Von Wladimir Kornilow
Die Zahl der antirussischen Falschmeldungen in den westlichen (ganz zu schweigen von den ukrainischen) Medien und in den sozialen Netzwerken ist inzwischen unüberschaubar. Überall werden Aufnahmen vom Kessel von Debalzewo aus dem Jahr 2015 als "brennende russische Panzerfahrzeuge" dargestellt, und Bilder von russischen Flugzeugen, die für eine Siegesparade vor zwei Jahren in Moskau trainierten, werden als Flugzeuge über Kiew verkauft.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich jedoch ein Video, in dem zu sehen ist, wie "ein tapferer Ukrainer seine Tochter von der Front wegschickt, um selbst den Kampf gegen die russische Invasion zu führen". Und dieses Filmmaterial ist überall zu sehen! Es wird veröffentlicht und immer wieder weiter geteilt. Und zwar von allen: von Journalisten, Politikern, Diplomaten und der Masse der einfachen Bürger. Denn ja, es ist in der Tat unerträglich, diese herzzerreißenden Videos eines weinenden Vaters und seiner Tochter zu sehen, die sich gerade voneinander verabschieden.
So kam denn auch die Redakteurin im Ressort der Kriegsberichterstattung bei der Times Larissa Brown nicht umhin, dieses Material zu verbreiten – und den Senf dazuzugeben, dass die Ukrainer "da bleiben und ihr Heimatland verteidigen". Auch der "Besinger der Maidane", der französische "Philosoph" Bernard-Henri Lévy, konnte sich dieses Video nicht entgehen lassen – und bestückte es mit hochpathetischen Worten über die "Tapferkeit" des Mannes und einem Hashtag zur Unterstützung der Ukraine. Auch retweetete er Aviva Klompas, eine israelische Schriftstellerin und ehemalige Mitarbeiterin der israelischen UN-Mission, die ebenfalls berichtete, dass der Held des Videos "bleibt, um für die Ukraine zu kämpfen" – und all dies mit einem Hashtag des Inhalts "Russland ist in die Ukraine eingefallen" versah.
Das Video wurde von wütenden antirussischen Kommentaren begleitet und in diesen und in Retweets und Weiterleitungen stetig mit verschiedenen Interpretationen und "Details" erweitert. Manch einer gibt sich "ironisch":
"Was für ein Schock, dass er Russisch spricht. Das sollen also Menschen sein, die vermeintlich unterdrückt wurden."
Manch anderer sieht die Schuld bei Wladimir Putin. Und ein Dritter meint, der Mann sei ein Mitglied des Asow-Bataillons – und man müsse ihm deshalb helfen.
Faktenchecking: Checken die Wenigsten
Und niemanden kümmert es, dass das Video am 21. Februar im leidgeprüften Gorlowka (DVR) gedreht wurde – und zeigt, wie Kinder von dort evakuiert werden, und zwar nach Russland! Ebenso wenig, dass es von Bürgermeister Iwan Prichodko veröffentlicht wurde.
Vom Bürgermeister des nämlichen Gorlowka, in dem heute ukrainische "Krieger des Lichts" eine Schule zerbombten, wobei zwei Lehrer getötet wurden. Dementsprechend – nur zur endgültigen Klarheit – rettete gerade Russland diese Kinder vor dem heutigen barbarischen Beschuss durch die ukrainischen Kämpfer, denen gegenüber sich Lévy und seinesgleichen so liebestoll geben.
Doch was ganz besonders zynisch ist – können Sie sich's denken? –, ist die Tatsache, dass keiner dieser virtuellen "Kämpfer für die Ukraine" all diesen Aufnahmen vor Beginn der russischen Operation in der Ukraine auch nur ein Quäntchen Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Und nicht nur das – es hatte auch Aufrufe aus diesem Lager gegeben, diesen Bildern keinen Glauben zu schenken!
So hatte zum Beispiel BuzzFeed-Korrespondent Christopher Miller behauptet, dass die Menschen angeblich sehr unglücklich über die Evakuierung seien – und all diese herzzerreißenden Bilder von Kindern aus dem Donbass, die nach Russland evakuiert werden, seien "inszeniert".
Wundersame Metamorphose
Doch nun nehme man genau dieselben Bilder und Videos, betitele sie aber mit dem Hinweis, dass all dies nicht in der Volksrepublik Donezk geschehe, sondern in der Ukraine – und schon geschieht eine wundersame Metamorphose! Denn nun verstört und besorgt das Video die Vertreter der westlichen Welt "mit den erleuchteten Gesichtern" zutiefst!
Und das geht ja nun schon seit acht Jahren so. All diese "Zivilisatoren" scheren sich einen Dreck um das Leid der Kinder im Donbass und verschließen stur die Augen, wenn man ihnen Bilder von der "Madonna von Gorlowka" Kristina Schuk und ihrem Baby Kira zeigt, die von ukrainischen Kämpfern beim Beschuss Gorlowkas mit Mehrfachraketenwerfern ermordet wurden und so, wie sie verendeten – in Umarmung –, zu Grabe getragen wurden (im Übrigen pflegte Schuk manchen Informationen zufolge eine eher pro-ukrainische Einstellung); oder auch Videos, in denen Russland Kinder aus dem Donbass rettet. Doch kaum erklärt man die in Fotos und Videos gezeigten Menschen als "Opfer der russischen Aggression" – schon kann man es problemlos auf die Titelseiten bringen. Und dann haben sie den Nerv, Information über einen Völkermord im Donbass als lächerlich zu kommentieren.
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Übersetzt aus dem Russischen.
Wladimir Kornilow ist ein sowjetischer, ukrainischer und russischer Politologe, Geschichtswissenschaftler, Journalist, Schriftsteller und gesellschaftlicher Aktivist. Politischer Beobachter bei der russischen Internationalen Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja. Ehemals Leiter der Ukrainischen Filiale des Instituts der GUS-Staaten in Kiew und Leiter des Zentrums für eurasische Studien in Den Haag. Führt eine Telegram-Kolumne zu aktuellen politischen Nachrichtenanlässen.
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