"Es reicht mit dem Krieg" – Friedensaktivisten machen in Berlin auf Situation im Donbass aufmerksam

Eine Gruppe Aktivisten hat im Zentrum der deutschen Hauptstadt ein kleines Zeltlager aufgeschlagen, um auf das Leid von Kindern im Donbass-Krieg aufmerksam zu machen. Laut der Initiative sind bereits über 150 Kinder durch Artillerie und Minen zu Tode gekommen.

"Heute in Berlin wieder glühend heiß, das Wasser in den Zelten wird warm, und wir haben nicht einmal einen batteriebetriebenen Kühlschrank", sagt Oleg Musyka bei einem seiner täglichen kurzen Live-Streams aus Berlin vom Veranstaltungsort. Dieser befindet sich an der sogenannten Reagan-Tafel auf der westlichen Seite des Brandenburger Tores, und es hat seit dem 15. Juni schon sieben solche Auftritte gegeben. "Eigentlich stoßen wir physisch fast an Grenze unserer Möglichkeiten", räumt er ein. "Aber es lohnt sich allemal, und wir haben viele Menschen erreicht", sagt er.

"Frieden für die Kinder des Donbass. Auch sie träumten von der Zukunft", heißt die Informationsveranstaltung, die noch bis zum 24. Juni dauern wird. "Wir wollen der Kinder gedenken, die täglich das Grauen eines Krieges erleben müssen. Dieser Krieg, um den es geht, findet nur wenige Flugstunden von uns entfernt statt, im Donbass. Und dieser Krieg dauert schon sieben Jahre. Die Kinder, die in diesem September in Donezk, Gorlowka und andern Städten und Dörfern an der Frontlinie eingeschult werden, wurden in den Krieg hineingeboren, wissen nicht, was Frieden ist. Und viele Kinder werden den Frieden nicht mehr erleben können, sie wurden durch die ukrainische Armee und faschistische Freiwilligenverbände durch Bomber, Granaten, Luftminen und zuletzt von Drohnen getötet", teilen die Aktivisten in ihrer Pressemitteilung mit.

Sie zählen allein 150 getötete Kinder, die aus von Kiew nicht kontrollierten Gebieten stammen. Weitere zehn, hauptsächlich Minenopfer, kommen aus dem ukrainischen Gebiet. Nun wollen sie den Berlinern und Gästen der Stadt von diesem Krieg berichten. Passanten sehen glückliche Kindergesichter, auf einer Collage mit 50 Bildern ragt das Bild der "Madonna von Gorlowka" hervor. Sie, ihre Tochter und mehr als ein Dutzend weitere Zivilisten starben am 27. Juli 2014 im Stadtpark der ostukrainischen Stadt Gorlowka infolge von Artilleriebeschuss. Die Bilder des grausamen Todes der 23-jährigen Kristina und der zehn Monate alten Kira Schuk sorgten seinerzeit für internationales Aufsehen. Die Macher der Ausstellung wollen allerdings auf die Schockwirkung der blutüberströmten, zerfetzten Körper verzichten und zeigen Bilder der Opfer, als diese noch am Leben waren. 

Das macht die Ausstellung auch kindertauglich, denn es laufen viele Schulklassen vorbei. Oft bleiben die Schüler stehen und schauen in die Gesichter ihrer Gleichaltrigen, die nicht mehr am Leben sind. Lehrer oder Freiwillige aus dem Zeltlager erzählen ihnen von der Region Donbass und dass es dort Krieg gibt.

Auf Plakaten halten sie sich mit Schuldzuweisungen zurück. "Wir wollen keine Konflikte provozieren", sagt einer der anwesenden Helfer. Neben dem Koordinator dürfen gleichzeitig bis zu drei Personen den Stand betreuen – täglich werden die Vorgaben des Berliner Senats von Polizisten geprüft. Einer der Freiwilligen bewacht das Lager auch nachts.

"Wir wollen nicht, dass unser Zeltlager auch hier zerstört wird", sagt Musyka, der aus der südukrainischen Stadt Odessa geflüchtet war und als einer der Überlebenden des Odessa-Pogroms am 2. Mai 2014 politisches Asyl in Deutschland bekam. Das Grauen jenes Abends ist bei ihm immer noch frisch in Erinnerung. Damals war das Lager antifaschistischer Aktivisten auf dem Kulikowo-Feld von einem nationalistischen Mob verbrannt worden, kurze Zeit später starben mehr als 40 Aktivisten im danebenliegenden Gewerkschaftshaus durch Feuer, Schüsse oder Erstickung.

Er berichtet von Passanten aus der Ukraine, die beim Anblick der Stände "Ruhm der Ukraine" rufen und die Betreuer des Lagers verbal angreifen. Auch im Internet ist Musyka vielen aktiven Maidan-Anhängern ein Dorn im Auge. Sie haben in der Vergangenheit schon mehrmals versucht, seine Informationsabende durch massiven Druck auf Vermieter zu unterbinden.

"Aber trotz dieser Vorfälle ist die Bilanz unserer Aktion positiv", sagt Musyka. "Wir konnten die Informationsblockade um den Krieg in Donbass ein Stück weit aufreißen. Wir haben unsere Veranstaltung so geplant, dass wir auch am Jahrestag des Überfalls Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni hier dabei sind und hier das Mikrofon mehreren Rednern aus der Friedensbewegung zur Verfügung stellen können. Unsere Botschaft an diesem Jahrestag ist klar: Es reicht mit dem Krieg, es sterben Kinder."

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