von Seyed Alireza Mousavi
Zwei Monate nach der Amtseinführung von Präsident Joe Biden wird immer deutlicher, dass die Politik der neuen US-Regierung gegenüber Russland und China mehr Merkmale der Kontinuität als des Wandels zur bisherigen US-Außenpolitik enthält. Mit der Amtsübergabe im Weißen Haus an Biden verschärft sich noch den Kurs der Unipolarität des Westens in der internationalen Politik.
Aufgrund der angeblichen "Unterdrückung der Uiguren" verhängte auch die EU jüngst erstmals seit 30 Jahren Sanktionen gegen die Volksrepublik China. Die muslimische Minderheit der Uiguren werde in China "ausgebeutet und unterdrückt". Der US-Außenminister Blinken hatte kurz zuvor gegen die "Unterdrückung der muslimischen Uiguren" in der chinesischen Region Xinjiang beim Spitzentreffen mit außenpolitischen Repräsentanten Chinas in Alaska protestiert.
Unter der Maske der moralischen Überheblichkeit des Westens gegenüber China stecken gewiss geopolitische Ambitionen. Das autonome Gebiet Xinjiang, wo türkischsprachige Uiguren gesiedelt haben, ist in letzter Zeit zunehmend in den Mittelpunkt der Außenpolitik sowohl der EU als auch seitens der USA gerückt worden, da das Gebiet auch ein geografischer Eckpfeiler der Seidenstraße-Initiative Chinas sowie der Hauptroute des Landes in den Großraum Eurasien ist. Der Westen will Unruhe in diesem strategischen Gebiet stiften – möglicherweise, um das Projekt der Seidenstraße zu gefährden und somit globale Ambitionen fortzusetzen.
Die neue US-Regierung hat auch gegenüber Russland einen aggressiveren und schärferen Kurs eingeschlagen. Der neue US-Präsident nannte bekanntlich in einem Fernsehinterview unlängst seinen russischen Amtskollegen einen "Killer". Seine Hollywood-affine Selbstdarstellung machte deutlich, wie tief Biden in den Gedanken des Kalten Krieges verstrickt geblieben ist. In diese Gedanken wollen die US-Amerikaner auch Europäer miteinbeziehen. US-Außenminister Blinken machte beim ersten Treffen unter vier Augen mit seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas neuerlich Druck auf Deutschland, um die Fertigstellung der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 doch noch zu stoppen.
Vor dem Hintergrund der Spannungen mit den USA traf sich am Montag der russische Außenminister mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi in dem südchinesischen Touristenort Guilin in der Region Guangxi. China und Russland wollen ihre Kooperation vertiefen. Weder in Moskau noch in Peking macht man sich Illusionen über die realen Möglichkeiten, die Probleme mit Washington bald zu lösen. Die beiden Länder werden daher in den kommenden Jahren ein neues, verbessertes Modell der bilateralen strategischen Partnerschaft ausarbeiten. Ein gemeinsames Interesse an den Reaktionen auf den zunehmenden Druck der USA ist jedoch nicht die einzige Triebkraft für die engeren wirtschaftlichen, politischen und militärischen Beziehungen zwischen Russland und China. Die beiden Großmächte wollen eine Alternative zur globalisierten Weltordnung des Westens konzipieren. Beide Seiten werden gemeinsam ein neues multilaterales Modell der internationalen Beziehungen aufbauen. Die USA und der Westen mischen sich mutwillig in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein, um ihre Agenda westlicher Ansichten über Demokratie und Menschenrechte durchzusetzen. Dabei sind insbesondere Staaten auf der Welt betroffen, die der westlichen Weltherrschaft standhalten können.
Der russische Außenminister Lawrow erklärte kürzlich in einem Interview mit den chinesischen Medien, Moskau unterstütze die Idee, eine breite Koalition von Ländern zu bilden, um damit gegen einseitige Sanktionen des Westens vorzugehen. Lawrow sagte, jede Initiative, die gegen den illegitimen Einsatz von Sanktionen als Druckmittel ausgerichtet sei, "verdient jede mögliche Unterstützung". Russland und China wollen eine breitestmögliche Koalition von Ländern bilden, die diese illegale Praxis bekämpfen, um damit westliche Sanktionsregime zu sabotieren. Anfang dieses Monats drängte auch eine Gruppe von 16 Ländern, darunter Iran, Venezuela, Russland und China, auf eine Koalition bei den Vereinten Nationen, um der Androhung von einseitigen Sanktionen durch den Westen entgegenzuwirken. In einem fortgeschrittenen Format könnte sich diese Koalition auch in eine Wirtschaftsunion umbilden, um damit einseitige Sanktionen des Westens zu umgehen.
Nun bereiten Peking und Moskau auch die Abkopplung vom westlich dominierten globalen Zahlungsverkehr vor. Der russische Außenminister Lawrow kündigte am Montag bei seinem Staatsbesuch in China an, dass beide Staaten das Sanktionsrisiko verringern könnten, wenn sie ihre finanzielle Unabhängigkeit stärken würden. Gemeint war damit ausdrücklich ein Abkoppeln vom westlich dominierten Zahlungssystem. Diese Idee bringt nicht nur zwei Großmächten, sondern bietet auch den anderen Staaten, die Opfer der westlichen Sanktionen werden könnten, alternative Möglichkeiten zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs, nämlich ohne den in Brüssel ansässigen weltweiten Zahlungsverkehrsdienstleister Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication, abgekürzt SWIFT. Der ehemalige US-Präsidenten Trump hatte seinerzeit nach dem einseitigen Ausstieg aus dem internationalen Atomabkommen mit Teheran 2018 auch die SWIFT-Banken unter Druck gesetzt. Diese sollten iranische Banken von diesem Zahlungssystem ausschließen. Dieser Schritt wäre insofern eine "finanzielle Atombombe", wie es der Chef der russischen Staatsbank VTB, Andrei Kostin, vor einiger Zeit in einem Interview mit dem Handelsblatt ausdrückte. China und Russland sind seit Längerem dabei, neue Konzepte zur Eindämmung von globalen Ambitionen des Westens zu entwickeln, wobei sie auch nach alternativen Modellen zur globalisierten Weltordnung des Westens streben.
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