Ein Kommentar von Michael McCaffrey
Die Hollywood-Ikone Clint Eastwood gilt schon seit Ewigkeiten als der Avatar für Amerika. Angefangen bei seinen Rollen in den phänomenalen Spaghetti-Western von Sergio Leone, über die Rolle des "Dirty Harry", bis hin zu seinem genreprägenden Meisterwerk "Unforgiven" aus dem Jahr 1992. Eastwood war immer schon eine integrale Figur, die Amerikas Selbstbewusstsein und Männlichkeit verkörperte. Sein neuer Film "Cry Macho", bei dem er Regie führte und auch in der Hauptrolle zu sehen ist, bewegt sich zwar nicht in derselben Liga wie "Unforgiven" oder "Dirty Harry" – aber das bedeutet nicht, dass er keinen tiefen Blick zu bieten hätte.
In "Cry Macho" stellt Eastwood wieder mal Amerika dar. Aber diesmal enthüllt er unbeabsichtigt eine zutiefst wahnhafte Nation, die sich im steilen Niedergang befindet. Der Film erzählt die Geschichte von Mike Milo (Eastwood), einem in die Jahre gekommenen Cowboy, der vom wohlhabenden Texaner Howard Polk angeheuert wird. Er soll seinen eigensinnigen Teenager-Sohn Rafo und dessen Haustier, einen Hahn namens Macho, aus den Fängen von Rafos mit Drogen handelnder und missbräuchlicher Mutter befreien. Die wiederum lebt in Mexiko.
Eastwood spielt seit 57 Jahren in Filmen mit. Und obwohl er nie ein großartiger Schauspieler war, hatte er immer eine beeindruckende und überzeugende Leinwandpräsenz. Mittlerweile ist er 91 Jahre alt. Zwar kommt er für sein Alter durchaus robust rüber. Das ändert aber nichts an der Selbsttäuschung, mit der er eine Rolle übernimmt, die im Buch, auf dem der Film basiert, von einem 40-Jährigen verkörpert wird. Verdammt, Eastwood hatte genau diese Rolle vor fast 40 Jahren sogar abgelehnt, als er dafür ein viel angemesseneres Alter hatte!
Mit 91 wirkt Eastwood nicht nur alt, sondern auch betagt und zerbrechlich. Er bewegt sich wie ein Statist in "Nacht der lebenden Toten". Der Anblick, wie er Pferde bändigt, die Nächte durchtanzt und sich prügelt, ist einfach unglaubwürdig. Und wenn dann eine Frau, die weniger als halb so alt ist wie Eastwood, dermaßen von seiner sexuellen Anziehungskraft überwältigt wird, dass sie versucht, ihn zu verführen. Und wenn eine andere Frau, die etwa halb so alt ist, sich unsterblich in ihn verliebt. Dann ist das völlig absurd.
Diese aggressive Selbsttäuschung ist die perfekte Verkörperung des gegenwärtigen Zustands des amerikanischen Imperiums. Amerika ist in einem erbärmlichen Zustand, aber es sieht einen robusten, gut aussehenden Clint Eastwood von 1965 im Spiegel, an Stelle des genaueren Abbilds des altersschwachen Clint Eastwood von heute. Dieses Maß an Selbsttäuschung entspricht jenen amerikanischen Wählern, die sich davon überzeugen ließen, dass Joe Biden kein gescheiterter Handlanger des Establishments ist, oder Donald Trump alles andere als ein aufgeblähter, schwadronierender Reality-TV-Hanswurst war.
Wie so vieles in Amerika und der amerikanischen Kultur ist "Cry Macho" ein billiges, schlampiges, dramatisch und erzählerisch inkohärentes Unterfangen, das einige der schlechtesten Schauspieler zeigt, die man jemals zu sehen bekommen hat. Wenn der beste Schauspieler in Ihrem Film ein Hahn ist, dann haben Sie ein ernsthaftes Problem!
Eastwood ist berühmt – oder berüchtigt – dafür, dass er eine minimale Anzahl an Einstellungen dreht, um im Zeit- und Budgetrahmen zu bleiben. Wenn seine Filmbesetzung aus den Größten aller Zeiten wie Morgan Freeman, Gene Hackman und Richard Harris besteht, wie es bei "Unforgiven" der Fall war, dann kann diese Vorgehensweise unglaublich gut funktionieren.
Wenn die Filmbesetzung jedoch bei dem Versuch, Abstriche zu machen und Geld zu sparen, mit unbekannten Darstellern beladen wird, wie das bei "Cry Macho" der Fall ist, dann kann das Ergebnis erschreckend amateurhaft sein – eine Besetzung, die schmerzlich jenen Charakteren ähnelt, die derzeit im abgestandenen Drama namens "Amerikanische Politik" zu sehen sind. Wer von uns denkt nicht, dass ein Hahn eine bedeutende Steigerung wäre gegenüber einem Mitch McConnell, Ted Cruz, Marco Rubio, Chuck Schumer, Nancy Pelosi, Alexandria Ocasio-Cortez, oder einem der anderen hohlen und geistlosen Schurken in Washington?
"Cry Macho", ähnlich wie "Unforgiven" vor 30 Jahren, unterstreicht Eastwoods Ringen mit der dunkleren Seite seines einzigartigen amerikanischen Archetyps. In "Unforgiven" setzte er sich mit den Folgen der Gewalt auseinander, die er selbst auf der Leinwand darstellte und die das amerikanische Ethos gegen die Welt entfesselte. In "Cry Macho" ist die Betrachtung dieses Themas nicht annähernd so tiefgründig, aber sie ist auf jeden Fall vorhanden.
Der Teenager Rafo, einer der unzähligen zweidimensionalen Filmcharaktere aus der Dritten Welt, der entweder ein Sünder oder ein Heiliger sein kann – aber nichts dazwischen –, ist ständig unangenehm bemüht, seine Männlichkeit zu beweisen. Das stellt auch Mike Milo (Eastwood) fest, nachdem er ihm gesagt hat, wie seltsam es doch sei, dass "ein Mann seinen Hahn (englisch: 'Cock' – zu Deutsch also 'Schwanz') Macho nennt".
Wenn Eastwood Rafo gegenüber die Worte "das Macho-Ding wird überbewertet" und "sie mögen dieses Macho-Zeug in Amerika nicht" äußert, dann fühlt sich das wie ein offenes Eingeständnis an, dass Amerika mittlerweile dermaßen hyperfeminisiert wurde, dass sogar Clint Eastwood, der Archetyp amerikanischer Männlichkeit, die Segel streicht.
Aber der aufschlussreichste Text kommt doch von Rafo. Mit seinen Worten konfrontiert er Eastwood und rammt sie, einem Dolchstoß gleich, in ihn rein. Indem er nämlich den Begriff der amerikanischen "Einzigartigkeit" ausweidet, als er sagt: "Früher warst du hart, jetzt bist du schwach. Du warst früher stark, und jetzt bist du nichts."
Das ist unangenehm aufschlussreich, da der altersschwache Clint Eastwood von heute perfekt den aktuellen Zustand Amerikas widerspiegelt, das wahnhaft und schwach ist. Die Realität ist, dass ein Amerika, auch wenn es so tut, als sei es alles andere als eine dekadente Nation, die sich in einer Todesspirale befindet, nichts an dieser Tatsache ändert. Es behält nur die Fassade für diejenigen aufrecht, die zu viel Angst haben, die Wahrheit zu akzeptieren. Dies wird auf vorzügliche Weise deutlich, als Rafo seinen Hahn in Schutz nimmt und zu Eastwood sagt: "Er ist kein Hahn, er ist ein Macho!" Einen Hahn "Macho" zu nennen, ändert nichts an der Tatsache, dass er ein Hahn ist. Und früher oder später wird er, in Scheiben geschnitten und gewürfelt, auf dem Esstisch landen.
Ich wünschte, "Cry Macho" wäre ein besserer Film. Weil er zwar etwas zu sagen hat, aber es nicht sehr gut zu vermitteln weiß. Und die einzige offensichtliche Erkenntnis ist: Wenn der einst großartige, aber jetzt abgehalfterte Clint Eastwood die Verkörperung der modernen amerikanischen Männlichkeit sein soll, dann ist jetzt definitiv die Zeit gekommen, nach dem Macho zu rufen.
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Michael McCaffrey ist ein Schriftsteller und Kulturkritiker. Er lebt in Los Angeles. Seine Arbeiten können bei RT, Counterpunch und auf seiner Webseite mpmacting.com/blog gelesen werden. Er ist auch Moderator des beliebten Kino-Podcasts Looking California und Feeling Minnesota. Er twittert auf @MPMActingCo