Auszeichnung für kontroverse Anklägerin: Carla Del Ponte erhält Friedenspreis

Die ehemalige UN-Chefanklägerin Carla Del Ponte ist mit dem Hessischen Friedenspreis ausgezeichnet worden. Sie hat während des Jugoslawien-Kriegs ambivalent gewirkt, gehörte aber zu den Ersten, die der islamistischen syrischen "Opposition" Kriegsverbrechen vorwarfen.

Carla Del Ponte ist am Freitag mit dem Hessischen Friedenspreis geehrt worden. Die Schweizerin war von 1999 bis 2007 Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, von 1999 bis 2003 war sie für die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen in Ruanda zuständig. Zuletzt war die 71-Jährige Sonderermittlerin zu Kriegsverbrechen in Syrien.

Aufsehen hat die streitbare Juristin vor allem zweimal erregt: zum einen, als sie 2008 in ihrer Autobiographie "Die Jagd - Ich und die Kriegsverbrecher" der "Kosovo-Befreiungsarmee" UÇK und dem kosovarischen Premierminister Hashim Thaçi vorwarf, sie hätten im Sommer 1999 Hunderte Serben entführt, um deren Organe zu verkaufen. Diese Anschuldigung wog schwer, weil die UÇK und Hashim Thaçi zu den westlichen Schützlingen zählten. Und weil Del Ponte zuvor als Anklägerin vor allem serbischer Individuen ganz und gar nicht den Eindruck gemacht hatte, sie würde der anti-serbischen Haltung des Westens im Wege stehen wollen - zumal der ihr unterstellte "Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien" weithin als Werkzeug westlicher Siegerjustiz wahrgenommen wurde.

Ein weiteres Mal geriet Del Ponte ins Scheinwerferlicht, als sie 2013 im Widerspruch zur Haltung fast aller westlicher Medien und Politiker den syrischen Islamisten den Einsatz von Giftgas vorwarf:

Wir haben Zeugenaussagen von Ärzten, Flüchtlingen in benachbarten Ländern und Spitalmitarbeitern, dass chemische Waffen verwendet wurden - aber nicht von der Regierung, sondern von der Opposition.

Der Spiegelätzte damals: "Dass Del Ponte mit einer so dramatischen Mutmaßung vorprescht, ist ein weiteres Beispiel für die katastrophale internationale Informationspolitik zu Syriens Chemiewaffen." Die katastrophale Informationspolitik, die der Spiegel seit Jahren zu Syrien praktiziert, soll hier nicht erneut analysiert werden.

Kurze Zeit nach Del Pontes Anschuldigungen gegen die syrischen Islamisten ereignete sich ein dubioser, bis heute ungeklärter, aber von westlichen Medien und Politikern eindeutig der syrischen Armee zugeschriebener Giftgasangriff im syrischen Ghuta. Im vergangenen Sommer trat Del Ponte von ihrer Position als UNO-Sonderermittlerin in Syrien zurück. Als Begründung gab sie fehlende politische Unterstützung und Stagnation in ihrer Arbeit an.

Der mit 25.000 Euro dotierte Friedenspreis war 1993 vom ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Albert Osswald (SPD) ins Leben gerufen worden und wird jährlich an Menschen verliehen, die sich um Völkerverständigung und Frieden verdient gemacht haben. Der Preis wurde am Freitag im Landtag in Wiesbaden verliehen.

Del Ponte habe keinen Konflikt gescheut, um Opfern von gravierenden Menschenrechtsverletzungen zu Gerechtigkeit zu verhelfen, hieß es in der Begründung. "Ihr ging es nicht so sehr um die kleinen Mitläufer, sondern um diejenigen, die an den Hebeln der Maschinerie des Bösen saßen", sagte die Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, Angelika Nußberger.

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