von Dagmar Henn
Schon das ursprüngliche Vorhaben spricht von Größenwahn – die Entsendung einer 25 Jahre alten Fregatte mit knapp 200 Mann Besatzung, um China zu beindrucken. Oder es zeugt von einem schweren Anfall von Adabei (dieses bayerische Wort steht für den Drang, auch dabei gewesen zu sein). Schließlich treiben sich nicht nur US-Schiffe regelmäßig vor der chinesischen Küste herum, auch ein französisches Atom-U-Boot ist mittlerweile dort unterwegs, und die britische Marine will sogar eine ganze Flugzeugträgergruppe dorthin schicken. Nun, weder ihnen noch der Fregatte Bayern dürfte es gelingen, sich ein Stück des chinesischen Territoriums herauszuschneiden, wie es noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts möglich war. Dass die Bayern sich nicht zwischen China und der Insel Taiwan herumtreiben soll, könnte man in diesem Zusammenhang als einen letzten Rest Realismus verbuchen.
Der FDP scheint das aber nicht genug zu sein. Zwei Autoren der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) forderten vor einigen Tagen eine Erweiterung des Einsatzes.
"Statt freie Seewege anzumahnen durch Fahrten in der Nähe von Inseln, die China unrechtmäßig beansprucht, soll die 'Bayern' auf einen Schmusekurs gehen, der Peking nicht verärgert."
Nein, Peking soll verärgert werden. Durch eine Beteiligung der Fregatte an dem, was die US-Politik "Freedom of Navigation Operations" nennt; Einsätze, in denen es eben gerade nicht um die freie Durchfahrt für beliebige Schiffe geht, sondern nur um die freie Durchfahrt für Schiffe der US-Marine in Gegenden, in denen sie nichts verloren hat.
Nun ist die jüngere chinesische Geschichte geprägt von den verheerenden Folgen solch freier "Durchfahrten"; es waren die britischen Schiffe, die in den Opiumkriegen das chinesische Kaiserreich zugrunde richteten und China für hundert Jahre die Souveränität raubten, und weitere westliche Mächte, auch das deutsche Reich, nahmen sich in der Folge Teile dieser Beute. Es ist also nachvollziehbar, dass die chinesische Regierung Wert darauf legt, auf dieser Seite nicht verwundbar zu sein. Wer ein stabiles und friedliches Verhältnis zu China will, wird dies zu respektieren wissen.
Die Freidemokraten sehen das aber anders. Es müsse "ein Zeichen gegen Chinas rechtswidrige Gebietsansprüche" gesetzt werden. Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP Marie-Agnes Strack-Zimmermann darf in diesem Artikel sogar klagen, die Chinesen stünden gleichsam schon vor der Tür. Schließlich "fahren (sie) nicht nur gemeinsame Manöver mit Russland in der Ostsee, sondern haben darüber hinaus die Häfen von Piräus, Triest und Genua übernommen". Klar, wenn der deutsche Flughafenbetreiber Fraport Flughäfen in Griechenland oder Bulgarien übernimmt, steht das auf einem völlig anderen Blatt …
Begleitet wurde dieser Text auf dem Portal der Parteistiftung von einem weiteren, von der FDP-Bundestagsabgeordneten Gyde Jensen verfassten, in dem sie verlangt, Deutschland solle im Verhältnis zu China von "einer außenpolitischen Realpolitik zu einer wertegeleiteten Außenpolitik" übergehen. Wertegeleitet, dieser Begriff gehört ins Wörterbuch der imperialistischen Euphemismen, so wie "regelbasiert". Beides steht letztlich dafür, dass man unter einem politischen Vorwand das geltende Völkerrecht bricht, um rigoros die eigenen Interessen durchzusetzen.
Die Friedrich-Naumann-Stiftung ist übrigens bei Weitem nicht so harmlos, wie sie klingt. Deutsche Parteistiftungen im Ausland erhalten ihr Geld vom Auswärtigen Amt, nicht von der Bundestagsverwaltung, und sind den Zielen der deutschen Außenpolitik verpflichtet. Die FNS war beispielsweise höchst aktiv an der Vorbereitung eines Putsches in Honduras beteiligt, der die entscheidende Rolle bei der Entstehung der heutigen Flüchtlingsströme von dort Richtung USA spielte. Dass der damalige Leiter des zuständigen Regionalbüros mittlerweile bei der AfD gelandet ist, dürfte kaum verhindern, dass dieselbe Stiftung in Venezuela oder Bolivien ähnliche Ziele verfolgt und ähnliche Methoden einsetzt.
Diese Stellungnahme der FNS für ein aggressives Verhalten China gegenüber gliedert sich auch in die antichinesische Wende ein, die sich in der deutschen Politik abzeichnet. Die BND-nahe Stiftung Wissenschaft und Politik hat schon im März geschildert, wie eine deutsche militärische Strategie gegen China aussehen könnte, und dafür eine Kooperation mit Frankreich und Großbritannien vorgeschlagen. So, wie die Stilisierung Russlands zum Feindbild erst relativ leise mit Klagen über Menschenrechtsverletzungen begann, um dann über Vorwürfe wegen vermeintlicher Aggressionen in regelmäßigen Militärmanövern an der Grenze vorerst zu enden, wird jetzt die Stilisierung Chinas zum Feindbild organisiert. Das Ventilieren militärischen Handelns zeugt von recht fortgeschrittener Reife; seit der deutschen Bevölkerung die Abneigung gegen militärische Pläne abgewöhnt wurde, geht so etwas deutlich schneller.
Die CDU scheint einer Verschärfung in diese Richtung nicht abgeneigt. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer begründete die Notwendigkeit, die Fregatte auf Abenteuerreise zu schicken, schließlich damit, China habe "einen sehr ehrgeizigen Plan, nämlich die eigene Armee zur größten und modernsten der Welt zu machen". Ist ja auch ein Unding, das bevölkerungsreichste Land mit der größten Armee …
"Wir, das heißt Europa und der Westen, dürfen nicht die Schwächeren sein",
meinte sie in einem Interview im März. Die SPD scheint allerdings noch nicht so recht zu wollen; deren Fraktionschef Rolf Mützenich erklärte: "Wenn die Verteidigungsministerin einer militärischen Eindämmungsstrategie gegen China das Wort redet, geht mir das entschieden zu weit."
Dass die FDP sich jetzt genötigt fühlt, ihre Zuneigung zu deutschen Großmachtfantasien herauszustreichen, dürfte aber eher mit dem Zwang der unmittelbaren Konkurrenz zu tun haben. Schließlich muss sie gegen die Grünen bestehen, deren Spitzenkandidatin Annalena Baerbock schon laut "harte Kante gegen China" einforderte. Man kann es sich in diesem Zusammenhang durchaus sparen, auf die Märchen des Herrn Adrian Zenz einzugehen; klar ist jedenfalls, wenn die Grünen mit solcher geradezu wilhelminischer Begeisterung deutscher Machtpolitik rund um den Globus das Wort reden, darf die FDP nicht hintanstehen. Sonst wird sie überflüssig.
Das geneigte Publikum kann sich schon auf die kommenden Monate freuen, in denen sich freidemokratische und grüne Interventionsfans wechselseitig zu überbieten suchen; aber der Ausflug der Bayern könnte dadurch als ganz reale, gefährliche Provokation enden.
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