden wir die Regel ändern, machen die Ausnahme dicht. Allgemeine Maskenpflicht im Innenraum oder Test wäre dann Konsequenz."

"Die Regeln ändern", eine "Ausnahme dicht machen", Konsequenzen für die Menschen? Wovon spricht der Bundesgesundheitsminister? Von absoluter willkürlicher Verfügungsgewalt über die Bürger im Land? Abschließend ein Paradebeispiel für die fragliche Gedankenwelt des Bundesgesundheitsministers. Eine Bayerische Ärztin erfährt das Gerichtsurteil, zwei Jahre ohne Bewährung plus Bußgeld, aufgrund des Ausstellens von sogenannten Maskenattesten. Die früheren CSU-Abgeordneten Alfred Sauter und Georg Nüßlein dürfen ihre hohen Provisionen (1,24 Millionen Euro und 660.000 Euro) für die Beschaffung von Schutzmasken zu Beginn der Corona-Pandemie behalten. Kommentiert wurde von Lauterbach bis dato nur das erste Ereignis, über einen Twitter-Beitrag während seiner Krankschreibung:

"Ein hartes Urteil, aber gerecht. Der kleine Aufwand, im Innenraum Maske zu tragen, kann so vielen Menschen das Leben retten. Oder sie vor chronischer Krankheit schützen. Gute Ärzten wissen das und schützen ihre Patienten."

Gibt es eine Steigerung der Gefühlslage Fassungslosigkeit? Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) verweigerte übrigens nach Anfrage einer Journalistin die Auskunft darüber, wann Lauterbach zum vierten Mal geimpft wurde. Ein Sprecher schrieb der Fragestellerin: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir nicht in Details zu medizinischen Angelegenheiten gehen können." Sieh da. Gibt es eine Steigerung...

Mehr zum Thema - "Von bürgerlicher Demokratie zu digitalem Faschismus": Autor Mülln über die neue Sklavengesellschaft