von Susan Bonath
Die Maske gehört zu den geweihten Hostien deutscher Pandemie-Bekämpfer. Um (inzwischen fast "durchgeimpftes") Lehrpersonal und diverse "Risikogruppen" zu schützen, müssen Kinder sie seit 2020 in der Schule tragen – im Bus, im Schulhaus, auch im Unterricht. Der deutsche "Freedom Day", in Wahrheit ein Übertragen der Maßnahmen-Hoheit auf die Bundesländer, bringt hier den Kindern wenig "Freiheit" zurück. Viele regionale Pandemie-Manager wollen an der Maskenpflicht in Schulen festhalten. Doch was hat diese Pflicht bisher – in positiver wie in negativer Hinsicht – nun eigentlich bewirkt? Das wissen die Politiker bis heute nicht genau. Und vorsichtshalber macht jedes Bundesland nun weiter, dafür jedes wie es will.
Wer schon einmal den ganzen Tag mit einer Maske arbeiten musste, ahnt vielleicht, was das für Sechs- oder Zehnjährige bedeuten muss. Denn Schule ist auch Arbeit. Man wird schnell müde, das Atmen fällt schwerer, nach einer Weile fühlt es sich unhygienisch an. Masken sollen Tröpfchen beim Sprechen und Ausatmen zurückhalten, heißt es. Dies dämme die Virusübertragung ein – vorausgesetzt, es ist überhaupt ein Virus vorhanden.
Wie weit der Schutz nun wirklich reicht, ist nach zwei Jahren Pandemie wissenschaftlich zumindest fraglich. Trotz Maskenpflichten überall misst man in Deutschland so viele positive "Fälle" wie nie zuvor. Fast 320.000 neue "Fälle" meldete das Robert Koch-Institut (RKI) allein am 25. März. Mehr als zwölf Millionen neue "Fälle" verzeichnete es allein seit Januar – trotz Masken, Tests und einer Impfquote von über 75 Prozent in der Gesamtbevölkerung. Und ja, auch die meisten Schulkinder haben ihre Corona-Infektion schon hinter sich.
Kein endgültiger Abschied von pflichtmaskierten Schulkindern
Der deutsche "Freedom Day" ist eine Ausgeburt von Flickenteppich, den wohl kaum noch irgendwer durchschaut oder versteht. Vom RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) zitierte Hardliner-Experten fürchten sich im Falle des Aufhebens der Maskenpflicht in Schulen vor steigenden oder stagnierend hohen Zahlen.
Im April wäre es zu früh, im Mai eventuell besser – aber nur vielleicht, meint etwa der Berliner Epidemiologe Timo Ulrichs in diesem Beitrag. Die Virologin Isabella Eckerle, offensichtlich von der No-COVID-Fraktion, will die Maskenpflicht in Innenräumen offenbar für immer und ewig. Jede vermiedene Infektion sei ein Gewinn, so Eckerle.
Doch wo gilt denn nun eigentlich was? In Berlin zum Beispiel soll die Maskenpflicht in Schulen am 1. April fallen, jedenfalls pro forma, nur die Testpflicht soll bleiben. Die Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) empfiehlt die Maßnahme aber weiterhin. Das dürfte wohl zu einem Wettbewerb unter Kindern führen: Gut ist, wer die Maske weiterträgt. Welches Kind traut sich dann, sie abzusetzen?
Ähnlich hat sich Brandenburgs Regierung entschieden. In Schleswig-Holstein will die SPD indes die Schüler weiterhin mit Masken sehen – wegen der Inzidenzen. Auch in Hamburg ist kein Ende für die Kinder und Jugendlichen abzusehen. "Wir setzen weiterhin auf Vorsicht und Sicherheit", mahnte Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) beim NDR.
Sind Kinder die Opfer der Ängste von Erwachsenen?
Panik schürt derweil das dafür seit zwei Jahren bekannte Lehrerportal news4teachers.de. Wegen der vielen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine wäre es nun "aberwitzig", die Maskenpflicht an Schulen zu streichen, zitierte es am 21. März die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaften (GEW) Ayla Celik.
Angeblich, so das Lehrerportal in einem anderen Beitrag, will die Mehrheit der Bevölkerung die Schulkinder weiterhin maskiert sehen. Fragt sich nur, wie viele Kinder hier unter den Befragten waren. Der Verdacht liegt nahe: Es geht vermutlich nicht primär um die durch Corona am wenigsten bedrohten Kinder. Bekämpfen will man wohl vor allem die Ängste von Erwachsenen.
Bis heute keine Studien zum Nutzen und zu Risiken für Kinder
Dass sechs bis acht Stunden tägliches Maskentragen so manchem Kind womöglich physisch wie psychisch schwer zu schaffen machen könnte, hören Befürworter dieser Maßnahme gar nicht gerne. Die Kleinen hätten sich doch ganz toll daran gewöhnt, so ein klassisches Argument von dieser Seite.
Und überhaupt: Probleme wie Atemnot, Kopfschmerzen oder allgemeines Unwohlsein am Ende eines Schultages entstünden vor allem durch kritische Eltern, glaubt die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). Je schmackhafter die Eltern ihren Kindern die Prozedur machten, desto leichter gingen auch die Kinder damit um, heißt es dort.
Unter anderem wies auf diese Ausführungen der DGKJ Sebastian Gülde als Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) auf Anfrage der Autorin hin. Die Frage, über welche evidenzbasierten Studien zu Sechs- bis 17-Jährigen die Bundesregierung nun nach zwei Jahren Pandemie verfügt, beantwortet das jedoch nicht. Denn auch die DGKJ beruft sich allein auf Ausführungen zum Arbeitsschutz bei Erwachsenen.
Allerdings: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, wie eigentlich jeder Mediziner wissen müsste. Und die Frage der Gewöhnung könnte man in anderer Hinsicht genauso stellen: Gewöhnen sich Kinder nicht auch irgendwie an prügelnde Eltern, weil sie gar keine andere Chance haben?
BMG-Sprecher Gülde verwies zudem auf allgemeine Anleitungen zum Tragen von Masken in Schulen und noch allgemeinere Ausführungen des RKI dazu. Das Problem: Niemand verliert ein Wort über Studien, mit denen Nutzen und Risiken dieser Maßnahme bei Schulkindern ermittelt wurden. Wahrscheinlich gibt es die in Deutschland gar nicht.
Wie ein religiöses Ritual: Dran glauben und weitermachen
Kurzum, das BMG lieferte nichts von allem Angefragten: Keine Studien, keine Auswertungen und keine Absichten, die Evidenz von fast zwei Jahren Maskenpflicht in Schulen selbst und wissenschaftlich unvoreingenommen zu ermitteln. Der Stand scheint derselbe wie der vor einem Jahr zu sein. Zahlreiche Anfragen der Autorin in verschiedenen Bundesländern seit Mitte 2020 wurden mit ähnlich allgemein gehaltenen Ausführungen beantwortet, wie auch diesmal:
"Grundsätzlich ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS, OP-Maske) bzw. einer FFP2-Maske in bestimmten Situationen ein wichtiger Baustein, um das Übertragungsrisiko von SARS-CoV-2 zu reduzieren. Diese Empfehlung beruht auf Untersuchungen, die belegen, dass ein relevanter Anteil von Übertragungen vor dem Auftreten oder vor der Erkennung erster Krankheitszeichen und damit unbemerkt erfolgt."
Der Schluss liegt nahe: Welche physischen und psychischen Nebenwirkungen stundenlanges Maskentragen bei Kindern auslöst und welchen Nutzen die Maßnahme bislang konkret gebracht hat, wurde bis heute nicht ermittelt. Nicht einmal die hohen Zahlen an Positivtests in den letzten Monaten trotz aller Maßnahmen führten offenbar dazu, genauer hinzuschauen. Politiker ordnen es wohl einfach an, weil sie daran glauben wollen.
Kann es vielleicht sogar sein, dass man gar nicht so genau wissen will, wie es den Kindern damit geht und was es wirklich bringt? Dies aber gäbe der Maskenpflicht für Schulkinder schon ein wenig den Charakter eines religiösen Rituals. Ein Schelm, wem ein solcher Gedanke kommt?
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