Von Robert Bridge
Da die Kandidaten der kommenden Biden-Administration davon abgesehen haben, selbst einen Schuldigen für den Hackereinbruch bei SolarWinds zu benennen, haben sich die US-Medien zu Richter, Geschworenen und Henker in Institutionalunion aufgespielt – und die Schuld dem üblichen Verdächtigen zugeschoben.
Hat denn irgendjemand wirklich geglaubt, dass Russland eine wichtige US-Wahlsaison überstehen würde, ohne durch die Medien feierlich geteert und gefedert zu werden? Es ist fast so, als ob Journalisten – der Möglichkeit beraubt, ein Narrativ der Marke "Trump schlägt Biden dank Absprache mit dem Kreml" zu verkaufen, und darob verzweifelt – dieses neueste Pulp-Fiction-Werk zusammengesponnen haben, damit auch die nächste US-Regierung am Ball der "russischer Niedertracht" bleiben muss. Denn Gott bewahre, dass die Medien einfach untätig zusehen, wie ein langwährender Frieden zwischen Washington und Moskau ausbricht.
Als also SolarWinds – eine Software-Plattform mit Schwerpunkt Netz(werk)management, zu deren Kunden das Pentagon, das US-Außenministerium, das US-Justizministerium und die National Security Agency zählen – angeblich einen Hackerangriff erlitt, hatte die Washington Post schneller eine Verbindung zum bösen Russland zur Hand als Ian Fleming.
"Die russischen Hacker (...) haben E-Mail-Systeme geknackt", schrieben Ellen Nakashima und Craig Timberg in der Post – ohne auch nur einen einzigen Beweis zu liefern. (Timberg, wie sich manche Leser vielleicht erinnern, ist der Journalist, der mit Verweis auf eine zwielichtige Organisation namens PropOrNot (die sogar vom Leiter der ultimativen Informationsquelle der postfaktischen Informationsära vernichtend kritisiert wurde; Anm. d. Red.) fälschlicherweise berichtete, dass etwa 200 Nachrichtenplattformen mit russisch inspirierten "Fake News" hausieren gingen.) Unter Berufung auf diese stets so hilfreichen "Leute, die unter der Bedingung der Anonymität sprachen" behauptete das journalistische Tag-Team, dass das "die russische Spionageoperation breit angelegt zu sein scheint".
Ironischerweise war die zuverlässigste reale Quelle, die Nakashima und Timberg in ihrer Story zitierten, ausgerechnet die russische Botschaft in Washington, die die Berichte über die russische Hacking "unbegründet" nannte. Aber was soll's. Wenn schon das mediale Sprachrohr des Bezos-Imperiums sagt, Russland sei der Schuldige, wer sind dann wir bloße Sterbliche, dass wir irgendwelche Fragen stellen? So, und jetzt zurück zu unserer Paraolympiade, dem Wettbewerb in der Sonderdisziplin "Russland beschuldigen".
An diesem Punkt muss man sich fragen: Wer ist mehr dafür verantwortlich, die US-Außenpolitik festzulegen? Die Mainstreammedien mit ihrem nicht enden wollenden Vorrat an "anonymen Quellen" zum Untermauern ihrer fantastischen Behauptungen – oder die US-Regierung? Diese Frage könnte man sich ernsthaft stellen, insbesondere wenn man Interviews mit frisch ernannten Mitgliedern der Biden-Administration gehört hat, bei denen die Warnung vor "russischen Bösewichten" offenbar nicht angekommen ist.
Jennifer Granholm zum Beispiel, die Kandidatin für das Amt des Energieministers, beging in einem Interview mit ABC-Talkmaster George Stephanopolous die Todsünde, den "russischen Bösewicht" nicht zu erkennen.
"Uns ist nicht vollständig bekannt, was passiert ist sowie das Ausmaß davon, und offen gesagt wissen wir nicht ganz sicher, wer es getan hat", so Granholm wörtlich. Das Ergebnis war ein niedergeschlagen und verloren dreinschauender Stephanopoulos, jeglichen Klickbaits in der Form russophober O-Töne beraubt.
Vielleicht rechnete Stephanopoulos damit, Granholm würde einfach die Schlagworte der Medien über einen unbewiesenen russischen Hackerangriff wiederkäuen – etwa in der von Reuters verbreiteten völlig abenteuerlichen Art.
Bei der Berichterstattung über den Hackerangriff auf SolarWinds schrie der Reuters-Artikel von Anfang an "Russland". Dennoch wird nicht eine lebende Seele aus der kommenden Biden-Administration zitiert, die die Verantwortung für eine solche Behauptung übernimmt – eine Behauptung mit realen Konsequenzen, zumal einige Mitglieder des US-Kongresses den elektronischen Einbruch als einen "Kriegsakt" bezeichnen.
"Das Team des designierten Präsidenten Joe Biden wird mehrere Optionen in Betracht ziehen, um Russland für seine mutmaßliche Rolle in dem beispiellosen Hackerangriff auf US-Regierungsbehörden und US-Unternehmen zu bestrafen, sobald er sein Amt antritt. Diese reichen von neuen Finanzsanktionen bis hin zu Cyberangriffen auf die russische Infrastruktur", erklären Personen, die mit der Angelegenheit vertraut sind.
Die gleiche miserable Taktik kam in einem Interview von Ron Klain, dem neuen Stabschef des Weißen Hauses, in der Analytik-Sendung Face the Nation von CBS zum Einsatz. Als die Interviewerin Margaret Brennan nachhackte, ob es "irgendwelche Zweifel gibt, dass Russland hinter [dem Hackerangriff]" stehe, gab Klain ihr eine Antwort, die Brennan eindeutig nicht zufriedenstellte. Mit anderen Worten: Klain erwähnt den ewigen Bösewicht Russland nirgendwo als einen möglichen Verdächtigen.
"Wir sollten eine klare und eindeutige Zuweisung der Verantwortung aus dem Weißen Haus hören – und von der Nachrichtendienstgemeinschaft der USA. Sie haben derartige Botschaften zu verkünden und die Feststellung der Verantwortung sicherzustellen."
Brennan allerdings wollte nichts davon hören, und versuchte hartnäckig, das Narrativ "Russland ist schuld" durchzupeitschen:
"Nun, Anfang dieser Woche gab sich der designierte Präsident im Gespräch mit meinem Kollegen Stephen Colbert auf CBS ziemlich klar, als er nach Russland gefragt wurde: Er sagte, dass es zur Rechenschaft gezogen wird", bemerkte Brennan in ihrem verzweifelten Versuch, aus Klain endlich einen Namen herauszupressen.
"Er sagte, [Russland] stehe dafür, was es getan hat, finanzielle Konsequenzen ins Haus. Ist das nicht mehr der Fall? Ist er nicht mehr der Ansicht, dass es Russland war?"
An diesem Punkt beförderten irgendwelche (sehr hilfreichen) technischen Probleme die erbärmliche Journalistenimitation gnädig aus der Sendung.
Mittlerweile würde man ja meinen, dass die Mainstream-Medien in den USA ein wenig diskreter vorgehen würden, wenn ein US-Computersystem gehackt wird – anstatt jedes Mal diesen unseren überfüllten Planeten lauthals mit "Russland!"-Schreien zu beschallen. Schließlich ist Russland sicherlich nicht das einzige Land auf der Welt, in dem eine Fülle abenteuerlustiger Hacker beheimatet ist – Hacker, die gerade gelangweilt in ihrer Unterwäsche zu Hause herumsitzen müssen.
Chinesische Venusfalle Fang Fang
Auch ist es nicht das einzige Land auf der Welt, das – theoretisch – versucht sein könnte, einen verstohlenen Blick auf die Software und (trotz der Gefahr, jetzt vulgär zu klingen) die Hardware von Onkel Sam zu werfen.
Sie glauben mir nicht? Fragen Sie nur den Kongressabgeordneten der Demokraten Eric Swalwell, der sich von einer Spionin im Auftrag des kommunistischen China namens – und jetzt bitte nicht lachen – Fang Fang in die sprichwörtliche Venusfalle locken ließ. Abgesehen davon, James-Bond-Thriller zur Pflichtlektüre für alle Politiker zu machen, läge es nahe, wenn die Demokraten sich vielleicht einmal fragen, wie ein Mitglied des Geheimdienstausschusses des US-Repräsentantenhauses auf ein solches Schema hereinfallen konnte. Und vor allem war Swalwell einer jener verstörten Demokraten, die auf dem Höhepunkt der Mueller-Untersuchung – eine weitere Verschwendung von Steuergeldern, die keinerlei Beweise für Absprachen zwischen Trump und dem Kreml ergab – "Absprache mit Russland" schrien.
Abschließend ist es erwähnenswert, dass das Timing des angeblichen Angriffs auf SolarWinds – zumal nur wenige Wochen vor dem Inauguration Day, an dem Joe Biden voraussichtlich als 46. POTUS vereidigt wird – an und für sich extrem verdächtig ist. Nicht nur, dass hinter den Kulissen ein Machtkampf um das Weiße Haus ausgetragen wird, in dem die Trump-Administration behauptet, die Wahl sei durch massiven Betrug beeinträchtigt worden – auch Joe Bidens Sohn Hunter wird der Einflussnahme in Ländern wie der Ukraine und China beschuldigt.
Die Biden-Familie wies die Vorwürfe naturgemäß zurück, während die Medien das Ihrige dazu taten, um das Thema praktisch totzuschweigen. Derweil versucht man – ähnlich wie 2016, als man es beschuldigte, Hillary Clintons E-Mails gehackt zu haben –, Russland in ein weiteres US-amerikanisches innenpolitisches Drama zu ziehen, ohne jeglichen Sinn und Verstand, und das zu einem so kritischen Zeitpunkt. Wenigstens kann man den US-Mainstreammedien zugutehalten, in Sachen Russland-Berichterstattung sehr berechenbar zu sein – obwohl ihre Taktiken auch völlig kopflos und gefährlich sind. Würden diese Journalisten denn wirklich sofort tot umfallen, wenn sie einmal fünf Minuten lang davon absähen, den russischen Bären zu reizen?
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Übersetzt aus dem Englischen
Robert Bridge ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist. Er ist der Autor des Buches "Midnight in the American Empire – Wie Konzerne und ihre politischen Diener den amerikanischen Traum zerstören". Auf Twitter findet man ihn unter @Robert_Bridge
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