Wie im alten Empire? Britischer Flottenverband geht auf "Image-Tour" um die Welt

Der Plan der britischen Regierung, ein Geschwader der Royal Navy auf eine sechsmonatige Weltreise zu schicken, ist die verzweifelte Idee eines Landes, das sich ständig auf die Vergangenheit bezieht. Die "Image-Tour" dient aber vor allem einem Zweck: Handelsabkommen abzuschließen.

von Chris Sweeney

Der Plan der britischen Regierung, einen imposanten Flottenverband der Royal Navy auf eine sechsmonatige Weltreise zu schicken, ist die verzweifelte Idee eines Landes, das sich ständig auf seine Vergangenheit bezieht, anstatt für die Zukunft zu planen und in dringend benötigte Fehlstellen zu investieren. Eine Nation, die sich weigert, mit der Zeit zu gehen, indem sie sich mit vergangener "Glorie" schmückt, endet damit, in einer längst vergangenen Ära zu leben, und wird zu einer internationalen Verlegenheit. So ist das ist im Moment mit Großbritannien.

Die britische Regierung hat einen "weltumspannenden Jungferneinsatz des britischen Flugzeugträger Kampfgeschwaders" angekündigt – ein Flottenverband, der vom 3 Milliarden Pfund (3,5 Milliarden Euro) teuren Flugzeugträger HMS Queen Elizabeth angeführt und über sechs Monate auf See verbringen wird, dabei 26.000 Seemeilen zurücklegen und 40 Länder besuchen soll. Der Erste Seelord Großbritanniens – ein Dienstrang, von dem man vielleicht überrascht sein wird, dass er im Jahr 2021 tatsächlich noch existiert – bestätigte, dass die Route in den Indischen Ozean führen wird, bevor es dann Richtung Indopazifik geht.

Zum Geschwader gehören ein U-Boot der Royal Navy Astute-Klasse, Zerstörer vom Typ 45, Fregatten für die U-Boot-Bekämpfung vom Typ 23 sowie die Versorgungsschiffe RFA Fort Victoria und die RFA Tidespring. Auf dem Deck der HMS Queen Elizabeth befinden sich Kampfjets vom Typ F-35B Lightning II sowie drei Typen von Hubschraubern: Wildcats für den Seeangriff, Merlin Mk2 zur U-Boot-Abwehr und Merlin Mk4 für Spezialkommandos. Und all diese Kriegstechnik wird von Tausenden von Seeleuten, Fliegern und Matrosen bemannt sein, die als "die bisher größte Konzentration von Luft- und Seemacht, die Großbritannien je verlassen hat", bezeichnet wird.

Die große Frage ist: Warum? Zunächst mag es unklar erscheinen, obwohl der oben erwähnte Erste Seelord, Admiral Tony Radakin, einen Hinweis lieferte. Er beschrieb die Seereise als "die Verkörperung des globalen Britanniens, das die Wohlstandsagenda der Nation unterstützt und die Flotte als umfassende Kraft für den Handel, für unsere Freunde und Verbündeten nutzt". Da haben wir die Antwort: Handel.

Dieses bewundernswerte neue Schiff, das mächtigste von Großbritannien betriebene Oberflächenschiff, ist die goldene Bettelschale von Premierminister Boris Johnson. Der Plan ist, durch die Meere zu fahren, in der Hoffnung, dass unsere mit dem Union Jack beflaggte Flottille bei fremden Nationen die Knie weich werden lässt. Dass den Staatsführern und Geschäftsleuten beim Anblick des mächtigen Britanniens, wie es die Hochsee beherrscht, schwindlig wird und sie sich sogleich zu lukrativen Handelsabkommen verpflichtet sehen.

Es wäre eine amüsante Vorstellung, wenn es nicht nackte Realität wäre. Die Regierung von Boris Johnson glaubt wirklich, dass sie die Welt damit beeindrucken kann, indem sie mit einer Kollektion von Kriegsschiffen in jedem Hafen ankommt, der bereit ist, sie zu empfangen. Es ist ein schamloser Versuch, Geschäfte zu machen und unterstreicht die Missachtung, die diese Regierung gegenüber anderen Nationen hat. Es scheint vom alten Konzept der Missionare beseelt, "den Eingeborenen" Erleuchtung zu bringen und sie mit ausgefallenen Maschinen zu beeindrucken, ähnlich wie Kurtz, der in der klassischen Novelle "Heart of Darkness" ("Herz der Finsternis") den Kongo entlang navigiert.

Es ist nicht nur unglaublich überheblich, sondern die Ära eines bevormundenden Imperiums ist nun mal vorbei – und das ist gut so. Auch die Idee der Briten als Supermacht ist längst Geschichte. Nur noch wenige betrachten Großbritannien als eine dominante globale Stimme und noch weniger Boris Johnson als einen glaubwürdigen internationalen Staatsmann. Großbritannien ist ein Land mit vielen bewundernswerten Merkmalen, aber die Zeiten, in denen Britannia "die Wellen beherrscht", sind vorbei. Und das ist auch kein Verlust, da die Welt zum Glück nicht mehr von weißen Europäern dominiert wird.

Die britische Regierung jedoch sieht das anders, als Verteidigungsminister Ben Wallace feststellte, "das britische Flugzeugträger-Kampfgeschwader werde der Welt zeigen, dass Großbritannien nicht zurücksteht, sondern vorwärts segelt, um eine aktive Rolle bei der Gestaltung des internationalen Systems des 21. Jahrhunderts zu spielen."

Was genau gestalten wir, wenn wir ohne praktischen Grund um die Welt fahren? Wird sich China um seine politische Achse drehen, weil die HMS Queen Elizabeth vorbeizieht? Wird Indien aufhören, Muslime zu diskriminieren oder sich anders mit der Welt auseinandersetzen, wenn es britische Kriegsschiffe sieht? Interessiert es Japan, wenn das Kampfgeschwader ankommt? Ja, wir können vielleicht erwarten, dass ein oder zwei Länder im Nahen Osten ein Handelsabkommen unterzeichnen, wenn die Zirkuskarawane in ihre Häfen einfährt – aber das soll nur vorbeugen, damit sie niemand zu sehr auf ihre grassierenden Menschenrechtsverletzungen hinweist.

Man vergleiche das mit der Aufregung, wenn russische Schiffe in der Nähe britischer Gewässer gesichtet werden. Darüber wird fast immer derart sensationell berichtet, als stünde die Gefahr einer Invasion unmittelbar bevor. Die Ironie dabei ist, dass niemand in der breiten Bevölkerung auch nur mit der Wimper zucken wird, weil man ja weiß, dass es sich lediglich um einen Medienhype und ein Imponiergehabe der britischen Regierung handelt. Und genau das erwartet nun das britische Kampfgeschwader in den 40 Staaten, die es besuchen wird. Abgesehen von der obligatorischen Anwesenheit ausgewiesener Offizieller wird es niemanden interessieren.

Wirklich Kopfzerbrechen bereitet dagegen, dass im vergangenen Jahr in Großbritannien eine Rekordzahl von 2,5 Millionen Lebensmittelpaketen verteilt wurde. Ganz einfach, weil die Menschen Hunger haben, nur  nicht genug Geld. Während die britischen Marineoffiziere ihre Messingknöpfe blankpolieren, um im Sonnenschein zu glänzen während sie die Welt bereisen, kämpfen in Großbritannien mehr Menschen als je zuvor darum, sich eine simple Mahlzeit zu leisten. Ist das angemessen oder akzeptabel?

Erwähnenswert sind auch die Emissionen und Umweltschäden, die durch solch eine lange Reise verursacht werden, insbesondere da Boris Johnson im November zum COP26-Klimagipfel in Glasgow bittet, der einen Plan zur Rettung des Planeten ausarbeiten soll. Die Wahrheit ist, dass Großbritannien zwar Pelzmäntel, aber leider keine Unterhosen hat. Es ist davon besessen, ein souveränes, dominantes Bild zu projizieren, das falsch ist und nur aus einer vergangenen Ära stammt. Bei dieser Odyssee geht es darum, Geld zu verdienen, weil die britischen Geldkoffer leer sind.

Aber warum führen wir statt eines Kampfgeschwaders nicht das Florett, um die Welt zu einem Engagement zu bewegen? Warum schicken wir nicht eine Delegation fortschrittlicher, vielseitiger und intelligenter Leute, um das Land zu "lobpreisen", seine Technologien zu demonstrieren und zu erklären, warum Großbritannien heute als moderner Staat gedeihen kann? Es mit einer dreisten, chauvinistischen Marinebrigade zu versuchen, ist krass und wird nur in Verlegenheit enden. Das Problem ist, dass Boris und seine Freunde so mit der Vergangenheit verwoben sind, dass sie das einfach nicht erkennen.

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Chris Sweeney ist Autor und Kolumnist, der für Zeitungen wie The Times, Daily Express, The Sun und Daily Record sowie für mehrere international verkaufte Magazine geschrieben hat. Folgen Sie ihm auf Twitter @Writes_Sweeney

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