Auf dem Aspen Security Forum am Mittwoch wurde FBI-Direktor Christopher Wray gefragt, ob er China als Gegner betrachte und, wenn ja, auf welcher Ebene Peking eine Bedrohung darstelle. Wrays Antwort fiel eindeutig aus:
Ich denke, dass China aus Sicht der Spionageabwehr in vielerlei Hinsicht die umfassendste, anspruchsvollste und bedeutendste Bedrohung darstellt, der wir als Land ausgesetzt sind", zeigte er sich überzeugt.
Spionage und Produktpiraterie als Schwerpunkte
Der Jurist ist seit August 2017 Direktor der US-Bundesbehörde Federal Bureau of Investigation (FBI), nachdem US-Präsident Donald Trump ihn im Juni 2017 für die Nachfolge des entlassenen James Comey nominiert hatte.
Und ich sage das, weil es für sie [die Chinesen] eine umfassende staatliche Anstrengung darstellt. Es handelt sich sowohl um Wirtschaftsspionage als auch traditionelle Spionage, um traditionelle Informationsbeschaffer wie auch traditionelle Geheimdienstmitarbeiter. Es sind menschliche Quellen, wie auch Cyber-Mittel [, die genutzt werden].
In einem nächsten Schritt geht Wray dann auf die mutmaßlichen Spionagetätigkeiten Pekings ein, die nach seiner Einschätzung keine Grenzen kennen und jeden US-Bundesstaat ins Visier genommen haben:
Wir haben Ermittlungen zu Wirtschaftsspionage in jedem Staat, in allen 50 Staaten, die auf China zurückgehen. Die Verdachtsfälle umfassen alles von Maissaatgut in Iowa bis hin zu Windkraftanlagen in Massachusetts und alles dazwischen. Das Volumen, die Durchdringung, die Bedeutung, das alles ist etwas, das dieses Land meiner Meinung nach nicht unterschätzen darf", warnt der Regierungsbeamte.
Bereits 2017 beschuldigte ein Bericht des US-Handelsbeauftragten die Volksrepublik China des "Diebstahls von Geschäftsgeheimnissen, zügelloser Online-Piraterie und Fälschungen sowie physisch geraubter und gefälschter Exporte". Der Bericht stellte fest, dass der Diebstahl geistigen Eigentums durch China die USA jährlich bis zu 600 Milliarden US-Dollar koste.
Nach Ansicht des Business Insider handele es sich "anscheinend um eine weitaus strategischere und weitreichendere Anstrengung als die laufenden Einmischungsbemühungen Russlands".
Peking wolle "unipolare Weltordnung mit sich selbst als einziger Supermacht"
Zwar sei es, so Wray, geboten, Russland weiterhin "aggressiv" anzugehen. Die Bemühungen Chinas seien jedoch weitaus besorgniserregender, denn das Reich der Mitte wolle sich demnach als "die einzige dominante Supermacht, die einzige dominante Wirtschaftsmacht" positionieren - und damit die Rolle an sich zu ziehen, die nach dem Zusammenbruch des Ostblocks den USA zugefallen war. In seinem Bestreben schrecke die Volksrepublik nicht davor zurück, alle Facetten der US-Gesellschaft ins Visier zu nehmen.
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Sie versuchen, die USA in dieser Rolle zu ersetzen, und so ist es ein langfristiges Spiel, das sich in vielerlei Hinsicht auf nahezu jede Branche und jeden Teil der Gesellschaft konzentriert. Es geht um die Wissenschaft, es geht um Forschung und Entwicklung, es geht um alles von der Landwirtschaft bis hin zu Hightech. Und so ist ihr Ansatz durchdringender, breiter, aber in vielerlei Hinsicht eine langfristige Bedrohung für das Land", analysiert Wray.
Ungeachtet der Einlassungen und Bedrohungszenarien Wrays und der aktuellen Handelsspannungen zwischen Peking und Washington stieg der bilaterale Handel zwischen den beiden Weltmächten im ersten Halbjahr des laufenden Jahres stark an. So legte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum das Handelsvolumen unter den beiden größten Volkswirtschaften um 13,1 Prozent auf einen Wert von 301 Milliarden US-Dollar zu. Zeitgleich stieg das US-amerikanische Handelsdefizit mit China im Juni mit 28,97 Milliarden US-Dollar auf den höchsten Stand seit fast zwei Jahrzehnten.
Der Erfolg Chinas stellt Russland dabei jedoch nicht nur wirtschaftlich in den Schatten. Denn laut Business Insider sei es nicht das erste Mal, dass Pekings "Geduld und Bereitschaft, auf lange Sicht zu spielen, als der Grund beschrieben wurde, warum seine Einmischungskampagnen erfolgreicher sind als die Russlands".
Bericht der australischen Regierung spricht von ausgeklügelter Langzeitstrategie
So habe der australische Journalist und Regierungsberater John Garnaut, der eine geheime Regierungsuntersuchung über Chinas politischen Einfluss in Australien leitete, bereits Anfang 2018 festgestellt, dass Russland "fokussierte, scharfe Angriffe" vorziehe, während Pekings Aktionen eher stufenweise erfolgten.
Im Gegensatz zu Russland, das eine kurzfristigen Erfolg einer Langzeitstrategie vorzuziehen scheint, sind die Chinesen strategisch, geduldig, und sie legen die Grundlagen für Organisationen und sehr konsistente Narrative über einen langen Zeitraum fest", gab Garnaut der Plattform zufolge zu Protokoll.
Garnauts Bericht hatte zum Ergebnis, dass die VR China seit längerem versuche, die australische Politik auf allen Ebenen zu beeinflussen. Eine wesentliche Bedeutung komme dabei dem Austausch auf akademischer Ebene und den staatlich geführten Konfuzius-Instituten zu. Für FBI-Direktor Wray stellt der anglophone Konsens hinsichtlich Chinas facettenreicher Angriffe und Bedrohungen "einen Lichtblick" dar.
Ich sehe es in der Art der Interaktion, ich sehe es oben auf dem Hügel [dem Kapitol], wenn ich mit den Geheimdienstkomitees über das gesamte Spektrum [der Bedrohungen] spreche. Ich glaube, die Leute wachen auf und reiben sich die Spinnweben oder den Schlaf aus den Augen. Und ich hoffe, wir sind an einem Punkt angekommen, in dem wir das viel ernster nehmen können.
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