Die Kritik Berlins an der Amazonaspolitik des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro könnte sich als Bumerang erweisen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hatte Anfang August angekündigt, eigene Klimaschutz-Fördermittel ihres Hauses zunächst auf Eis zu legen. Zugleich hatte sie die Frage aufgeworfen, ob man mit dem Fonds zum Schutz des Regenwaldes weitermachen könne wie bisher. Deutschland ist mit 55 Millionen Euro an dem internationalen Fonds beteiligt.
Schulze habe mit ihrer Entscheidung "ein erstes Signal gesetzt", sagte ein Ministeriumssprecher anschließend. Kräfte, die sich weiter für den Erhalt des Amazonasgebietes einsetzten, müssten weiter unterstützt werden. Eine Sprecherin von Außenminister Heiko Maas (SPD) nannte das Vorgehen "sehr nachvollziehbar", die Dinge auf den Prüfstand zu stellen. Doch wie ernst ist es der Bundesregierung beim Thema "Umwelt und Brasilien" wirklich? Das Verhalten von Berlin bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit Mercosur wirft einige Fragen auf.
Der lateinamerikanische Wirtschaftsblock Mercosur und die Europäische Union hatten am 15. Dezember 1995 ein Assoziierungsabkommen unterzeichnet, welches eine Vorstufe zur Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens darstellt. Zum Mercosur-Staatenbund gehören neben Brasilien und Argentinien auch Paraguay und Uruguay. Die Exporte von EU-Unternehmen in die vier Länder beliefen sich 2018 auf rund 45 Milliarden Euro, in die andere Richtung gingen Ausfuhren im Wert von 42,6 Milliarden Euro in die EU.
Die Mercosur-Staaten exportieren vor allem Nahrungsmittel, Getränke und Tabak in die EU. Von dort gehen wiederum vor allem Maschinen, Transportausrüstungen sowie Chemikalien und pharmazeutische Produkte nach Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Doch im Zusammenhang mit der Umweltpolitik Brasiliens und den anhaltenden Waldbränden im Amazonasgebiet mehren sich Stimmen, die einen Ausstieg Deutschlands aus dem Abkommen fordern.
Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Anton Hofreiter, fordert im Zusammenhang mit den Bränden und Rodungen im Amazonasgebiet, das Mercosur-Handelsabkommen zu stoppen. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte der Grünen-Politiker, durch das Abkommen werde "die Vernichtungsspirale des Amazonas weiter beschleunigt". Denn: "Der Grund liegt auf der Hand: Es wird abgeholzt und abgebrannt, um Platz für Soja und Export-Rinder auch für den europäischen Markt zu schaffen."
Merkel müsse sich Frankreich und Irland anschließen und Bolsonaro klarmachen, dass es ohne Einhaltung von guten Klima-, Naturschutz- und Menschenrechtsstandards kein Abkommen geben könne. "Doch die Ankündigung, an dem Abkommen festzuhalten, zeigt, dass für die Bundesregierung – immer, wenn es konkret wird – kurzfristige wirtschaftliche Interessen oberste Priorität haben", so Hofreiter in dem Interview. Und er ergänzte: "Anstatt Bolsonaro mit einem Freihandelsabkommen zu belohnen, muss die Bundesregierung sich in der EU für einen Importstopp für Produkte einsetzen, die den Regenwald zerstören. Wir dürfen nicht zulassen, dass Klimaschutz, Natur und Menschenrechte für den Profit einiger weniger Agrokonzerne geopfert werden."
Auch beim G7-Gipfel in Biarritz stand der vor kurzem ausgehandelte Deal der EU mit den Mercosur-Staaten in der Kritik. Er würde die größte Freihandelszone der Welt aufbauen. Frankreich und Irland drohen angesichts der Brände mit einem Veto, sollte sich die Regierung von Brasilien nicht zu einem stärkeren Schutz des Waldes bekennen. EU-Ratspräsident Donald Tusk befürchtete ein Scheitern der Ratifizierung des Freihandelsabkommens der EU mit Mercosur für den Fall von weiteren schweren Bränden im Amazonas-Regenwald.