Teil von Defender Europe 2020? USA simulieren Nuklearschlag gegen Russland

Noch während die USA anlässlich der Großübung Defender Europe 2020 schweres Kriegsgerät in Richtung Osten verlegen, simulierte die US-Armee einen taktischen Nuklearschlag gegen Russland. Dabei dürfte es sich kaum um eine vertrauensbildende Maßnahme gehandelt haben.

Die USA und das transatlantische NATO-Bündnis werden nicht müde zu betonen, dass die in Osteuropa stattfindende Großübung nicht gegen Russland gerichtet sei. Offiziell will man so die Verlegung von großen Truppenverbänden trainieren, um im Ernstfall vorbereitet zu sein. Deutschland kommt dabei als logistisches Drehkreuz und Aufmarschgebiet eine strategisch wichtige Rolle zu.

Ein Blick auf den öffentlichen Übungsplan zeigt aber, dass die von Russland geäußerten Bedenken nicht unbegründet sind. Es finden Schießübungen in Estland statt, Flussüberquerungen in Polen und in Litauen werden Operationen entlang der sogenannten Suwalki-Lücke durchgeführt. Dieses Grenzgebiet zwischen den NATO-Ländern Polen und Litauen wird westlich und östlich von der russischen Exklave Kaliningrad und Weißrussland "in die Zange genommen". 

Wenn es zu einem Krieg kommen sollte, dann hier. Dessen sind sich die Strategen in Washington und Brüssel sicher. Es wird befürchtet, dass Russland mit einem Überraschungsangriff den rund einhundert Kilometer breiten Streifen in wenigen Stunden einnehmen und die baltischen Staaten von der Landverbindung zu Polen und damit militärischem Nachschub abtrennen könnte. Wenn also US-Truppen mit verbündeten Nationen Kampfoperationen in der Suwalki-Lücke trainieren, dann kann diese ganze Übung nur gegen Russland gerichtet sein. Es gibt mit Ausnahme Weißrusslands schlicht kein anderes Land in geografischer Nähe, das nicht bereits NATO-Mitglied ist und deshalb als Gegner in Frage käme.

Die USA führten in der vergangenen Woche noch eine weitere Übung durch, die hierzulande vollkommen unbekannt blieb. Normalerweise hält sich das Pentagon mit solchen Informationen zurück, aber dieses Mal wurde sie offiziell gemeldet. Es wurde eine "Mini-Übung" durchgeführt, bei der ein Nuklearschlag gegen Russland simuliert wurde. US-Verteidigungsminister Mark Esper nahm selbst an dieser Simulation teil, was von Militäranalysten in den Vereinigten Staaten als höchst merkwürdig bezeichnet wird. 

Ein nicht näher genannter Ort bzw. ein Land in Europa bildete dabei das geografische Spielfeld der Kriegssimulation. "Sie (Russland/Anm.) haben uns mit einem taktischen Nukleargefechtskopf angegriffen", sagte der Pentagon-Sprecher. Die USA hätten dann einen "limitierten" Nuklearschlag auf Russland ausgeführt. Allerdings wurde nicht beantwortet, welches Land in Europa für die Simulation und welche Art von Nuklearwaffen für den "Gegenschlag" benutzt wurden. Es gab auch keinerlei Informationen darüber, welche Auswirkungen der US-Angriff auf Russland hatte.

Bei der Pressekonferenz wurde allerdings deutlich gemacht, dass sich die US-Regierung weiterhin dem in Gang gesetzten Modernisierungsprogramm von Atomwaffen und deren Trägersystemen verpflichtet fühlt. Durchgeführt wurde dieses Schauspiel im Strategic Command auf der Offutt Air Force Base in Nebraska, deren Motto ironischerweise "Peace is our Profession" heißt: Frieden ist unser Beruf.  

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