Ein Kommentar von Tom Fowdy
Südkoreas Präsident Moon Jae-in hat verkündet, dass "man sich grundsätzlich auf eine Vereinbarung geeinigt" habe, um den Konflikt zwischen Nord- und Südkorea beizulegen, der 1950 ausbrach und nach dem Waffenstillstand im Jahr 1953 nie offiziell für beendet erklärt wurde. Moon fügte an, dass alle relevanten Parteien, darunter die USA, China und Nordkorea, diesem Schritt zugestimmt hätten.
Der Frieden suchende Präsident, der im Jahr 2018 Gespräche während der Spannungen zwischen Pjöngjang und Washington vermittelte, nachdem Donald Trump begonnen hatte, gegenüber Nordkorea eine Strategie des "maximalen Drucks" zu verfolgen, muss sein Amt Anfang 2022 aufgrund der strengen Amtszeitbeschränkungen für südkoreanische Präsidenten aufgeben. Daher ist er bestrebt, noch während seiner Amtszeit einen Frieden auf der Halbinsel zu sichern. Moon befürchtet, dass sein politisches Erbe nicht bestehen wird, nachdem der konservative Hardliner und Präsidentschaftskandidat Yoon Suk-yeol die Umfragen für die bevorstehenden Wahlen anführt. Yoon ist strikt gegen einen Frieden mit Nordkorea, den der amtierende Präsident jetzt auszuhandeln versucht.
Moons Traum von einer offiziellen Beendigung des Koreakrieges wäre ein absolut bedeutsamer historischer Durchbruch, der großes Lob verdienen und die politische Landschaft seines Landes nachhaltig verändern würde. Aber genau das ist Teil des Problems, weshalb Moons Vorstoß zwar idealistisch sein mag, mehr aber nicht. In der Berichterstattung der BBC über diese jüngste Entwicklung ist eine Aussage zu finden, die die kalte Realität der Situation anspricht: "Aber die Gespräche müssen noch beginnen." Dieser Satz fasst alle Knackpunkte zusammen. Kurz gesagt: Die formelle Beendigung des Koreakrieges ist aus vielerlei Gründen für die Vereinigten Staaten nicht opportun. Was wird Biden also tun? Ganz einfach: Er wird stillhalten bis Moon abgetreten ist.
Die USA werden ein formelles Ende des Koreakrieges niemals akzeptieren, weil die Aufrechterhaltung des Status quo auf der Halbinsel fest in ihren geopolitischen Interessen eingeplant ist. Der eingefrorene Konflikt ermöglicht es Washington, 30.000 Soldaten in Südkorea zu stationieren, um Nordkorea abzuschrecken, das operative Kommando über die komplette Armee Südkoreas aufrechtzuerhalten und die Grenze zwischen dem geteilten Korea, die sogenannte Demarkationslinie, mittels ihres politischen Gewichts bei den Vereinten Nationen zu kontrollieren. Südkorea ist eine wichtige Säule der militärischen Projektion der USA in Asien, mit China in Blickweite.
Ein Ende des Koreakrieges würde unverzüglich den Zweck und die Legitimität der amerikanischen Präsenz in Südkorea obsolet machen, dem Narrativ vom "US-amerikanischen Retter und Beschützer" ein Ende setzen und unterdrückte politische Bewegungen stärken, die sich sowohl in Süd- als auch in Nordkorea mit der Forderung hervortun, dass die USA das Land verlassen sollen. Zudem würde eine formelle Beendigung des Koreakrieges unweigerlich das Ende des kommunistischen Nordkoreas als definiertem Feind bedeuten. Für US-Strategen, Politiker und politische Entscheidungsträger wären dies inakzeptable Optionen.
Aber das ist noch nicht alles, denn da gibt noch Fallstricke vonseiten Nordkoreas, was die Sache zusätzlich erschwert. Die USA haben diktiert, dass alle Friedensinitiativen und jedes weitere Engagement mit Nordkorea nur unter der Prämisse der Forderung nach einer zukünftigen Denuklearisierung der Halbinsel stattfinden dürfen. Pjöngjang betrachtet sein Atomprogramm jedoch als ultimative Garantie für die nationale Souveränität und als nicht verhandelbar. Während Nordkorea bereit ist, den Krieg formell für beendet zu erklären, weiß Washington sehr genau, dass eine Absicht beider Seiten, dies zu tun, die militärischen Optionen der USA zunichtemachen würde, deren einzige legale Rechtfertigung der eingefrorene Konflikt ist.
Die Unterzeichnung eines Friedensvertrags durch die USA würde effektiv den eigenen Kriegszustand mit Nordkorea beenden und eine Anerkennung dieses Staates bedeuten, was wiederum einen massiven Verlust an militärischer und geopolitischer Macht auf regionaler Ebene mit sich bringen würde. Stattdessen ist es das Ziel der USA, Pjöngjang durch eine Denuklearisierung zu befrieden, den Status quo jedoch beizubehalten.
Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un ist nicht naiv genug, um in diese Falle zu tappen. Seine Position ist klar: Die USA müssen die nuklearen und ballistischen Raketenkapazitäten seines Landes akzeptieren. Das ideale Szenario für Nordkorea wäre, sein Rüstungsprogramm beizubehalten, den Krieg formell zu beenden und die USA von der Halbinsel abreisen zu sehen, damit es dann zu seinen eigenen Bedingungen Schritte in Richtung Wiedervereinigung mit dem Süden einleiten kann. Aber auch das wäre für die USA keine akzeptable Option.
Infolgedessen findet sich Moon Jae-in effektiv als Mittelsmann wieder, der versucht, die anderen Parteien zu einer Einigung zu bewegen. Er mag von Frieden sprechen und versuchen den Dialog zu erleichtern, aber die dominante Rolle der USA in Südkorea bedeutet, dass er in seinem Vorgehen nicht souverän ist, um ein formelles Ende des Krieges zu verkünden, an dem sein Land beteiligt ist. Die USA gestalten ihre globale Dominanz nicht vor dem Hintergrund "guter Absichten", was aber letztendlich das Einzige ist, was Moon in diesem Falle zu bieten hat. Zudem betrachtet die Biden-Regierung Nordkorea aufgrund ihres Fokus auf China – und in geringerem Maße auf Russland – nicht als vorrangiges Thema.
Darüber hinaus dient das Fortbestehen eines De-facto-Kriegszustands mit Nordkorea weiterhin als Legitimation, um auf eine Wiederbewaffnung Japans zu drängen, Tokio gegen China in Stellung zu bringen und zusätzliche Waffen und Truppen in die Region zu verlegen. China wiederum befürwortet aus genau diesem Grund eine formelle Beendigung des Krieges, würde sich jedoch vehement gegen ein Ergebnis aussprechen, das einer Kapitulation Nordkoreas gleichkäme und das Land in den Einflussbereich der USA bringen würde.
Angesichts all dieser Überlegungen wird die derzeitige Pattsituation weiter bestehen bleiben. Falls Yoon im kommenden März die Wahlen in Südkorea gewinnt, kann man den Frieden ganz vergessen. Er wird das Land wahrscheinlich in eine Anti-Nordkorea- und Anti-China-Position führen. In eine neue Dynamik, die Moons Wunsch, dem Konflikt zwischen den USA und China aus dem Weg zu gehen, entgegensteht. Stattdessen werden wohl alle bestehenden Differenzen fester denn je zementiert.
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Übersetzt aus dem Englischen.
Tom Fowdy ist ein britischer Autor und Analytiker für Politik und internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Ostasien. Er twittert unter @Tom_Fowdy
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