von Scott Ritter
Die dauerhafte Sperrung vom Twitter-Account des US-Präsidenten Trump, die einseitig und ohne jeden Anschein eines ordnungsgemäßen Verfahrens oder einer Würdigung der Rechte Donald Trumps auf den ersten Verfassungszusatz durchgeführt wurde, stellt einen Tiefpunkt in der amerikanischen Geschichte dar. Auf die Blockade von Trumps Account folgte die Entscheidung von Google, die Plattform Parler.com zu entfernen, eine Social-Media-Alternative zu Twitter, die von vielen Anhängern Trumps bevorzugt wird.
Auch Apple gab Parler eine "24-Stunden-Warnung" und forderte das Unternehmen auf, einen detaillierten Plan zur Moderation vorzulegen. Twitter, Google, Facebook (das Trump ebenfalls verbannt hat) und die politischen Unterstützer des designierten Präsidenten Joe Biden führen Bedenken an, dass die Inhalte des Twitter-Accounts des Präsidenten, zusammen mit dem Austausch zwischen Pro-Trump-Nutzern von Parler, ein Risiko der "Aufstachelung zur Gewalt" darstellten, was die ergriffenen Maßnahmen rechtfertige.
Nach der Erstürmung des Kapitols durch Demonstranten, die scheinbar durch die Worte von Präsident Trump motiviert waren, ist die Sorge um die Verbindung zwischen politischer Gewalt und sozialen Medien berechtigt. Aber wenn uns die Geschichte etwas gelehrt hat, dann, dass das Heilmittel schlimmer sein kann als die Krankheit – besonders wenn es um die Frage der verfassungsmäßig geschützten Redefreiheit geht.
Diese Gefahr wird durch die jüngsten Aktionen der ehemaligen First Lady Michelle Obama veranschaulicht, die öffentlich dazu aufgerufen hat, dass Tech-Unternehmen wie Twitter und Facebook nun Donald Trump dauerhaft von ihren Plattformen verbannen und Richtlinien erlassen sollten, die verhindern, "dass ihre Technologie von den Führern der Nation benutzt wird, um einen Aufstand anzuheizen."
Die Ironie, dass die Ehefrau des letzten amerikanischen Präsidenten Barack Obama, der die sogenannte digitale Demokratie als Waffe einsetzte, um "westliche demokratische Werte" im Kampf gegen autoritäre Regime zu exportieren, sich an Twitter wendet, um ihre Botschaft der Unterdrückung des Internets zu verbreiten, ist frappierend. Die Tatsache, dass weder Michelle Obama noch diejenigen, die ihre Botschaft anpreisen, diese unfreiwillige Ironie bemerken, ist beunruhigend.
Die Obama-Regierung versuchte zum ersten Mal während der iranischen Präsidentschaftswahlen 2009, die "digitale Demokratie" zu nutzen. Das ist eine Bezeichnung für Maßnahmen, die darauf abzielen, webbasierte soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter als Vehikel zu nutzen, um die Organisation und den Aktivismus junger Menschen in repressiven Regimen zu fördern, letztlich um die Ziele der amerikanischen Politik des Regimewechsels zu erreichen. Die US-Bemühungen um "digitale Demokratie" waren die Grundlage einer sorgfältig orchestrierten Kampagne zur Förderung der Kandidatur von Mir Hossein Mussawi.
Zu diesen Bemühungen gehörte ein Telefonanruf von Jared Cohen, eines damaligen Beamten des US-Außenministeriums, an die Führungskräfte bei Twitter, auf eine geplante Wartungsperiode zu verzichten und die Leitungen von und nach Iran offen zu halten, nämlich unter der Prämisse, dass es unerlässlich sei sicherzustellen, dass die von iranischen Dissidenten gesandten digitalen Nachrichten ein internationales Publikum erreichten. Die digitale Demokratie wurde privatisiert, als ihr Hauptarchitekt Jared Cohen dann im September 2010 das Außenministerium verließ, um eine neue Position beim Internetriesen Google als Leiter von "Google Ideas" – seit 2016 bekannt als "Jigsaw" – anzunehmen. Jigsaw ist heute ein globaler "Think Tank", der "Initiativen zur Anwendung von Technologielösungen für Probleme in den Entwicklungsländern anführen soll." Dies ist also derselbe Job, den Cohen während seiner Zeit im Außenministerium gemacht hatte.
Cohen förderte die Vorstellung einer "digitalen Demokratieverbreitung", die auf seiner Überzeugung basierte, dass die "jungen Menschen im Nahen Osten nur einen Mausklick, eine Facebook-Verbindung, eine Sofortnachricht oder eine Textnachricht" davon entfernt sind, sich ausreichend zu organisieren, um einen Regimewechsel zu bewirken. Cohen und Google waren stark in die Demonstrationen in Ägypten im Januar 2011 involviert und nutzten Social-Networking-Seiten, um zu Demonstrationen und politischen Reformen aufzurufen; die "ägyptische Ansteckungsversion" des Phänomens der "digitalen Demokratie" wurde durch Social-Networking-Internetseiten angeheizt, die von jenen ägyptischen Jugendgruppen betrieben wurden, die eine öffentliche Haltung gegen das Mubarak-Regime einnahmen und politische Reformen forderten.
Die iranischen und ägyptischen Erfahrungen mit Regimewechseln, die von der Idee der digitalen Demokratie inspiriert sind, stellen die Verbindung zwischen der Bewaffnung der sozialen Medien durch Tech-Giganten wie Twitter und Google und der US-Regierung klar, die zu dieser Zeit unter der Leitung von Barack Obama und seinem damaligen Vizepräsidenten Joe Biden stand. Die Tatsache, dass sowohl die iranischen als auch die ägyptischen Bemühungen scheiterten, unterstreicht nur die ruchlose Natur dieser Beziehung.
Die gleichen Werkzeuge und Methoden, die von den iranischen und ägyptischen Behörden verwendet wurden, um der von den USA geförderten "digitalen Demokratie" entgegenzuwirken – Unterdrückung durch De-Platforming – wurden nun von Twitter, Google und den politischen Verbündeten von Joe Biden aufgegriffen, um Donald Trump und dessen Anhänger davon abzuhalten, gegen eine Wahl zu protestieren, von der sie glauben, dass sie genauso "gestohlen" war wie die iranische Präsidentschaftswahl von 2009, aus der die "digitale Demokratie" überhaupt erst entstanden war.
In einem kürzlich veröffentlichten Bericht zum Thema Internetfreiheit bekräftigt Freedom House, eine von der US-Regierung finanzierte, gemeinnützige Nichtregierungsorganisation, die Forschung und Lobbying zu Themen wie Demokratie, politische Freiheit und Menschenrechte betreibt, dass die Internetverbindung "keine Bequemlichkeit, sondern eine Notwendigkeit ist." Praktisch alle menschlichen Aktivitäten, einschließlich der politischen Sozialisation, hätten sich ins Internet verlagert. Diese neue "digitale Welt", so der Bericht, "stellt besondere Herausforderungen für Menschenrechte und demokratische Regierungsführung dar", da "staatliche und nichtstaatliche Akteure ... Online-Narrative formen, kritische Äußerungen zensieren und neue technologische Systeme der sozialen Kontrolle aufbauen."
Freedom House gehörte zu den Befürwortern der "digitalen Demokratie" im Falle Irans und hat die Maßnahmen der iranischen Behörden zur Abschaltung und anderweitigen Kontrolle der Internetverbindung in Iran scharf kritisiert. Es stellte fest, dass solche Taktiken auf ein System hinweisen, das "Angst vor dem eigenen Volk hat und befürchtet, dass es den Informationsraum nicht kontrollieren kann." In seinem Bericht schrieb Freedom House, dass dann, "wenn zivilgesellschaftliche Organisation und politischer Dissens aus dem Bereich der sozialen Medien auf die Straße überschwappen ..., Diktatoren die Netzwerke abschalten, um jeden Ruf nach mehr Demokratie und Menschenrechten zu ersticken."
Im Juli 2019 entschied das US-Berufungsgericht des 2. Bezirks in der Sache "Knight First Amendment Institute gegen Trump", dass der Twitter-Account von Präsident Trump "alle Merkmale eines offiziellen, staatlich geführten Accounts trägt", was bedeutet, dass der Erste Verfassungszusatz für das Betreiben dieses Accounts gilt. Als solcher erlaubt es "der Erste Verfassungszusatz einem öffentlichen Beamten, der einen Social-Media-Account für alle möglichen offiziellen Zwecke nutzt, nicht, Personen von einem ansonsten offenen Online-Dialog auszuschließen [was Trump getan hatte, Anm. d. Red.], weil sie Ansichten geäußert haben, mit denen der Beamte nicht einverstanden ist."
Indem sie Trump von ihrer Plattform verbannen, haben die nicht demokratisch gewählten Mitarbeiter von Twitter dem Präsidenten der Vereinigten Staaten nun genau das angetan, was neben anderen sie selbst ihm im Fall "Knight First Amendment Institute gegen Trump" selbst vorgeworfen hatten. Wenn es durch Trump eine Verletzung jener durch den Ersten Verfassungszusatz geschützten Redefreiheit gab, weil er Personen von einem ansonsten offenen Online-Dialog ausgeschlossen hatte, dann gilt das jetzt natürlich auch umgekehrt.
Die Vorstellung, dass die Tweets von Trump irgendwie eine "klare und gegenwärtige Gefahr" darstellten, die deren Unterdrückung erfordere, wird durch das Gesetz nicht gestützt. Im Jahr 1919 schrieb Richter Oliver Wendell Holmes Jr. die Urteilsbegründung in "Schenck gegen die Vereinigten Staaten" – einem Fall, der die Grenzen des Schutzes der freien Meinungsäußerung unter dem Ersten Verfassungszusatz untersuchte – und argumentierte mit dem mittlerweile berühmten Satz, dass "der strengste Schutz der freien Meinungsäußerung einen Mann nicht schützen würde, der fälschlicherweise Feuer in einem Theater ruft und eine Panik verursacht ... die Frage ist in jedem Fall, ob die verwendeten Worte unter solchen Umständen verwendet werden und von solcher Art sind, dass sie eine klare und gegenwärtige Gefahr schaffen, die die wesentlichen Übel herbeiführen wird, die der Kongress zu verhindern berechtigt ist".
Die Meinung von Holmes zum Fall "Schenck" wurde später vom Obersten Gerichtshof in dessen Entscheidung im Fall "Brandenburg gegen Ohio" aus dem Jahr 1969 eingeschränkt, die den Standard der "klaren und gegenwärtigen Gefahr" durch den Standard der "unmittelbar bevorstehenden gesetzeswidrigen Handlung" ersetzte. Dieser neue Standard der Rechtsprechung besagt, dass eine Rede nicht geschützt ist, wenn sie wahrscheinlich zu einem Gesetzesverstoß führt, und zwar "schneller als ein Beamter des Gesetzes vernünftigerweise herbeigerufen werden kann". Indem sie die Social-Media-Äußerungen von Donald Trump und seinen Anhängern nunmehr unterdrücken, scheinen Twitter, Facebook und Google – angestachelt von den politischen Anhängern Joe Bidens – einseitig den Standard der "klaren und gegenwärtigen Gefahr" übernommen zu haben, der von den verfassungsmäßigen Normen abweicht, wie sie durch den Präzedenzfall des Obersten Gerichtshofs festgelegt wurden, die den Schutz der freien Rede in Amerika regeln.
Freie politische Rede ist nicht nur ein Menschenrecht – in Amerika ist sie eine wesentliche verfassungsmäßig garantierte Freiheit. Wenn die politischen Unterstützer von Joe Biden – zusammen mit den nicht demokratisch legitimierten Köpfen der Mediengiganten wie Twitter, Facebook und Google – aktiv zusammenarbeiten, um die Fähigkeit von Donald Trump und der vielen Millionen Amerikaner, die ihn unterstützen und sich in den sozialen Medien ausdrücken, zum Schweigen zu bringen, sind sie nicht mehr besser als die autoritären Regime, denen sie einst die Macht entreißen wollten.
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Scott Ritter ist ein ehemaliger Offizier für Aufklärung der US-Marineinfanterie. Er diente den USA in der Sowjetunion als Inspektor für die Umsetzung der Auflagen des INF-Vertrags, während des Zweiten Golfkriegs im Stab von General Norman Schwarzkopf und war danach von 1991 bis 1998 als Waffen-Chefinspekteur bei der UNO im Irak tätig. Derzeit schreibt Ritter über Themen, die die internationale Sicherheit, militärische Angelegenheiten, Russland und den Nahen Osten sowie Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung betreffen.
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