Mehr Frieden? Die Koalitionsvereinbarung weist in die Gegenrichtung

Anton Latzo

Die neue Bundesregierung tritt zu einer Zeit ihr Amt an, die von einer eskalierenden internationalen Situation und von einer erneuten Zuspitzung der Situation in Europa gekennzeichnet ist.

von Prof. Dr. Anton Latzo

Ein "gemeinsames Haus Europa" ist es nach 1989 nicht geworden, aber ganz Europa ist – wie von den Eliten geplant – kapitalistisch geworden. Demagogisch geschürte Hoffnungen auf Frieden und Sicherheit wurden enttäuscht. Staaten wurden zerschlagen – auch durch Aggressionskriege innerhalb Europas. Und Deutschland war dabei.

Die Verantwortung dafür, dass wir heute in einem Europa und in einer Welt der Feindbilder, der Spaltung von Staaten und Völkern leben, tragen weder Russland noch die Völker Osteuropas. Denn diese Staaten Osteuropas wurden selbst zum Objekt der imperialistischen Politik, zum Objekt der Konkurrenz zwischen den USA und der "Europäischen" Union und deren Konzernen. Zudem ist Osteuropa zum Aufmarschgebiet der NATO/USA geworden, Truppen, Panzer und Raketen stehen bereit. Und im Visier ist Russland.

Für diese brandgefährliche Lage trägt "der Westen" – wie er verschleiernd genannt wird – einschließlich Deutschland die Schuld. Die deutsche Außenpolitik ist nicht auf die Entwicklung der zwischenstaatlichen Beziehungen durch gleichberechtigte Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil, sondern auf deren Nutzung zum einseitigen Vorteil des vereinigten Deutschlands der Monopole ausgerichtet.

Die jüngste Koalitionsvereinbarung folgt dieser Spur. Sie hat keine positiven Überraschungen gebracht. Dafür gibt es mehr als genug Formulierungen, die kaschieren und Altbekanntes als "Fortschritt" verkaufen sollen.

 

Versprochen werden Modernisierung und Wohlstand
Die Koalition ist mit dem Anspruch auf "Modernisierung" angetreten und hat das Wohlstandversprechen erneuert. Sie will Verwaltung und Schulen, aber auch Natur und Umwelt "modernisieren". Das ist auch notwendig – keine Frage. Aber für wen- – und wozu? "Fortschritt wagen", sagen die Koalitionäre. Aber es gab schon einmal die Losung "Demokratie  wagen" – auch von SPD-geführter Regierung. Und was ist daraus geworden? Also ist die Frage erlaubt: kann man modernisieren, ohne die Voraussetzungen, die gesellschaftlichen und die  ökonomischen Bedingungen zu schaffen, sie zuerst zu "modernisieren"? Welchen Sinn hat es, die Fenster zu modernisieren, wenn die Fundamente und die Mauern morsch sind?

Die heutige SPD-"Modernisierung" wird aber vom Seeheimer Kreis und nicht im Geiste August Bebels und auch nicht Willy Brandts gestaltet, der sich in der einen oder anderen Frage noch auf Bebel bezog, der noch wusste, wer Bebel war. Deshalb dient sie der Erhaltung und dem effektiveren Funktionieren des auf  privatem Eigentum beruhenden Ausbeutungssystems, dessen Staates und dessen Politik, und scheut dabei offensichtlich "keinen Mann und keinen Groschen".

 

Modernisiert wird die Bundeswehr
Dazu gehört, dass die Koalition die Bundeswehr modernisieren will. Aber wozu? Im Sinne der Reduzierung der Kriegsgefahren? Oder mit dem Ziel, wirksamer und erfolgreicher militärische Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele einzusetzen, um Krieg führen zu können oder zumindest andere damit zu erpressen? … Aber ist nicht Krieg der größte Zerstörer von Mensch und Natur?. Reichen die bisherigen Erfahrungen nicht?

Die Koalition ignoriert die Tatsache, dass die BRD seit der Übernahme der DDR schon dreimal ihre Bundeswehr in Angriffskriege geschickt hat, um solche zu unterstützen. Sie hat es getan, obwohl sie sich im "Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland", dem sogenannten 2+4-Vertrag vom 12. September 1990 verpflichtet hatte, "dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen" und "Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen".

Stattdessen erlebten wir die Aggression gegen die SFR Jugoslawien. Es sei auch daran erinnert, dass dies unter einer Regierungskoalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen geschehen ist. Zur Rechtfertigung wurde zuvor die Öffentlichkeit noch mit der angeblichen "humanitären Katastrophe" im Kosovo bearbeitet, und es wurde ihr der berüchtigte "Hufeisenplan" präsentiert.

Es folgte im Jahr 2001 die Invasion gegen Afghanistan – ohne UNO–Mandat – sowie das Jahr  2003, als der damalige SPD–Minister Struck das völkerrechtliche Verbrechen der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak mit "allen Anstrengungen" unterstützte.

Diese Linie wurde von den Merkel-Regierungen der CDU/CSU und SPD fortgesetzt. Aktuell ist die Bundeswehr in Europa, Asien und Afrika im Einsatz.

 

Rechtsbeugung wird nicht beseitigt

Um diese Politik zu rechtfertigen, wird sogar das Grundgesetz verfälscht. Es gibt aber keinerlei Absicht der neuen Koalition für eine Korrektur, um die Herrschaft des Grundgesetzes wieder zu gewährleisten.

Bekanntlich besagt sein Art. 26: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen." 

Forderungen aus der Gesellschaft der BRD, die nach der Beteiligung an der Aggression gegen Jugoslawien eine Bestrafung entsprechend dem Grundgesetz verlangten, wurden aber einfach und ganz bewusst übergangen. Selbst vor solcher Rechtsbeugung hat man nicht Halt gemacht.

In einem Schreiben der Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof vom 3. August 2003 wurde dem "Darmstädter Signal" mitgeteilt: "Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 80 Abs. 1 StGB ist nur die Vorbereitung eines Angriffskrieges und nicht der Angriffskrieg selbst strafbar, so dass auch die Beteiligung an einem von anderen vorbereiteten Angriffskrieg nicht darunter fällt. Ein Analogieschluss dahingehend, dass dann, wenn schon die Vorbereitung eines Angriffskrieges strafbar ist, dies erst recht für dessen Durchführung gelten müsse, ist im Strafrecht unzulässig." Hier gibt es dringenden Korrekturbedarf.

Warum greift die neue Regierung nicht die Schlussfolgerung auf, die der vom Bundestag schon 1967/68 eingesetzte "Sonderausschuss für die Strafrechtsreform" festgehalten hat  und die besagt: "Wer einen Angriffskrieg (Art. 26 Abs.1 des GG), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren bestraft." Es gibt also Handlungsbedarf – auch für die Friedenskräfte.

 

Weitere Militarisierung der Außenpolitik
Stattdessen bleibt die Militarisierung der Außenpolitik eine Hauptrichtung der Koalition. Die NATO-Formel von der "Abschreckung" behält für die BRD offensichtlich weiter ihre Gültigkeit. Auf dieser Grundlage war man sich schon im Sondierungspapier einig, dass es um "Deutschlands Verantwortung für Europa und die Welt" gehe. Davon ausgehend will die Koalition "die Europäische Union stärken, um Deutschland zu stärken". Sie will "deshalb deutsche Interessen im Lichte der europäischen Interessen definieren". (Hervorhebungen von A.L.)

Es geht also in der deutschen Außenpolitik nicht primär um Frieden und Sicherheit der Völker vor einem selbstzerstörerischen Krieg, sondern darum, "Deutschland zu stärken".Es geht nicht um Entspannung, um gleichberechtigte Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil, sondern um deutsche Dominanz. Und das mittels  "Abschreckung", also durch Wettrüsten.

Deshalb soll auch nicht das Völkerrecht, sondern eine "regelbasierte Ordnung" nach solchen Regeln durchgesetzt werden, die man selbst vorgibt. In dieser "regelbasierten Ordnung" will man mit denjenigen kooperieren, "die unsere demokratischen Werte teilen". Also eine "Allianz der Demokraten", wie von den USA vorgeschlagen.?

Und gegen wen? Die Koalition sagt, dass es zugleich "auch um den Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen" gehe, zu denen ja bekanntlich vor allem China und auch Russland gezählt werden.

Bei solchen Prämissen bleibt das "transatlantische Bündnis" der "zentrale Pfeiler" der deutschen und der EU-Politik, und die NATO bleibt "unverzichtbarer Teil" der Sicherheit Deutschlands. Das ist der erklärte Kern der außenpolitischen Strategie.

Es wird zwar darauf hingewiesen, dass man zu einem "Dialog" bereit sei. Aber wie soll produktiver und den Frieden fördernder  "Dialog" stattfinden, wenn nicht anerkannt wird, dass gleichberechtigte Subjekte mit unterschiedlichen Standpunkten und Respekt voreinander das Gespräch führen, um sich besser zu verstehen und gemeinsame Lösungen zum gegenseitigen Vorteil und für den Frieden zu suchen? Es kann kein Dialog stattfinden, wenn verlangt wird, dass der Dialogpartner zuerst die Bedingungen der NATO oder der "Europäischen" Union (EU), der USA oder Deutschlands erfüllen muss. Es bleibt auch in dieser Frage noch viel zu tun – auch für die Friedenskräfte.

Es ist also davon auszugehen, dass auch in der Politik der SPD-geführten Regierung der Staat und seine Politik so ausgerichtet werden, dass sie im Bündnis und im Interesse des Kapitals sowohl die materielle Produktion als auch das geistig-kulturelle sowie das gesamte öffentliche Leben in den Dienst der internationalen  Ausdehnung des Wirtschaftspotenzials der Monopole und der expansiven Machtpolitik gerecht werden können – und wenn es anders nicht mehr geht, dann auch mit militärischen, also kriegerischen Mitteln. Das bedeutet: nicht nur die Drohung mit dem Einsatz des Militärischen, sondern der Krieg soll immer mehr wieder zum legalen, in der Breite der Bevölkerung akzeptierten Mittel der Politik gemacht werden, um expansive und hegemoniale Machtpolitik durchzusetzen.

Dabei spielen internationale Netzwerke eine wachsende Rolle. Der Militärisch-Industrielle-Komplex ist als Rüstungslobby und als Allianz von Monopolisten und Militaristen hinlänglich bekannt. Innerhalb des Herrschaftssystems bildet sich zugleich national und international eine spezifische mächtigere Gruppierung heraus, die ständig auf eine besonders aggressive  Ausrichtung der Außenpolitik unter Einsatz auch militärischer Mittel hinwirkt. Ein Zusammenwirken zwischen diesen und den nationalen Regierungen ist nicht zu übersehen – auch bei der neuen Bundesregierung nicht.

Auch Olaf Scholz und seine SPD-Minister werden bekanntlich vom Seeheimer Kreis in der SPD getragen. Der Seeheimer Kreis der SPD ist ein Zentrum dieser Politik innerhalb dieser Partei. Lars Klingbeil, der 20. SPD-Vorsitzende in 24 Jahren seit Willy Brandt, ist Mitglied dieses Kreises, der auch den Bundeskanzler Olaf Scholz stützt und für Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident eingetreten ist. Lars Klingbeil steht zwar für eine jüngere Generation, aber nicht für eine Wende zur Friedenspolitik. Er ist vielmehr bekannt für seine Nähe zur Bundeswehr, gehörte bis zu seiner Wahl zum Generalsekretär der SPD (2017) dem Präsidium der deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik, einem Zusammenschluss für Militärs, Industriellen und Politiker an. Er hat enge Verbindungen zu IT-Konzernen und zu deren Lobby-Verband, der "Initiative D21", in dessen Präsidium u.a. Intel, Microsoft, Deloitte und Gleichrangige vertreten sind. Die Digitalisierung gehört bekanntlich zu den Schwerpunkten der "Ampel"-Koalition.

Dem Kreis gehören auch Martin Schulz, Frank-Walter Steinmeier, Heiko Maas, Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück an. Er steht in der Traditionslinie von Kurt Schumacher. Starke Fäden verbinden ihn mit der deutschen Rüstungsindustrie. Lars Klingbeil kennt den Kreis als Mitglied dazugehöriger Organisationen.           

Außerdem sind Mitglieder der Regierung wie Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) mit  internationalen Netzwerken verbunden. Baerbock gehört zum Jahrgang 2020 des internationalen Netzwerks der "Young Global Leaders", das vom World Economic Forum und von internationalen Oligarchen getragen und finanziert wird. Christian Lindner bevorzugt vor allem die Verbindung zu den atlantischen Organisationen. Habeck ist ein Fan vom SPD-Mann Gustav Noske, der mit den Freikorps die deutsche Novemberrevolution 2018 blutig niederschlagen ließ.

 

Einseitige Außenpolitik

Die Regierungs-SPD und ihre Koalitionspartner befürworten die NATO als Grundlage deutscher Außenpolitik. Der Inhalt der Koalitionsvereinbarung zeigt: sozial-reformistische Außenpolitik bleibt inkonsequent und widersprüchlich, solange sie sich nicht von Antikommunismus, von Russophobie und China-Hetze lösen kann und will.

Diese von der SPD geführte Regierung der BRD hat die Politik eines Landes durchzusetzen, das zur wichtigsten Macht in der EU und zu einer der wichtigsten Hauptmächte der NATO geworden ist. Sie hat bisher ihren ökonomischen und auch militärischen Einfluss im imperialistischen Bündnissystem gestärkt. Sie konnte jedoch ihre politischen Ambitionen nicht in gleichem Maße und nicht in gewünschtem Sinn durchsetzen. Dies bestimmt ihre Position und ihr Verhalten in beiden Organisationen.

In dem genanntem Sinne wird im SPD-Zukunftsprogramm erklärt: "Die NATO ist und bleibt ein tragender Pfeiler der transatlantischen Partnerschaft und für Europas Sicherheit unverzichtbar." Deshalb will die neue Regierung "auf die neue US-Regierung" zugehen, um einen "Neustart in den transatlantischen Beziehungen" zu erreichen.

Parallel dazu "muss die EU sicherheits- und verteidigungspolitisch eigenständiger werden". Ein Ziel in der EU ist dabei auch weiterhin die europäische Armee, die Bündelung europäischer Rüstungskooperation. Die Scholz-Regierung teilt offensichtlich den Standpunkt, dass der Einsatz von Atomwaffen Bestandteil des Einsatzplanes der NATO ist. Scholz und seine Regierung haben zwar kein Bekenntnis zum Verbleib der US-amerikanischen Atomwaffen in Deutschland abgegeben, sie haben aber auch keine Ablehnung dieser Weiterstationierung formuliert. Stattdessen gibt es beredtes Schweigen zur kürzlichen Reaktivierung der USA-Atomeinheit in Mainz-Kastel, die mit Langstrecken-Hyperschallraketen Moskau erreichen kann.

Angesichts der Aktivitäten auf diesem Gebiet werden die Forderungen der Friedensbewegung noch dringlicher, die sich gegen die sogenannte "nukleare Teilhabe" richten, den Abzug der amerikanischen A-Waffen verlangen und die Anschaffung der Trägersysteme für nukleare Waffen – von Drohnen und dergleichen – ablehnen.

Dazu sollte aber auch wieder die Forderung gehören: Deutschland und Mitteleuropa müssen eine von Atomwaffen freie Zone werden.

Die Sicht der Regierung auf die EU wird weitgehend durch die ökonomische Stärke des Landes und durch das politische Konzept der Macht geprägt. Ihrer Verwirklichung steht die Politik der Länder entgegen, die sich der Verantwortung gegenüber ihren Völkern bewusst sind. Von der Notwendigkeit und der Art der Lösung dieses Widerspruchs hängen die künftige Entwicklung der EU und weitgehend auch Frieden und Sicherheit der Völker Europas ab. Es ist auch in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass allgemein davon gesprochen wird, die BRD wolle in der EU eine Führungsrolle ausüben. Aber Führung heißt ja eigentlich, gemeinsame Lösung der Probleme. Die Wirklichkeit der EU zeigt aber, dass bisher in den meisten Fällen und zunehmend der eigene Wille den anderen Staaten aufgezwungen wurde. Es ging und geht also um Durchsetzung der Macht des Starken, um Dominanz.

Die Regierung will auch gegenüber den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und des zerschlagenen Jugoslawiens eine "konzeptionell neu ausgerichtete Nachbarschaftspolitik angehen". Aber Zweifel sind berechtigt, dass damit sowohl gegenüber diesen Staaten als auch gegenüber den Mitgliedern der EU Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Staaten und Völker angestrebt wird. Dafür wird ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten immer wieder ins Spiel gebracht, was die Probleme nicht löst, sondern die Widersprüche verstärkt.

Auch ohne die Probleme im Einzelnen zu analysieren, wird die Kompliziertheit der Lage deutlich. Sie enthält durchaus auch das Potenzial, dass daraus Konflikte und sogar bewaffnete Auseinandersetzungen entstehen können. Umso deutlicher wird aber die Notwendigkeit, die Erfahrungen des Helsinki-Prozesses zu verarbeiten und sie in politische  Aktionen der Staaten und gesellschaftlichen Kräfte umzusetzen.  

 

Beziehungen zu Russland und China

An der Seite der USA, in der NATO und EU sieht auch die neue Koalition ihre Aufgabe darin, die Politik der Einkreisung, Zurückdrängung und Destabilisierung Russlands und Chinas zu betreiben. Diese werden zu Feinden erklärt.

Zwar sagt die  SPD im Zukunftsprogramm: "Frieden in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben", aber schon der darauffolgende Satz lautet dann: "Wertvoll in den Beziehungen zu Russland sind die zivilgesellschaftlichen  Kontakte." Und wie das zu interpretieren ist, wissen wir spätestens seit den Zeiten Gorbatschows und Jelzins und der späteren Entwicklung in der Ukraine. Aus bisherigen Stellungnahmen ist ersichtlich, dass diese Regierung beabsichtigt, die mit dem Putsch in der Ukraine eingeleitete Politik im GUS-Raum fortzusetzen. Das wird an der Haltung gegenüber Belarus deutlich.

Dazu dient auch die Politik der ständigen Manöver und des Vorrückens der NATO direkt an die russische Grenze, mit der fortgesetzt Druck ausgeübt und weiter der Kurs der Zuspitzung der unmittelbaren Konfrontation betrieben wird.

Das AEGIS-Raketensystem, stationiert auf vier Kriegsschiffen und landgestützt in Rumänien und in Polen, mit dem auch atomar bestückte Raketen abgefeuert werden können, verkürzt die Vorwarnzeiten für Russland erheblich.

Die Beziehungen zur Volksrepublik China werden von der Scholz-Regierung bisher vor allem aus der handelspolitischen Perspektive betrachtet. Dabei ist sie einem starken konkurrierenden Gegendruck seitens der USA ausgesetzt.

Gleichzeitig muss sich die deutsche Regierung allmählich von dem Wunsch verabschieden, dass der wirtschaftliche Erfolg in China zu einer Annäherung der Gesellschaft an kapitalistische Erwartungen führt. Sie muss zur Kenntnis nehmen, dass die innere Sicherheit Chinas gegeben ist, dass der Weg des Landes zur Weltmacht nicht verhindert werden kann.

Deutschland muss auch zur Kenntnis nehmen, dass das Ansehen Chinas und seiner Politik auch in Europa zunehmend wächst und damit diejenigen Faktoren zunehmen, die im "Wettbewerb der Systeme" die Position Chinas in Europa stärken.

Bisher gibt es erst wenige Schlussfolgerungen der deutschen Regierung für die Gestaltung eines breiteren, besseren Verhältnisses zur Volksrepublik China auf der Grundlage des Völkerrechts und der friedlichen Koexistenz. Deutschland wird aber nicht seine Absicht verwirklichen können, zwischen China und Russland einen Keil zu treiben, der den Einfluss beider auf die internationalen Beziehungen mindert und Möglichkeiten schafft, unrühmliche Geschichte zu wiederholen. 

 

Zusammenfassung

- Die Außenpolitik der neuen Regierung wird von den Interessen des deutschen Kapitals in seiner Vernetzung mit dem internationalen Kapital bestimmt. Die Interessen der USA spielen nach wie vor eine prägende Rolle. Die Regierung des deutschen Kapitals sieht darin in erster Linie eine "ungleiche Beziehung", die die volle Verwirklichung der deutschen expansiven Kapitalinteressen noch immer behindert. Man strebt danach, die diesbezügliche "Ungleichheit" zu beseitigen. Die Interessen des deutschen Volkes an Frieden, Sicherheit und Zusammenarbeit werden erst in Abhängigkeit davon in Politik umgesetzt. Nicht das Friedensgebot, sondern der Profit und die Expansion haben Priorität und sind Leitfaden für die deutsche Regierungspolitik.                 

- In Verwirklichung dieser Linie verstößt auch die neue Regierung Deutschlands gegen die zwei für seine aktuelle Aufstellung wichtigste Dokumente: gegen das Friedensgebot des Grundgesetzes sowie gegen die im 2+4-Vertrag eingegangenen (völkerrechtlichen) Verpflichtungen.                  

- Ebenso wie in der Innenpolitik bestimmt die innere Widersprüchlichkeit der sozialdemokratischen Bewegung die von den Führungskräften der SPD angestrebte und auch in der Vergangenheit schon verwirklichte außenpolitische Linie. Halbheiten und ständige Schwankungen, das Vorhandensein positiver und negativer Elemente in der von Sozialdemokraten im Namen ihrer Partei gestalteten Außenpolitik sind ein Resultat dieser inneren Widersprüchlichkeit, die sich in Fragen der friedlichen und gleichberechtigten Zusammenarbeit der Staaten und der Abrüstung sowie im Kampf um die Durchsetzung der friedlichen Koexistenz der Staaten zeigen. Das ist die Grundlage für die Koalition der SPD mit Bündnis 90/Die Grünen und mit der FDP.

- Gleichzeitig bekräftigt ein Blick in die Geschichte nach dem zweiten Weltkrieg, dass es im Verhalten zur Entspannung und zur Abrüstung, zur Politik der friedlichen Koexistenz keine Alternative gibt. Friedliche Koexistenz bleibt unverzichtbar. Sie ist eine Voraussetzung für die Gewährleistung des gesellschaftlichen Fortschritts als Grundbedingung jeglichen kulturellen, ökonomischen und wissenschaftlich-technischen Fortschritts sowie für das Wohlergehen der Menschheit in Frieden. Die gegenwärtige Außenpolitik steht im Widerspruch zu dieser Erkenntnis.

- Wir müssen lernen, wieder von Imperialismus zu sprechen. Und: ideologische Auseinandersetzungen gehören dazu. Kriegerische Demagogie, ökonomische Sanktionen, militärische Abschreckung sind etwas anderes.

- Der Kampf gegen die Militarisierung und für Abrüstung muss verbunden werden mit dem Kampf gegen die Verwirklichung des Konzepts der Regierung zur militärischen Durchsetzung und Sicherung langfristiger strategischer Ziele des deutschen Imperialismus, mit dem eine qualitativ neue globale Rolle Deutschlands eingeleitet werden soll.

- Es muss wieder der Kampf geführt werden um Verständigung und um die Entwicklung friedlicher Beziehungen zwischen gleichberechtigten Staaten und Völkern, zum gegenseitigen Vorteil und für Frieden und Sicherheit in Europa, und zwar bewusst und unter Verwertung der Erfahrungen des Kampfes um die Helsinki-Konferenz und um die Durchsetzung von deren Ergebnissen.

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