von Andreas Richter
Im Zuge der sogenannten Black-Lives-Matter-Bewegung kam es in den vergangenen Tagen zum Sturz und zur Zerstörung von Denkmälern in mehreren westlichen Ländern. Den Beginn machten sogenannte Aktivisten im englischen Bristol, als sie das Denkmal des Unternehmers und Sklavenhändlers Edward Colston stürzten und es im Hafenbecken versenkten.
Auch in Deutschland wird seitdem der Abriss von Denkmälern gefordert, um, so die gängige Argumentation, durch die Entfernung von Abbildern von Rassisten den Rassismus zu bekämpfen.
Sogenannte Bilderstürmer hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Meist war der Kontext ein religiöser, etwa im byzantinischen Bilderstreit oder im Zuge der Reformation, als heilige Abbilder oder Denkmäler von sogenannten Ikonoklasten zerstört wurden, darunter unwiederbringliche Kunstschätze.
Auch in unserer Zeit gibt es religiös motivierte Bilderstürme; bekannte Beispiele sind die Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamiyan 2001 durch die Taliban oder die Verwüstung Palmyras durch den IS 2015. Grundsätzlich überwogen seit der französischen Revolution die politisch motivierten Bilderstürme.
Nach den großen Wendepunkten des 20. Jahrhunderts wurden in den Städten Europas großflächig Denkmäler und Gebäude abgeräumt und durch neue ersetzt. Das Auftreten der heutigen Aktivisten erinnert, obwohl politisch motiviert, an das Auftreten religiöser Fanatiker.
Was ist zu den neuen Bilderstürmern zu sagen? In historischer Perspektive kommen Bilderstürmer im Urteil der Nachwelt praktisch immer schlecht weg. Natürlich, der kunsthistorische Wert der Denkmäler aus dem frühen 20. und späten 19. Jahrhundert ist zu vernachlässigen. Dennoch handelt bei deren gewaltsamer Entfernung schlicht um Vandalismus, der an der Vergangenheit nichts ändert.
Alle europäischen Städte sind voll von Vergangenheit, überall gibt es Erinnerungen und Spuren von Verbrechen, Grausamkeit und Ungerechtigkeit. Wer einmal anfängt, in dieser Form vergangenheitspolitisch aufzuräumen, wird bald nicht Anderes mehr tun und kaum ein Gebäude verschonen können. Nur hätte ein solches Vorgehen mehr mit einer Dystopie zu tun als mit einem verantwortlichen Umgang mit der Vergangenheit.
Natürlich haben Leute wie der belgische König Leopold II., der verantwortlich für die Kongogreuel war, keine Ehrung verdient. Aber sinnvoller als eine Entfernung der Denkmäler ist auch hier eine Ergänzung und Kontextualisierung, die ihre Aussage ändert oder umkehrt.
Geschehen kann dies etwa in Form einer begleitenden Informationen oder einer künstlerischen Darstellung, die – im Fall Leopolds – das durch den König verursachte Leid versinnbildlicht. Die Ergänzung des Kriegerdenkmals am Hamburger Dammtor könnte dafür ein Beispiel sein.
Der bilderstürmerische Aktivismus der Aktivisten dient damit nicht den von ihnen in Anspruch genommenen Zielen. Und noch in anderer Hinsicht bleiben sie an der Oberfläche. Wie heute üblich, wird Rassismus als reines Kopfproblem verstanden, nicht auch als Ausdruck und Instrument handfester materieller Interessen.
Denn tatsächlich lassen die heutigen Migrationsströme in der Welt als Neuauflage des transatlantischen Sklavenhandels mit anderen Mitteln verstehen, die anhaltende Unterentwicklung ganzer Kontinente als Folge von Abhängigkeiten, die denen der Kolonialzeit gleichen.
Solange die angeblichen Kämpfer gegen den Rassismus für diese materiellen Grundlagen des Phänomens blind sind, werden sie zum einen nichts gegen rassistische Vorstellungen bewegen. Vor allem aber werden sie sich vorwerfen lassen müssen, mit ihrer oberflächlichen und öffentlichkeitswirksamen Skandalisierung letztlich im Sinne der Mächtigen zu handeln, und das sind wenigstens im Westen auch heute die Nachfahren der Sklavenhändler und Kolonialherren.
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