Klimawandel hat wieder Konjunktur – Teil 2

Die naturwissenschaftlichen und erdgeschichtlichen Fakten widersprechen der Treibhaus-Theorie. Dennoch folgt die Politik den Verfechtern des Klimawandels und steckt Unsummen in zweifelhafte Maßnahmen zur Eindämmung des CO₂-Ausstoßes. Das geht auf Kosten der kleinen Einkommen. Aber im Gegensatz zu den Klima-Aktivisten regt sich kein Widerstand bei den Betroffenen.

von Rüdiger Rauls

Angesichts der Unklarheiten, die zum Thema Klimawandel noch immer bestehen (siehe Teil 1), sollte man erwarten, dass Politiker in Deutschland und der Europäischen Union zurückhaltend sind beim Geldausgeben. Jedoch mittlerweile scheint der Klimawandel unwidersprochene Staatsdoktrin geworden zu sein und wird deshalb auch kaum noch infrage gestellt.

Aber "Klimawandel" ist weniger ein wissenschaftliches als vielmehr ein politisches Thema. Die politische Dimension liegt in der sogenannten Werteorientierung der westlichen Staaten. Mit ihr versucht westliche Politik, sich von sogenannten Schurkenstaaten abzuheben, vor allem von China und Russland. Diese "Werteorientierung" war maßgeblich beteiligt am Untergang des Sozialismus sowjetischer Prägung.

Sie wirkte nicht nur nach außen auf andere Staaten und Gesellschaften. Werteorientierung übte auch zunehmenden Einfluss auf die westlichen Gesellschaften selbst aus. Sie ist zu einem erheblichen Maße mitverantwortlich für die Emotionalisierung gesellschaftlicher Vorgänge. Gesellschaftlicher Wandel ist immer weniger Ergebnis sachlicher Auseinandersetzung um erkennbare Interessen, sondern zunehmend getrieben von der moralischen Empörung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und ihren spezifischen Themen. Eines dieser Themen ist der Klimawandel.

Spielten sich die westlichen Staaten über Jahrzehnte als Schutzherren der Menschenrechte auf, so übernehmen nun Bürger der sogenannten Zivilgesellschaft immer häufiger diese Rolle. Diese sind sehr stark von Idealismus geprägt und getrieben. Sie verstehen sich als unabhängig und kritisch gegenüber dem eigenen Staat. Sie sind die Aktivisten der Nichtregierungsorganisationen, die Beschützer von Minderheiten und auch die Kämpfer gegen Klimawandel und Umweltzerstörung.

Moderne Idealisten 

Nachdem die westlichen Regierungen selbst die westlichen Werte durch Kriege, Sanktionen und Unterstützung von Diktaturen in Misskredit gebracht haben, verstehen sich diese modernen Idealisten als die besseren Sachwalter dieser Werte. Sie sind die neuen gesellschaftlichen Eliten, die intellektuell und akademisch Gebildeten, die Alternativen, die Kritischen.

Sie setzen sich für Werte ein, denen niemand widersprechen kann, und im Gegensatz zu ihren Regierungen sind diese neuen Idealisten bisher noch nicht unglaubwürdig. Sie lehnen diese Werte nicht ab, sie hinterfragen sie auch nicht. Aber sie glauben, dass sie diese Werte aufgrund ihrer Bildung, ihres kritischen Denkens und ihrer alternativen Quellen besser vertreten könnten, wenn man sie nur ließe.

Schöpften die westlichen Regierungen ihre moralische Überlegenheit noch aus ihrem Eintreten für die westlichen Werte, so stützen die neuen Wertemissionare ihre moralische Überlegenheit auf ihre höhere Bildung, ihr alternatives Denken und ihre Distanz zum Staat. Selten hat jemand dieses Denken und den Anspruch auf Wachablösung so deutlich auf den Punkt gebracht wie Hermann Ploppa:

"Wir sind aber genetisch höher stehend als diese Eliten, diese verkommenen, verinzuchteten Eliten."

Diesen neuen Eliten aber können die alten Vertreter der westlichen Werte nichts entgegensetzen, treten erstere doch gerade für das ein, was ihnen jahrzehntelang als Orientierung gelehrt wurde. Insofern sind die Neuen das Fleisch vom selben Fleische wie das der Alten. Allerdings fordern die neuen Schutzherren die Umsetzung dieser Werte vor allem auch in der eigenen Gesellschaft, was nicht der ursprüngliche Sinn der Werteorientierung war. Die Neuen sind unbelastet und deshalb glaubwürdiger, weil sie an keiner politischen Praxis gemessen werden können. Ihr Idealismus ist noch immer unbefleckt.

Diese Entwicklung hat die alten Verfechter der westlichen Werte überrascht. Aber sie können auch keine neuen aus dem Hut zaubern. Wie soll man der Öffentlichkeit erklären, dass auf einmal nicht mehr gelten soll, wofür man Kriege geführt hatte und führt. Stattdessen versuchen sie, "grüner" zu werden als die Grünen. Um die Aktivisten zu beschwichtigen, geben sie Billionen aus – in der Hoffnung, den gesellschaftlichen Frieden zu erhalten. Die Macht von Bewegungen wie Fridays for Future (FFF) besteht nicht in ihrer Überzeugungskraft, sondern in der Schwäche ihrer Gegner.

Die Zeche

Es ist nicht die Industrie oder das große Kapital, das hinter Bewegungen wie FFF steckt, wie so manche glauben. Das Kapital ist nur selten in der Lage, Bewegungen ins Leben zu rufen. Sie wissen selbst sehr genau, dass sich kaum jemand für sie einspannen lassen würde. Aber das Kapital versteht es gut, Bewegungen für die eigenen Interessen zu nutzen. Denn sie investieren nur in bewährte Geschäftsmodelle. Das gilt auch für Bewegungen.

Hatte sich besonders die Autoindustrie anfangs noch gegen die Umbaupläne der gesellschaftlichen Mobilität gewehrt, so erkennt man auch dort zunehmend die Chancen, nachdem die Staaten mit großzügigen Subventionen und Förderprogrammen Überzeugungsarbeit geleistet haben. Die Autoindustrie hat erkannt, dass sie für die Herstellung von Elektrofahrzeugen in Zukunft erheblich weniger Personal brauchen wird. Es ist schon jetzt zu erkennen, dass die Industrie ihren profitablen Schnitt bei der Umstellung auf erneuerbare Energien machen wird.

Das Klimapaket "Fit for 55", mit dem die Europäische Union den CO₂-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent senken will, zeigt deutlich, wem auf der anderen Seite die Kosten dieser Umstellung aufgeladen werden sollen. Über den Emissionshandel als marktwirtschaftliche Lösung soll der Preis der CO₂-Zertifikate gesteuert werden. Bei der Einführung des Emissionshandels waren seinerzeit die ersten Zertifikate kostenlos an die Industrie verteilt worden.

Heute liegt deren Preis bei 50 Euro pro Tonne ausgestoßenem CO₂. Das bedeutet, dass die Industrie bereits jetzt schon einen schönen Schnitt mit den Zertifikaten gemacht hat – und der Preis soll noch weiter steigen. Der Gewinn letzten Jahres von Tesla ist alleine auf den Preisanstieg der CO₂-Zertifikate zurückzuführen. Je teurer das Kohlendioxid, umso größer ist der Anreiz, das Gas in Produktion und Verbrauch einzusparen, so die Vorstellungen der Vordenker dieses marktwirtschaftlichen Ansatzes.

Aber besonders für die ärmeren Bürger nagen schon jetzt die Kosten der Dekarbonisierung an den Lebensgrundlagen. Derzeit ist nur allein in Deutschland für etwa 300.000 Haushalte der Strom abgedreht. Jahr für Jahr versuchen die Menschen, mehr Strom und Gas einzusparen. Vergebens, denn die Preiserhöhungen fressen die Einsparungen auf, ganz zu schweigen von den Kartell-Preisen an den Zapfsäulen für Kraftstoffe.

Die Pläne der EU-Kommission sehen vor, dass der Handel mit CO₂-Zertifikaten in Zukunft auch auf Gebäude und Verkehr ausgedehnt werden soll, was die Mobilitäts- und Heizkosten zusätzlich in die Höhe treiben soll und wird. Dieser Zertifikate-Handel wird aber von dem der Industrie-Zertifikate getrennt, damit Industrie und Elektrizitätswirtschaft nicht unter der Last des zu erwartenden Preisanstieges leiden müssen. Das bedeutet Klimaschutz auf Kosten der Endverbraucher und zugunsten der Unternehmer.

Aber es wird auch Hoffnung verbreitet. Es soll ein Sozialfonds geschaffen werden, der Härten abfedern soll. Unklar sind noch bisher die Umstände, unter denen dieser Fonds den Bürgern hilft. Klar ist aber schon jetzt, dass aus diesem sogenannten Sozialfonds auch die Entwicklung der Ladesäulen-Infrastruktur mitfinanziert werden soll.

Das ist die Zeche, die die Bürger der EU zahlen sollen – für die Vermeidung eines Klimawandels, der unter wissenschaftlicher Betrachtung auf ganz wackeligen Beinen steht. Und dennoch ist der Kampf gegen den Klimawandel widerspruchslos oder gar alternativlos, wie die Noch-Kanzlerin sagen würde. So scheint es mittlerweile auch der Großteil der Bevölkerung zu sehen.

Idealismus

Das Meinungsforschungs-Institut Allensbach stellt im Ergebnis einer Umfrage im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fest, dass "Nachhaltigkeitsthemen zunehmend eine Frage der sozialen Schicht" sind. Es handelt sich bei dem Thema offensichtlich nicht nur um eine wissenschaftliche sondern vornehmlich um eine gesellschaftliche Frage:

"Die höheren Sozialschichten messen Klimaschutz … überdurchschnittliche Bedeutung bei, die schwächeren sozialen Schichten den Plänen für die Weiterentwicklung des Sozialstaats."

Engagement für den Klimaschutz fällt Besserverdienenden leichter als denen, die ohnehin kaum noch wissen, wie sie ihre Familien über die Runden bringen können. Aber es sind die sogenannten höheren Schichten, hier besonders Idealisten, Intellektuelle und Akademiker, die die Themen in Medien, Politik und Gesellschaft bestimmen. Den eher proletarisch geprägten Gruppen ist deren Gedankenwelt fremd und zu wirklichkeitsfern. Sie finden sich und ihre Lebensumstände in diesen Themen nicht wieder. Diese beiden Milieus haben kaum noch Kontakt zueinander. Ihre unterschiedlichen Kulturen sind ihnen immer weniger vertraut.

Das gilt größtenteils auch für die Linke sowohl als Partei als auch als Bewegung. Zwar ist sie ursprünglich hervorgegangen aus der Arbeiterbewegung und dieser traditionell verbunden gewesen, hat aber seit dem Untergang des Sozialismus sowjetischer Prägung immer mehr den Kontakt zu den proletarisch geprägten Gruppen der Gesellschaft verloren. Die Themen der Linken sind weitgehend identisch mit denen der sogenannten höheren Schichten. Sie sind Fleisch vom selben Fleische, sprechen eine Sprache, die die sogenannten einfachen Leute kaum noch verstehen.

Auch wenn sich die Partei Die Linke (PdL) mit Themen wie Mindestlohn den Anstrich einer Kämpferin für Arbeiterinteressen gibt, erreicht sie die Arbeiter kaum noch. Weil ihr die Tuchfühlung zu den Arbeitern verloren gegangen ist, kämpft sie immer mehr an gegen die drohende Bedeutungslosigkeit und den Fall unter die 5-Prozent-Hürde.  Die Arbeiter sind zur AfD übergelaufen. Im Anbiedern als Koalitionspartner hat die PdL so sehr an Profil eingebüßt, dass sie nicht einmal mehr als Bürgerschreck taugt. Klassenbewusstsein hat sie eingetauscht gegen das Eintreten für gesellschaftliche Harmonie.

Die Linke als Bewegung existiert nicht mehr. Sie hat sich weitgehend aufgelöst in Grüppchen und Einzelpersonen, die ihre eigenen Webseiten betreiben, über deren Exklusivität sie eifersüchtig wachen. Ihr wesentlicher politischer Beitrag besteht im Entlarven, Anprangern oder moralischer Empörung. Viele dieser Akteure ziehen es vor, die Besserwisserei zu pflegen, statt den Meinungsaustausch und Erkenntnisgewinn zu suchen. Materialistische Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse ist Mangelware geworden unter Linken.

Das Bestreben nach gegenseitiger Abgrenzung ist größer als die Suche nach Gemeinsamkeiten und Ansatzpunkten für gemeinsames Handeln. Da ist kein Versuch zu erkennen, die eigene Reichweite zu nutzen, um diejenigen zu sammeln und zusammenzuführen, die sich noch immer der Überwindung des Kapitalismus verpflichtet fühlen. Das materialistische Denken, das einst die Stärke des Marxismus war, ist bei vielen dieser Linken im Ergebnis weltanschaulicher  Orientierungslosigkeit kleinkariertem Moralismus und miesepetriger Mäkelei gewichen.

Interessen verbinden, Werte trennen

Dabei ist das Potential für Veränderung und Wandel vorhanden, wie Wagenknechts Sammlungsbewegung "Aufstehen" gezeigt hat. Dass es ihr gelang, aus dem Stand circa 150.000 Menschen zu aktivieren, ist ein Zeichen für den Grad der Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Zuständen. Auch der kometenhafte Aufstieg der AfD zeigte, dass innerhalb der Bevölkerung eine Stimmung vorhanden ist, sich von den herkömmlichen Parteien zu lösen.

Aber Wagenknecht und ihren Mitinitiatoren fehlte das Konzept, was denn mit diesen Menschen bewegt werden soll. Man überließ diese weitgehend sich selbst und führte sie nicht zusammen zu gemeinsamem Handeln. Ihre Tatkraft und Bereitschaft wurden nicht genutzt und in gesellschaftliche Wirkung umgesetzt.

Diese weitgehende Wirkungslosigkeit ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass auch diese Bewegung sich hauptsächlich an den Themen der sogenannten "höheren Schichten" orientierte. Wie FFF und auch die "Querdenker" sind diese Bewegungen werteorientiert, weniger interessenorientiert. Ohnehin scheinen Interessen mittlerweile Teufelszeug zu sein.

Sie treten für Werte wie Demokratie im weitesten Sinne, für Umweltschutz oder Minderheitenrechte ein. Unter diesen Begriffen sammeln sich jene, die sich ihnen zugehörig fühlen. Wer andere Werte vertritt, wird sich diesen Bewegungen nicht anschließen. Im Gegensatz dazu stehen die Interessen.

Beim Eintreten für den Ausbau von Sozialwohnungen zur Linderung der Wohnungsnot ist die Werteorientierung der Mitstreiter nicht so wichtig. Die Mobilisierungskraft der Gelbwesten in Frankreich lag im Betonen von gemeinsamen Interessen. Bei ihnen stand der gemeinsame Kampf gegen die Besteuerung fossiler Kraftstoffe zur Finanzierung der Energiewende im Vordergrund. Ob die Teilnehmer für oder gegen die Menschenrechte, für oder gegen Minderheitenschutz sind, spielte in diesem Kampf keine Rolle.

Die Werte, für die die neuerlichen Bewegungen eintreten, sind dieselben Werte, die seit Jahrzehnten die Politik und Diskussionen in den westlichen Gesellschaften bestimmen. Nur glauben diese neuen Bewegungen, dass sie es besser könnten als die alten Wertevertreter.

Handlungsunfähig

Dabei ist auch das Eintreten für die westlichen Werte nie etwas anderes gewesen als Interessenpolitik, nur mit anderen Mitteln. Will die Linke wieder als gesellschaftliche Kraft ernst genommen werden und den Weg zurückfinden in die Gesellschaft, dann muss sie sich klar zur Interessenpolitik bekennen und diese Interessen deutlich benennen. Und sie muss die Menschen sammeln, die solche Klassenpolitik anstelle von "Klassenharmonie" wollen.

Sie muss den Widerstand organisieren – gegen die Abwälzung der Klimapolitik auf die unteren Schichten der Bevölkerung. FFF war nicht so wirksam, weil sie die noch besseren Argumente, die wahreren Wahrheiten, die wissenschaftlicheren Wissenschaftler hatte. Sie war so erfolgreich, weil sie organisiert aufgetreten ist. Selbst Schüler, die freitags die Schule schwänzten, haben mehr gesellschaftlichen Druck aufgebaut als eine Linke, die im Parlament kluge Reden hielt und Gesetzesvorschläge machte.

Die Kids aus dem Mittelstand haben mehr Druck auf ihre liberalen Eltern, Lehrer und sonstigen Wertebewegten ausüben können als die klugen und entlarvenden Forenbeiträge auf den einschlägigen linken Webseiten. Die Politik ist den Halbwüchsigen hinterhergelaufen, vor denen sie mehr Angst hatte als vor den intellektuell hochstehenden Beiträgen der linken Foren zum Anprangern.

Das Offenlegen von Politikversagen soll hier nicht kritisiert werden. Was fehlt, ist die Handlungsorientierung. Mäkelei und Besserwisserei bieten keinen Ausblick, sie erhöhen vielmehr den gesellschaftlichen Pegel der Gereiztheit. Unmut muss Richtung haben. Das ist die Aufgabe der Linken. Wer aber bietet sich als Kristallisationskeim an, wo sich diejenigen sammeln können, die nach politischer Handlungsfähigkeit suchen? Es ist an der Zeit, dass sie diejenigen organisieren, die Interessenvertretung statt Wertediktat wollen.

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