Nicht alle dürfen Betroffenheit zeigen: Le Pen und Mélenchon an Antisemitismus-Protest gehindert

Bei einem Marsch zu Ehren einer ermordeten Holocaust-Überlebenden in Frankreich wurden die Politiker Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon von Demonstranten an der Teilnahme gehindert. Zuvor hatte der jüdische Dachverband erklärt, die beiden seien "nicht willkommen".

Beim Kampf gegen Antisemitismus in Frankreich sind nicht alle Bürger gleichermaßen erwünscht, wenn es nach dem Dachverband der jüdischen Institutionen in Frankreich (Crif) geht. Der hatte vor einer großen Demonstration zu Ehren der kürzlich ermordeten Holocaust-Überlebenden Mireille Knoll gesagt, die beiden Politiker Marine Le Pen von Front National und Jean-Luc Mélenchon von La France insoumise seien bei dem Schweigemarsch "nicht willkommen".

Laut taz begründet der Crif-Vorsitzende Francis Kalifat diesen Ausschluss-Versuch damit, dass Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen (der Vater Marine Le Pens) mehrfach wegen antisemitischer Äußerungen oder Verharmlosung des Holocaust verurteilt worden sei. Mélenchon habe mit der extremen Linken zu einem "Boykott Israels" aufgerufen und den Frankreichbesuch Benjamin Netanjahus gehässig kritisiert.

Der Aufruf des Verbandes zeigte Wirkung. So wurde der linke Politiker Mélenchon bei der Demonstration am Mittwochabend laut Medienberichten mit Rufen wie "Kollaborateur" oder "Dreckskerl" empfangen und von Demonstranten so sehr bedrängt, dass die Polizei eingreifen musste. Mélenchon musste die Kundgebung verlassen und sagte zu dem Vorfall:

Ich bin nicht das Thema hier. Es geht um eine von Barbaren ermordete Frau und die Notwendigkeit der nationalen Einheit. Der Rest ist Nebensache.

Der Rechtspopulistin Marine Le Pen erging es ähnlich. Noch als sie unter Polizeischutz in einer Nebenstraße in Sicherheit gebracht wurde, riefen Demonstranten: "Le détail, le détail". Eine Anspielung auf die Bemerkung ihres Vaters Jean-Marie Le Pen, der Holocaust sei nur ein "Detail der Geschichte".

Doch diese Anmaßung, entscheiden zu wollen, wer Solidarität zeigen darf und wer nicht, stößt auch auf Kritik. So zitiert die taz etwa den Philosophen Alain Finkielkraut, der ebenfalls an der Demo teilgenommen hatte:

Sie werden sehen, morgen wird nur davon die Rede sein. Wir sind hier für einen würdigen Schweigemarsch. Ich bin ein erklärter Gegner von Le Pen und Mélenchon, aber diese Aggressivität gegen sie ist skandalös.

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