Wie BlackRock die Arbeitsausbeutung perfektioniert und von der neuen Privatrente profitiert

Die Kapitalorganisation BlackRock ist eines der vielfach unbekannten Finanzinstitute, mit deren Hilfe anonyme Superreiche exponentiell noch reicher werden, während alles Leben dem Diktat der Profiteure unterworfen wird. Ein Interview mit Dr. Werner Rügemer über die BlackRock-Konferenz in Berlin.

Am 16. und 17. September findet im Audimax der Universität Potsdam die diesjährige BlackRock-Konferenz "Der Schwarze Fels – Wie Blackrock & Co. Umwelt, Arbeit und Rente bedrohen" statt. Dabei tragen Referenten aus dem Wissenschaftsbetrieb, Gewerkschaftsvertreter und Repräsentanten der Umweltorganisationen BUND und Greenpeace ihre kritischen Perspektiven auf die Macht und den Einfluss des Finanzriesen BlackRock auf die Arbeits- und Wirtschaftswelt unserer Zeit vor. Der Philosoph und Publizist Dr. Werner Rügemer ist Mitinitiator der Konferenz. Mit RT DE spricht er über Hintergründe und Ziele der Konferenz und stellt die inhaltlichen Schwerpunkte vor.

RT DE: Herr Rügemer, an der Universität Potsdam führen Sie zusammen mit der Universitätsgesellschaft Potsdam im September zum zweiten Mal eine BlackRock-Konferenz durch. Diesmal wird es vor allem um zwei Themen gehen, erstens die Arbeitsverhältnisse im BlackRock-Kapitalismus und zweitens das BlackRock-Konzept für die private Aktienrente. Können Sie anhand eines Beispiels erklären, was mit BlackRock-Arbeitsverhältnissen gemeint ist?

Werner Rügemer: "Auf der Konferenz befassen wir uns mit den Praktiken der Kapitalorganisation BlackRock, weil sie unter einigen hundert ähnlichen Kapitalorganisatoren des US-geführten Westens die größte ist. BlackRock & Co. erzielen ihre hohen Gewinne mithilfe verschiedener Methoden, etwa durch die Fusion von Unternehmen, – ein bekanntes Beispiel: Bayer kauft Monsanto, BlackRock ist Aktionär in beiden Unternehmen –, durch globale Steuerflucht oder durch roboterisierte Aktienspekulation.

Eine wichtige Gewinnquelle ist die Ausbeutung von abhängig Beschäftigten. Als Beispiel nenne ich den multinationalen Amazon-Konzern, bei dem BlackRock zu den führenden Aktionären gehört. Amazon hasst Gewerkschaften und Tarifverträge und bekämpft sie – in den USA genauso wie in Europa – mithilfe modernisierter Methoden des Union Busting. Beschäftigte, die eine Gewerkschaft gründen wollen, werden entweder gleich gekündigt oder sie werden zu Einzelgesprächen beim Vorgesetzten bestellt. Die Belegschaften werden je Abteilung zu Versammlungen verpflichtet, in denen die Manager vor den Gewerkschaften warnen, weil dies "fremde Dritte" mit Fremdinteressen seien.

Nicht nur während ihrer Arbeit werden die Beschäftigten bei Amazon durch Scanner, App und Kameras ständig verfolgt und zur Schnelligkeit angetrieben, sie werden auch in den Pausenräumen und Toiletten überwacht. Ein großer Teil der Beschäftigten sind Leiharbeiter, die je nach Bestellanfall und Verkaufsspitzen schnell geholt und schnell wieder weggeschickt werden können. Einen anderen unsichereren Status haben die (solo-)selbständigen Kuriere, deren Arbeitszeit, Telefonate und Fahrverhalten durch die Mentor-App ebenfalls überwacht und gesteuert wird. Außerdem gibt es für die Paketauslieferung bei Amazon noch die Subunternehmerketten. Es werden gezielt migrantische Beschäftigte angeworben, die billiger und williger sind und kaum gegen die Verletzung von Arbeitsgesetzen protestieren, etwa wenn Überstunden nicht bezahlt werden."

RT DE: Als weiteren Themenschwerpunkt wird auf der Konferenz das BlackRock-Konzept für die private Aktienrente behandelt werden. Würden Sie uns schon mal einen Einblick geben, was man sich unter diesem Konzept verstellen darf, welche Akteure dieses Rentenmodell auf den Weg gebracht haben und zu wessen Nutzen?

Werner Rügemer: "Seit gut drei Jahrzehnten werden bei den meisten abhängig Beschäftigten die Arbeitseinkommen gesenkt, bei den vielen Teilzeitbeschäftigten, Leih- und Werkvertragsarbeitern sowie bei den Scheinselbständigen wie gig und crowdworker und bei den Essensauslieferern sowieso. Auch das hat mit dem Vordringen von BlackRock & Co. zu tun. Diese Kapitalorganisationen sind mittlerweile nicht nur in den USA, sondern auch in Europa, etwa in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und auch der Schweiz die führenden Aktionäre der wichtigsten Unternehmen und Banken. Aufgrund der gesenkten Arbeitseinkommen sinken natürlich auch die Renten.

Deshalb hat BlackRock, – Mitverursacher und Profiteur der Lohnsenkungen –, das Konzept einer zusätzlichen privaten Aktienrente entwickelt. Es handelt sich um eine geschicktere Neuauflage der in Deutschland gescheiterten privaten "Riester-Rente". BlackRock vertreibt dafür in großem Stil das Finanzprodukt Exchanged Traded Funds (ETF). Das ist eine Art Sammelaktie, die auf einen ganzen Aktienindex ausgegeben wird. Damit ist man als Käufer zum Beispiel gleichzeitig Miteigentümer an allen 40 DAX-Konzernen. Diese mutmaßliche "Volksaktie" kann man schon in kleinen Mengen kaufen. Dabei profitiere man, so die Werbung, vom angeblich stetigen Anstieg der DAX-Werte, trotz mancher Krisen, in denen die Werte sänken. Die ETFs, heißt es weiter, könne man bei Bedarf auch schnell verkaufen, zum Beispiel beim Renteneintritt. Geworben wird dafür auch mit extrem niedrigen Gebühren zwischen 0,1 und 0,2 Prozent. Dies ist möglich, weil diese ETFs ja keinen Aufwand bei der Auswahl von Aktien erfordern, sie werden von BlackRock roboterisiert verwaltet.

Bei der Sache gibt es aber ein großes Problem: BlackRock bleibt Vertreter der Exchanged Traded Funds in den Unternehmen, erweitert damit seinen Einfluss und kann also auch von sinkenden Löhnen profitieren. Dabei werden an ETF-Käufer keine Gewinne ausgeschüttet. BlackRock fordert zudem, dass die Rente mit ETF steuerlich gefördert wird. Der Staat subventioniert – wie in den USA schon üblich – diese private Rente mit Steuergeldern und wird dadurch noch ärmer. Die Regierung in Frankreich unter dem Ex-Banker Macron hat die BlackRock-Rente schon gesetzlich verankert.

BlackRock hat durch seinen EU-Lobbyisten George Osborne, Ex-Finanzminister Großbritanniens, erreicht, dass auch das Europäische Parlament auf Vorschlag der Europäischen Kommission das BlackRock-Rentenkonzept beschlossen hat: Pan European Personal Pension Product (PEPP) heißt die Verordnung aus dem Jahr 2019. So sollen die Menschen unabhängig von staatlichen und betrieblichen Renten eine eigene Altersvorsorge finanzieren – neben den Angestellten auch die Selbstständigen, die Landwirte, die Erwerbslosen und die Studierenden.

Der langjährige BlackRock-Lobbyist in Deutschland, der jetzige CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, hat diese BlackRock-Rente propagiert. Und die jetzige deutsche Ampel-Regierung hat die private Aktienrente schon in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen."

RT DE: Im Jahr 2020 haben Sie gegen BlackRock ein "Tribunal" durchgeführt, bei dem BlackRock auf der Anklagebank saß und eine Jury über die Kapitalorganisation urteilte. 2021 konnte wegen der Coronamaßnahmen keine BlackRock-kritische Veranstaltung durchgeführt werden. Können Sie bewerten, wie BlackRock & Co. und ihre anonymen Aktionäre von der Corona-Politik profitiert haben?

Werner Rügemer: "Als Aktionär bei den meisten Pharmakonzernen, die die Impfstoffe herstellen, hat BlackRock mit den Corona-Impfungen riesige Gewinne gemacht. BlackRock ist auch Aktionär in allen großen Digital-Konzernen wie Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft, die aufgrund der Corona-Maßnahmenpolitik große Aufträge zur Digitalisierung des Gesundheitswesens, der Schulen, der Hochschulen, der öffentlichen Verwaltung, der Unternehmen, des Militärs usw. bekommen. Amazon Web Services (AWS), die Cloud (Speicheranlage) ist inzwischen der größte Gewinnbringer im Amazon-Konzern.

Auch Amazon hat wie andere Plattform-Lieferdienste mithilfe der Pandemie-Politik sein Geschäft enorm ausgeweitet. Und BlackRock ist übrigens auch führender Aktionär in der umweltschädlichen und auch tödlichen US-Fracking-Industrie und großer Gewinner der US-geführten Sanktionen gegen Russland."

RT DE: Könnten Sie erläutern, warum die wesentlichen "Influencer" und die eigentlichen Profiteure der westlichen Wirtschaft anonym bleiben? Oder anders gefragt: Warum wissen wir Otto-Normalverbraucher überhaupt nicht, wer über uns entscheidet, und mit uns und unserer Arbeit die Mega-Profite macht?

Werner Rügemer: "Wir leben in der Phase des Kapitalismus, in der die wichtigsten Eigentümer der Unternehmen und Banken so unbekannt sind wie noch nie. BlackRock & Co. arbeiten möglichst "diskret" außerhalb der Öffentlichkeit. BlackRock ist Aktionär in etwa 18.000 Konzernen, Banken undFinanzdienstleistern gleichzeitig in den USA, England, in der EU, in Singapur, Mexiko, auch in China. Aber BlackRock-Chef Laurence Fink geht in keine Talkshow, lässt sich nur in den Finanz-Postillen wie Wall Street Journal und Handelsblatt interviewen. BlackRock hält außerhalb der Öffentlichkeit engen Kontakt mit Regierungs- und Unternehmenschefs. Darüber schweigen die Massenmedien, auch die staatlichen, wie auf Befehl.

Es handelt sich sogar um eine doppelte Anonymität: Den Namen BlackRock hat man vielleicht schon mal gehört. Aber schon die Namen der nächstgrößten Kapitalorganisatoren, die gleichzeitig mit BlackRock auch zu den führenden Aktionären im DAX gehören, sind der allgemeinen Öffentlichkeit unbekannt: Vanguard, State Street, Capital Research, T Rowe Price, Wellington, Fidelity ... Kennen Sie diese Namen? Wissen Sie, was diese heutigen Großkapitalisten genau machen?

Und diese großen Unbekannten sind die führenden Aktionäre, – ich nenne jetzt als Beispiel nur mal ein paar Unternehmen in Deutschland –, bei Deutsche Post, Adidas, Deutsche Bank, bei den beiden größten Wohnungskonzernen Vonovia und Deutsche Wohnen, bei RWE, Eon, Bayer, BASF, Rheinmetall, Deutsche Telekom und so weiter. Dabei sind diese Kapitalorganisationen aber nur die rechtlichen Vertreter der eigentlichen Eigentümer dieser Großkonzerne: superreiche Multimillionäre und Multimilliardäre. Diese geben ihr Kapital an BlackRock & Co., die für sie eine jährliche Rendite zwischen 6 und 10 Prozent herausholen sollen.

Die superreichen Kapitalgeber werden mithilfe von BlackRock & Co anonymisiert. Das Kapital in Gestalt der Aktienanteile wird in Briefkastenfirmen in den wichtigsten Finanzoasen zwischen dem winzigen US-Bundesstaat Delaware, den Cayman Islands, Luxemburg und Singapur versteckt. Die Gewinne fließen auf die Konten von anonymen Superreichen in diesen sogenannten Finanzoasen.

BlackRock behält zwar "nur" eine Verwaltungsgebühr ein, aber aufgrund des Gesamtvolumens führt dies bei der Kapitalorganisation auch selbst zu  Milliardengewinnen, während die „demokratischen“ Staaten verarmen und die öffentliche Infrastruktur verkommt."

RT DE: Mit welcher öffentlichen Resonanz rechnen Sie in der akademischen und in der Medienwelt? Wurden die Themen des ersten BlackRock-Tribunals öffentlich aufgegriffen? Und mit wie vielen Teilnehmern rechnen Sie in diesem Jahr?

Werner Rügemer: "In der akademischen und in der Medienwelt ist BlackRock immer noch kein Thema, außer sehr intensiv in den elitären Finanz- und Unternehmer-Medien, wie schon erwähnt. Über die Kapitalorganisation kann man im Handelsblatt, im Wall Street Journal, im Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder im Manager-Magazin lesen. Doch die akademischen Ökonomen reden diesbezüglich von "der Wirtschaft", der "Finanzwelt", "den Investoren". Gelegentlich reden die besonders kritischen Ökonomen schon mal vom "Kapitalismus", so etwa der millionenfache Erfolgsökonom Piketty, – aber die Namen der wichtigsten Kapitalisten wie BlackRock nennt er nie.

Wir setzen bei unserer Öffentlichkeitsarbeit auf neue und kritische Blogs, kleine Zeitschriften und Verlage. Außerdem sind wir mit antikapitalistischen Initiativen oder auch mit aktiven Teilen der Gewerkschaften in Kontakt. Wobei man feststellen muss, dass die Gewerkschaften in Deutschland, aber auch in den USA und in der Schweiz, sich vielfach komplizenhaft mit dem Kapital gebärden.

Die eigentlich notwendige "Zeitenwende" gegen die Pandemie-, Rüstungs- und Inflationsgewinner wie BlackRock besteht im aktuell anschwellenden und notwendigen Massenprotest gegen die hohe Inflation bei Nahrungsmitteln und Energie und für mehr Personal in Kindergärten, Schulen, öffentlicher Verwaltung, Krankenhäusern, Altenheimen. Die Erforschung unseres Gegners, wozu auch die BlackRock-Konferenz im September in Berlin dient, ist dabei eine notwendige Maßnahme, um den Protest besser zu begründen, ihn strategisch zu festigen und auszuweiten."

Dr. Werner Rügemer ist Autor einiger Kapitalismus-kritischer Bücher. Zu seinen aktuellen Veröffentlichungen gehören:

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