Bilder von der Düsseldorfer Coronademonstration – eine Hommage an die Kreativität des Widerstands

Auch wer sich schon länger politisch engagiert, kann auf coronakritischen Demonstrationen häufig nur staunen, mit wie viel Kreativität und Witz viele Teilnehmer ihre Kritik und ihre Forderungen zum Ausdruck bringen.

ein Kommentar von Felicitas Rabe zu den Coronademos im Februar 2022

Man sollte nicht vergessen, dass sich ein Großteil der Kritiker der Coronamaßnahmen bis zum Beginn der Pandemie weder politisch engagiert, noch je zuvor an Demonstrationen teilgenommen hat. So hätten Soziologen, wenn sie denn daran interessiert wären, ein in den letzten zwei Jahren völlig neu aufgekommenes Phänomen zu erforschen.

Welcher Mittel bedienen sich Menschen, die sich bisher wenig um Politik gekümmert haben, um ihren Widerstand in die Öffentlichkeit zu tragen? Wie organisieren sie sich angesichts der massiven Repressionen durch die Behörden? Woran orientieren sie sich, gibt es politische Vorbilder?

Noch ist offen, ob diese quasi über Nacht entstandene Form des Widerstands und die Art, wie ihm Ausdruck verliehen wird, jemals von Sozialwissenschaftlern untersucht wird. Derzeit meidet die Forschung tendenziell Themen, die universitäre Sponsoren und Drittmittelgeber verschrecken könnte. Nicht das erste Mal in der Geschichte läuft eine von den Herrschenden unerwünschte gesellschaftliche Bewegung Gefahr, verdrängt und ihre Kritik verschwiegen zu werden, ohne dass spätere Generationen etwas über die Vielfalt und die Einzelheiten dieses Widerstands erfahren.

Dabei könnte selbst einem soziologischen Laien auffallen, wie untypisch sich die maßnahmenkritischen Demonstrationen im Vergleich zu anderen Protestbewegungen entfalten. In Deutschland setzen sich Demonstrationen traditionell meist aus politischen Blöcken zusammen, die sich auch in der Aufstellung auf der Straße zeigen. Die Menschen sortieren sich dabei nach ideologischer Zugehörigkeit und laufen blockweise hinter einem entsprechenden politischen Banner her. 

Aber der Widerstand gegen die Coronamaßnahmen rekrutiert sich nicht aus den Anhängern politischer Parteien, Gewerkschaften und NGOs. Er bildet eher einen breiten Querschnitt der Bevölkerung ohne klare politische Zugehörigkeit ab – mit geringen Anteilen aus dem linken und dem rechten Spektrum. Vielleicht ist das auch einer der Gründe für die erhebliche Repression? Denn das geringe Maß der Involvierung klassischer politischer und gesellschaftlicher Organisationen und der Mangel an Identifikation mit den etablierten politischen Akteuren erschwert sicher auch die politische Steuerung des Protests.

Die coronakritische Bewegung agiert aus dem Blickwinkel der Herrschenden geradezu unberechenbar und anarchistisch und erfüllt die Kriterien einer echten Graswurzelbewegung. Dass es noch einmal eine so große Massenbewegung geben könnte, die nicht wie zum Beispiel die sogenannten Farbrevolutionen von den Herrschenden geplant wurde, damit hatte man scheinbar überhaupt nicht gerechnet!

Man kann den kreativen und witzigen Graswurzelgeist in vielen Selbstorganisationsformen der neuen Bewegung entdecken.

Er spiegelt sich vor allem auch in der beeindruckenden Menge individuell gestalteter Plakate und witziger Slogans wider. Denn auf von den etablierten Akteuren organisierten deutschen Demonstrationen beherrschen meist traditionell bieder-moralische Slogans das Feld. 

Dagegen zeugt der Anblick des Schilderwalds auf einer Düsseldorfer Anti-Corona-Demo vom kreativen und unkonventionellen Potenzial des Widerstands im Umgang mit den immer neuen Herausforderungen seitens der Coronapolitik. Angesichts der seit zwei Jahren herrschenden Repression präsentiert sich dabei eine unerwartet gelassene Entschlossenheit. Der respektvolle Umgang untereinander und die Solidarität jenseits aller ideologischen Identifikation strahlen zudem eine Stärke aus, die den gemeinsamen Widerstand trägt.

Auf coronakritischen Demonstrationen kann man die verbindende Kraft dieser kreativen Widerstandsstimmung vielerorts in Deutschland erleben.

Mehr zum Thema - Leipzig: Mindestens 2.000 Menschen demonstrieren für "Freiheit und Frieden"