Ein Schlaglicht von Stephan Fein
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat es schon vor Monaten gesagt:
"Wenn Corona vorbei ist, müssen wir uns vermutlich alle entschuldigen."
Stimmt. Vor allem er für seine reichlich zickzackige Pandemiebekämpfung zwischen Masken-Reichgewordenen und Masken-Armen, Testbetrug, Aussperrungen, Schließungen und Distanzregeln.
Dass nach dem Corona-Blues der CO2-Blues kommt, von dem vor allem Protestparteien profitieren werden, ist spätestens nach dem ersten Aufschrei über steigende Spritpreise auch den Grünen erschreckend gewahr geworden. Erschrocken über die eigene Courage? Anton Hofreiter wollte gar das Eigenheim verbieten, zumindest wurde er so verstanden. Später ruderte er zurück und fordert seitdem, wenigstens ein Solardach müsse es aber haben.
Und der hohe Spritpreis durch die CO2-Bepreisung des Herrn Hofreiter? Aus den vor Kurzem noch geforderten 16 Cent mehr pro Liter wurde auf einmal eine "populistische Benzinwutpreiskampagne" der Regierungsparteien. Hofreiter sieht die anderen in der Pflicht für seine Forderungen.
Ist es den hauptberuflichen Politikern aufgefallen, dass die Grünen beim Weltretten und Bepreisen doch etwas über das Ziel hinausgeschossen sind? Und dass genau jene armen Teufel getroffen werden, die sie eigentlich entlasten wollten? Man nennt sie Wähler.
Besonders nach einer pandemiebedingten, wirtschaftlichen Konjunkturdelle wäre vielleicht eine durchdachtere Industriepolitik gefragt. Oder wenigstens keine abgehobene Öko-Besitzstands-Wahrer-Politik nach Gusto des Bio-Landsherren. Clemens Fuest, Präsident des ifo Institutes, brachte es in der ARD auf den Punkt: "Was zum Beispiel vergessen worden ist, die höhere Mehrwertsteuer, die erhoben wird, mit dem CO2-Preis zurückzuerstatten. Da ist einfach nicht genug getan worden." Aber da kommt vor der Wahl von den Grünen nix.
Katrin Göring-Eckhardt wollte vor Kurzem noch die Kurzstrecke und das Fliegen in Europa hoch bepreisen, Flugbenzin besteuern und die Bahn weiter subventionieren. Flüge waren "iiiih!" Schon hagelte es besonders aus dem Bekanntenkreis der grünen Politikerin wegen ihrer zahlreichen Segelausflüge ans Meer herbe Kritik. Wie kam sie denn da hin? CO2-Preis von 60 Euro, das fand sie vor Kurzem noch richtig. Liest man heute die FAZ, traut man seinen Augen nicht: "Niemand soll sich mit Mallorca-Flug schlecht fühlen", wird da getitelt. Aha. Darf man das als Rückzug bezeichnen?
Berlins von Baustellen, Fahrradwegen und Lieferverkehr abgedichteter Stadtverkehr soll nun innerhalb des S-Bahnrings ganz vom Automobil befreit werden. Nahverkehr soll grundsätzlich kostenfrei sein, so der grüne Anton. Unterdessen fordert der Leipziger Oberbürgermeister und Städtetagpräsident Burkhard Jung (SPD) mehr Geld für den ÖPNV. Sonst werde dieser infolge der steigenden Spritpreise auch teurer. Sollte Hofreiter auch hinter dieser Forderung wieder eine Verschwörung vermuten oder kommt er doch noch an in der Realität? "Das war Mist", sagt Annalena Baerbock in der Welt. Und man fragt sich, ob damit wirklich nur ihr geschönter Lebenslauf gemeint war.
Vieles aus dem grünen Wahlkampfkalender muss also entschärft werden, sonst steigt die Wirtschaft aus und Arbeitsplätze wandern ins Ausland. So sieht es nicht nur der Handel, sondern ebenso weite Teile des produzierenden Gewerbes. Wir haben den teuersten Strom und derzeit nach Corona auch die beste Luft in unseren Städten. Da wäre es vielleicht nicht unbedingt gut, nach Lockdown, Kurzarbeit und schleppenden Hilfsgeldern den nächsten Schock, nämlich den CO2-Schock, zu verpassen. Den Bürgern würden somit das Autofahren und der Urlaubsflug versaubeutelt werden. Den ersten Realitätsschock haben die Grünen bei der Sachsen-Anhalt-Wahl bekommen. Der nächste folgt im September.
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