von Arthur Buchholz
Es ist eines der Videos, die nach der Einnahme von Kabul um die Welt gingen: Schlaksige Taliban, den Raketenwerfer oder das Sturmgewehr stets umgeschnallt, stehen im Fitnessstudio des Präsidentenpalasts und versuchen sich unbeholfen an den Geräten. Weiter sieht man sie im Autoscooter fahren oder auf einem Karussell.
Beim Anblick dieser Szene fragt man sich unwillkürlich: Wie konnte die große US-Armee diesen Haufen nicht besiegen?
Es ist diese gefühlte Diskrepanz, die sich seit Wochen im Internet als Memes niederschlägt, oftmals mit hämischen Vergleichen zwischen der Kampfkraft und Ausrüstung der US-Armee und dem Aussehen der Taliban.
Andere Memes nehmen die gesamte Unternehmung des Afghanistan-Einmarschs aufs Korn, indem sie die gewaltigen Kosten dem katastrophalen Ergebnis gegenüberstellen.
Auch US-Präsident Joe Biden bekommt sein Fett weg, indem sein mangelhaftes taktisches Verständnis der Situation beleuchtet wird.
Auch die Frage nach der Urheberschaft des Kriegs wird mit dem bekannten Spiderman-Meme beantwortet.
"Muslim Chad" und "Talibased"
Scheinbar mischen auch die Taliban selbst im bizarren Wettbewerb um die schrägsten Witze mit, indem sie sich der Elemente der Meme-Kultur bedienen. So werden Figuren wie "Pepe the Frog", "Wojak" und der "Chad" benutzt, die in Memes häufig den Kulturkampf zwischen "woke" und "based" Positionen darstellen.
Einer der sichtbarsten Accounts nennt sich "Qaser bakhaly" und sympathisiert mit den Taliban. Einer der populärsten Memes zeigt die US-amerikanische Botschaft in Kabul in dem Moment, als die letzten Botschaftsangehörigen vom Dach mit einem Hubschrauber evakuiert werden. Die Szene erinnerte unwillkürlich an die Flucht aus Saigon vor fast 50 Jahren, mit der die ganze Afghanistan-Schlappe jetztverglichen wird.
Das Meme zeigt Pepe the Frog, verkleidet als Taliban, die Botschaft ist eine McDonald's-Filiale, Pride-Flaggen brennen zu beiden Seiten des goldenen M.
Die Beiträge muten besonders bizarr an, wenn man bedenkt, dass der ehemalige US-Präsident Donald Trump noch während seiner Amtszeit von Twitter ausgesperrt wurde, weil er angeblich Fake News verbreitet hätte.
Ein anderes Konto namens "MalangKhostay" verbreitet Memes mit dem "Chad", einer Figur, die in allen Belangen ein "Alphamann" ist. Ein solcher Chad mit dem Koran in der Hand steht einem hysterisch kreischenden Vertreter der verweichlichten westlichen Kultur gegenüber, mit den medialen und politischen Plattformen im Hintergrund.
Kritiker sehen hier schon eine Allianz zwischen der "alt-right", also der vermeintlich konservativ-rechten Bewegung im Internet, und der "akh-right", deren muslimischem Gegenstück.
In der Ablehnung von Gender-Diversität, neuen Pronomen und angeblich linksorientierten, politischen Ideen sehen viele eine gefährliche Allianz im Netz. Experten warnen vor einer Unterwanderung oder einem Anschluss an die ohnehin schon extreme, sogenannten "Incel"-Bewegung.
Dabei scheint man schon vergessen zu haben, wie lapidar man im Westen auf die Empörung über die Mohammed-Karikaturen reagiert hatte. Es wurde damals ein Loblied gesungen auf die Freiheit der Presse und das hohe Gut der Satire. Das ganze kulminierte in Frankreich in "Charlie Hebdo"-Titelblättern, in Deutschland in dem fragwürdigen Schmähgedicht eines Jan Böhmermann gegen Erdoğan.
Doch auch "der Feind" hat jetzt den Humor in den Medien für sich entdeckt. Mal sehen, wie souverän der Westen damit umgehen kann.
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