Im vergangen Jahr wurde weltweit so viel für Rüstung ausgegeben wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Das ist das Fazit einer Studie des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI. Demnach stiegen die Militärausgaben im vergangenen Jahr weltweit um 1,1 Prozent auf 1,74 Billionen US-Dollar (rund 1,43 Billionen Euro). Dieser Trend untergrabe die Suche nach friedlichen Lösungen für Konflikte auf der ganzen Welt, warnten die Forscher.
Sie stützen sich in ihrer jährlichen Studie nicht nur auf offizielle Regierungsangaben zum Verteidigungsbudget, sondern berücksichtigen zahlreiche weitere Quellen. Darunter sind neben Statistiken von Zentralbanken und der NATO beispielsweise auch Antworten der Regierungen auf Anfragen etwa der Vereinten Nationen.
Uneinholbar vorne: Die Vereinigten Staaten
Unangefochtener globaler Spitzenreiter sind weiterhin die USA. Bereits 2016 investierten die Vereinigten Staaten nach Jahren sinkender Rüstungsausgaben wieder mehr Geld ins Militär. Im vergangenen Jahr blieben diese Ausgaben laut SIPRI zwar auf hohem Niveau konstant. Für das laufende Jahr würden aber erneut deutlich höhere Investitionen angepeilt, erklärte SIPRI-Spezialistin Aude Fleurant. Die USA stockten nicht nur ihr militärisches Personal auf, sondern modernisierten konventionelle und nukleare Waffen.
Insgesamt investierten die USA im vergangenen Jahr 610 Milliarden US-Dollar in Rüstungsgüter und damit über ein Drittel der globalen Militärausgaben. „Die Ausgaben der USA waren 2,7-mal höher als die des zweithöchsten Investors, China; die USA gaben mehr aus als die nachfolgenden sieben größten Investoren zusammengenommen“, so der Bericht. Laut diesem wollen die USA im laufenden Jahr die Rüstungsausgaben auf 700 Milliarden US-Dollar erhöhen.
Moskau rüstet ab – NATO gibt 14-mal so viel aus wie Russland
Auch die NATO-Verbündeten in Zentral- und Westeuropa steigerten ihre Ausgaben für Waffen und andere Rüstungsgüter im letzten Jahr um 12 beziehungsweise 1,7 Prozent. Diese Steigerung gehe vor allem auf die „Wahrnehmung einer wachsenden Bedrohung durch Russland“ zurück, weshalb sich die europäischen NATO-Mitlieder zu einer weiteren Erhöhung ihrer Rüstungsausgaben verpflichtet haben. Insgesamt gaben die 29 Mitglieder des transatlantischen Bündnisses im letzten Jahr 900 Milliarden US-Dollar fürs Militär aus, was 52 Prozent des Weltanteils entspricht.
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Im Kontrast zu der von der NATO proklamierten „Bedrohung an der Ostflanke“ hat Russland seine Verteidigungsausgaben im vergangenen Jahr um 20 Prozent gesenkt. In absoluten Zahlen entspricht das einer Reduzierung um 13,9 Milliarden US-Dollar. Kein anderes Land der Welt hat seine Rüstungsausgaben um einen so hohen Betrag gesenkt. Mit 66,3 Milliarden US-Dollar lagen Moskaus Rüstungsausgaben 2017 bei rund einem Zehntel dessen, was die Vereinigten Staaten investierten.
Die Pläne Moskaus zur drastischen Senkung des Militärhaushaltes sind bereits seit einem Jahr bekannt und sollen auch in den kommenden Jahren weiter umgesetzt werden – was Präsident Wladimir Putin nach seiner Wiederwahl im März bekräftigte.
NATO-Zielvorgabe: Deutschland könnte Russland bald überholen
Deutschland gab dagegen 2017 so viel Geld für Waffen und Militär aus wie zuletzt vor fast zehn Jahren. Die Rüstungsausgaben stiegen um 3,5 Prozent auf 44,3 Milliarden US-Dollar (36,7 Milliarden Euro). Weltweit ist Deutschland nach SIPRI-Daten damit das Land mit den neunthöchsten Rüstungsausgaben. Doch die Bundesrepublik dürfte künftig in den Top Ten nach oben klettern.
Denn die Bundesregierung strebt, wie von Außenminister Heiko Maas jüngst bekräftigt, eine Umsetzung der NATO-Zielvorgabe an, die Rüstungsausgaben in Höhe von 2 Prozent des BIP vorsieht. Aufgrund seines hohen BIP würde Deutschland bei Erreichen dieses Ziels mehr für Rüstung ausgeben als Russland.
Vor dem Hintergrund der stark gesunkenen russischen Militärausgaben fordert der SIPRI-Analyst Pieter Wezemann die NATO-Staaten zum Umdenken auf:
Diese Zahlen sollte man stärker berücksichtigen, wenn man in Europa nun über höhere Verteidigungsausgaben diskutiert. Man könnte sich sogar fragen, ob nicht jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, den eigenen Militärausgaben ebenfalls Schranken zu setzen – und so zu demonstrieren, dass man gewillt ist, den Konflikt auf andere Weise zu lösen.
Regionen im Vergleich: Im Nahen Osten wird am stärksten aufgerüstet
Insgesamt stiegen die Militärausgaben laut dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht im Nahen Osten, in Afrika südlich der Sahara, in Südamerika, Zentral-, Süd- und Ostasien sowie in West- und Mitteleuropa. In Nordafrika, Mittelamerika und Australien dagegen nahmen die Investitionen ab. Auch in Osteuropa gingen die Ausgaben insgesamt zurück, was jedoch auf den reduzierten russischen Verteidigungshaushalt zurückzuführen ist und keinem allgemeinen Trend entspricht. Im Gegenteil: Das NATO-Mitglied Rumänien steigerte laut SIPRI im vergangen Jahr seine Militärausgaben um 50 Prozent, womit das osteuropäische Land weltweit die Spitzenposition innehat. Auch Lettland, Litauen und Bulgarien erhöhten ihre Ausgaben.
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Vor allem Länder in Asien und im Nahen Osten hätten zur Steigerung der Militärausgaben beigetragen, analysierte Wissenschaftler Nan Tian. „Auf globalem Level verlagern sich die Rüstungsausgaben klar weg von der Euro-Atlantik-Region.“ In keiner Region stiegen die Rüstungsausgaben so sehr wie im Nahen Osten. In der Krisenregion wurden diese im vergangene Jahr um 6,2 Prozent gesteigert. Auch im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegen die Ausgaben im Nahen Osten mit 5,2 Prozent dreimal so hoch wie in jeder anderen Region der Welt.
Sieben der zehn Staaten mit den höchsten Ausgaben, anteilig gemessen am BIP, liegen im Nahen Osten. Regionale Spitzenreiter sind der Oman mit 12 und Saudi-Arabien mit 10 Prozent des BIP, gefolgt von Kuwait (5,8 Prozent), Jordan (4,8 Prozent), Israel (4,7 Prozent), Libanon (4,5 Prozent) und Bahrain (4,1 Prozent).
Saudi-Arabien verdrängt Russland
Vor allem die höheren Ausgaben durch Saudi-Arabien „treiben den Anstieg der Militärausgaben im Nahen Osten voran“, so SIPRI. Nach Schätzungen der Friedensforscher investierte das Königreich 2017 fast 70 Milliarden US-Dollar in sein Militär und verdrängte damit Russland vom dritten Platz im weltweiten Vergleich. Das Königreich erhöhte damit seine Ausgaben im letzten Jahr um 9,2 Prozent.
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Auch der größte regionale Rivale Saudi-Arabiens erhöhte seinen Etat deutlich: Der Iran gab im letzten Jahr 19 Prozent mehr fürs Militär aus. Aufgrund des im Vergleich etwa zu Saudi-Arabien wesentlich geringeren BIP fielen die vom Iran investierten Summen in absoluten Zahlen jedoch relativ moderat aus.
„Iran hingegen investiert relativ geringe Summen in sein Militär“, so SIPRI-Analyst Wezemann. Er ergänzte, dass Teheran „gewillt“ sei, seine Militärausgaben ebenfalls zu erhöhen, doch lasse „seine wirtschaftliche Situation“ das derzeit nicht zu. Insgesamt konstatiert Wezemann für die Region:
Trotz niedriger Ölpreise treiben bewaffnete Konflikte und Rivalitäten im gesamten Nahen Osten den Anstieg der Militärausgaben in der Region voran.
Chinas Ausgaben wuchsen am stärksten in absoluten Zahlen
Neben dem Nahen Osten stiegen die Militärausgaben vor allem im asiatischen Raum. Ganz vorne dabei ist China, das seine Rüstungsausgaben seit mehr als zwei Jahrzehnten kontinuierlich steigert. Im Jahr 2017 schraubte Peking die Investitionen um rund 5,5 Prozent (12 Milliarden US-Dollar) auf geschätzte 228 Milliarden US-Dollar hoch. „Chinas Rüstungsausgaben entsprachen 2017 in absoluten Zahlen dem weltweit größten Zuwachs“, heißt es in dem SIPRI-Bericht. China belegt nach den USA den zweiten Platz im globalen Vergleich.
Allerdings müssten die gestiegenen chinesischen Rüstungsausgaben im Kontext des stetig wachsenden BIP des Landes gesehen werden, wodurch sich diese relativierten, so Wezemann:
Die chinesische Ausgabenerhöhung liegt auf der Linie der bisherigen Ausgabenerhöhungen im Zeitraum der letzten 20 Jahre. Dort folgen die Militärausgaben dem Wachstum des Bruttosozialprodukts. Es handelt sich also um keine besonders dramatische Entwicklung. China hat große Ansprüche, und die spiegeln sich auch in den Militärausgaben wider.
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