In der seit Wochen andauernden Gelbwesten-Krise will sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Montagabend öffentlich äußern. Das bestätigten Élysée-Kreise am Sonntagabend gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Der Staatschef wolle sich um 20 Uhr von seinem Amtssitz aus an die Franzosen wenden. Zuvor hatten unter anderem Vertreter der Gelben Westen und die Opposition Antworten des Staatschefs gefordert, der bislang vor allem Premierminister Édouard Philippe das Wort überlassen hatte.
Nach erneuten Gelbwesten-Protesten mit Krawallen und Ausschreitungen am Wochenende steht Macron nun unter Zugzwang. Bereits am Montagmorgen will er unter anderem Vertreter der großen Gewerkschaften, der Arbeitgeber sowie die Präsidenten der Nationalversammlung und des Senats treffen, wie Élysée-Kreise bestätigten. Am Wochenende waren in Frankreich erneut weit mehr als 100.000 Menschen auf die Straßen gegangen, um für mehr Steuergerechtigkeit und höhere Kaufkraft zu demonstrieren. Es war das vierte Wochenende in Folge, an dem die Bewegung der Gelben Westen in großem Stil zu Protesten aufgerufen hatte.
Wie leider bei jedem größeren Ereignis mittlerweile üblich, ließ der Vorwurf, dass Moskau etwas mit den Protesten in Frankreich zu tun habe, nicht lange auf sich warten. Den Auftakt machte die britische Tageszeitung Times mit einem Beitrag am 8. Dezember. In ihrem Artikel bezieht sich die Zeitung auf eine Analyse des Cybersicherheitsunternehmens New Knowledge. Laut dieser Analyse sollen rund 200 Twitter-Accounts "mit russischen Verbindungen" angeblich Fotos und Videos von Personen, die von der Polizei schwer verletzt wurden, gepostet haben.
Dabei soll es laut Times um Bilder gehen, die Ereignisse außerhalb der Demonstrationen dokumentieren. Was jedoch genau mit Twitter-Accounts "mit russischen Verbindungen" gemeint ist, bleibt unklar. Dennoch kommt New Knowledge, zu dem Schluss, dass Russland versucht habe, die Demonstrationen weiter anzuheizen. Die Vorwürfe werden von der französischen Regierung offenbar ernst genommen: Unter der Aufsicht des Generalsekretariats für Verteidigung und nationale Sicherheit (SGDSN), einer dem Premierminister unterstellten Agentur, beschlossen die französischen Behörden, eine mögliche ausländische Einmischung in die Tätigkeit sozialer Netzwerke zu untersuchen, so die französische Tageszeitung Le Parisien.
Hinter der US-Firma New Knowledge stecken die beiden Gründer und Führungkräfte Jonathan Morgan und Ryan Fox. Morgan ist ein ehemaliger Berater des US-Außenministeriums, Fox ein ehemaliger Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA. Weitere Vorwürfe in Richtung Russlands kommen von der sogenannten Alliance for Securing Democracy, einer Einheit des German Marshall Fund of the US, die es sich zum Ziel gesetzt hat, "Pro-Kreml-Aktivitäten" in den sozialen Medien zu überwachen. Laut der Organisation sollen rund 600 Twitter-Accounts, die dafür bekannt seien, die "Ansichten des Kremls zu fördern", als obersten Hashtag nun #giletsjaunes, der französische Name der Protestbewegung, führen.
Die Vorwürfe erinnern an das Vorgehen im sogenannten "Fall Benalla", als das sogenannte EU Disinfo Lab, eine Pro-EU-NGO, behauptete, das Ausmaß der Kontroverse um den ehemaligen Elysée-Sicherheitsmitarbeiter sei auf den Einfluss der "russophilen" Twittosphäre zurückzuführen. Diese These wurde jedoch von der Webseite Les Crises scharf kritisiert, die die methodischen Schwächen der EU-Disinfo-Lab-Umfrage aufzeigte. Die NGO hatte ihre Analyse selbst korrigiert und am 8. August neue Schlussfolgerungen ihrer Studie veröffentlicht, in denen sie keinen russischen Einfluss mehr erwähnte.
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