von Kaspar Sachse
Es wirkt schon bizarr: Auf der einen Seite wird Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel nach 16 Jahren Kanzlerschaft von den Staatschefs dieser Welt in Ehren empfangen und mit Ehrungen überhäuft. Nach 18 (!) Ehrendoktorwürden seit 2007 folgte die 19. von der Technischen Universität Haifa am 10. Oktober 2021, am 14. Oktober gab es in Spanien den Europapreis Karl V. (dort bezeichnete Merkel die EU als "Glückfall für uns alle") und in Belgien erhielt sie am 15. Oktober den höchsten Orden des belgischen Königshauses: das Großkreuz des Leopold-Ordens, der "Grand Cordon de l'Ordre de Léopold". Die Ehrungen sind durchaus nicht ohne: Der Habsburger Karl V. war Herrscher über ein Reich, "in dem die Sonne nie unterging". König Leopold I. war bekennender Freimaurer und einer der Vordenker der belgischen Kolonialbestrebungen.
Merkels traurige Bilanz im Inland
Auf der anderen Seite hinterlässt die Kanzlerin ein zutiefst gespaltenes Deutschland. Ihre Bilanz hier liest sich weniger ehrenvoll:
- aus der Finanzkrise 2008 wurden keine Schlüsse gezogen, die eigentlichen Ursachen wie ein völlig unregulierter Markt, der von einigen "Too big to fail"-Playern rigoros ausgenutzt wurde, existieren bis heute und haben sich seitdem noch verstärkt: (Nicht nur) der deutsche Sparer guckt dabei dumm aus der Wäsche
- ein überhasteter Atomausstieg 2011, der neben dem unermüdlichen Mitspielen bei der "Klimarettung", die Energiekosten für Verbraucher hierzulande in astronomische Höhen treibt
- die Öffnung der deutschen Grenzen 2015 im Zuge der "Flüchtlingskrise" für jedermann samt der "Kollateralschäden" vom Berliner Breitscheidplatz, über Dresden und Würzburg
- Die härtesten Grundrechtseinschränkungen in der Geschichte der Bundesrepublik im Zuge der "Corona-Krise" 2020 und das bewusste Inkaufnahmen von enormen psychischen Belastungen für jung und alt sowie eine offenbar dauerhaft installierte Beschränkung der persönlichen Freiheiten.
Über diese Krisen hinaus zeigt sich: Die Medien, besonders die öffentlich-rechtlichen, haben als vierte Gewalt völlig versagt. Aus einem Korrektiv der Exekutive ist unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel ein propagandistischer, von den Milliarden der GEZ-Zahler finanzierter Unterstützungstrupp der Regierung geworden, dessen einseitige Selektivität, Perspektivität und besonders Normativität ("Haltungsjournalismus") vor 20 Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre. "Passend" dazu gab fast die Hälfte der Befragten einer Allensbach-Umfrage im letzten Sommer von Merkels Kanzlerschaft an, dass sie Angst habe, ihre Meinung zu sagen.
Dazu kommt eine aktive Wohlstandsvernichtung in Deutschland: Die höchste Inflation seit 28 Jahren, die EU-weit geringste Quote an Wohneigentum sowie die höchsten Steuern und Abgaben weltweit. Noch ist nicht klar, wie sich die aktuelle Finanzkrise entwickeln wird, ein zweites 1923 oder 1929 scheint nicht ausgeschlossen.
Mag es unter Merkel auch noch so viele Projekte für den "sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft" gegeben haben, so ist doch genau das Gegenteil eingetreten: Die Atomisierung der Gesellschaft schreitet voran. Die Haushalte in der oberen Hälfte der Vermögensverteilung besitzen bereits 97,5 Prozent des Gesamtvermögens, während die untere Hälfte quasi nichts hat. Osten und Westen sind auch über dreißig Jahre nach der "Wiedervereinigung" politisch, ökonomisch und kulturell weit voneinander entfernt, Alt ("Umweltsäue") wird gegen Jung ("Fridays for Future") aufgehetzt, dem fatalen demographischen Wandel wird anstatt mit einer vernünftigen Familienpolitik mit einer zumindest fragwürdigen Art von Zuwanderung begegnet, die immer mehr Konflikte durch mangelnde Integration schafft. Kunst und Kultur liegen am Boden und eine politisch-medial-ökonomische Elite labt sich an immer höheren Staatsquoten.
Und Angela Merkel selbst? Was bleibt von ihr hierzulande konkret im Gedächtnis? "Wir schaffen das!" und zahlreiche Alternativlosigkeiten wie die Unterdrückung von "Öffnungsdiskussionsorgien" vermitteln ein seltsames Demokratieverständnis – die bipolare Politik des Aussitzens oder knallhart Durchregierens werden in Erinnerung bleiben.
Im Ausland ein gern gesehener Gast
Daher überrascht es wenig, dass Merkel nicht nur am Ende ihrer Amtszeit auch als Kanzlerin der Dienstreisen – absolut wie relativ – in Erinnerung bleibt.
Denn die zahlreichen Termine beim World Economic Forum, beim NATO-Gipfel, bei der EZB, der WHO oder dem Klimarat waren nicht umsonst: Bei allen großen globalistischen Agenden spielt Merkel-Deutschland an vorderster Front mit – ideologisch, administrativ und finanziell. Ob die Deutschen das überhaupt wollen – diese Frage spielt dabei offenkundig keine Rolle. Die entscheidenden Signale und Weichenstellungen gehen nämlich nicht von Berlin, geschweige denn München, Dresden oder Bremen aus. Außenpolitisch ist man mehr denn je von einer "demokratischen" US-Administration Biden/Blinken in Washington abhängig und Teil einer NATO und EU, die immer stärker die Konfrontation mit Russland und China sucht.
Insgesamt verwundert es also wenig, dass Merkel sich in den letzten Monaten ihrer Kanzlerschaft lieber unter ihresgleichen aufhält, anstatt in der deutschen Provinz rumzutingeln: Ob bei den aus der Finanzbranche stammenden Corona-Hardlinern Macron und Draghi, den treuen EU-Vasallen Spanien und Belgien, bei "Sleepy Joe" in Washington ("Merkel tut sich schwer los zu lassen") oder als "moralischer Kompass des gesamten europäischen Kontinents" (Israels Premier Bennett über die 67-Jährige) in Israel, ob beim Zurückfahren nationaler Souveränitätsrechte der Bunderepublik zugunsten einer immer stärker werdenden, von Big Tech, Big Pharma und Big Money gesponserten angelsächsischen Hegemonie - überall hat die scheidende Kanzlerin eine nicht geringe Zuarbeit geleistet. Da nimmt man doch lieber ein paar schöne Preise auf der großen Weltbühne entgegen, anstatt sich im eigenen Wahlkreis in "Dunkeldeutschland" auspfeifen zu lassen. Wer würde das schließlich nicht so machen? Und auch ihr Nachfolger scheint eine ähnliche Agenda entfalten zu wollen. Der Spruch: "Ich will die Welt ein Stück besser machen" sollte bei Otto Normalverbrauchern die Alarm-Glocken läuten lassen.
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